Witten. Aus bei Kronenbrot: 150 Mitarbeiter in Witten werden arbeitslos. Vergeblich hatte der Betriebsratschef auf einen ganz bestimmten Retter gehofft.
Kronenbrot in Witten hat am vergangenen Donnerstag (25.7.) die Produktion eingestellt. Eine Woche später, am 1. August, eröffnet das Essener Amtsgericht das Insolvenzverfahren für die Traditonsbäckerei an der Friedrich-Ebert-Straße. 150 Mitarbeiter in Witten können Arbeitslosengeld beantragen und müssen sich neue Jobs suchen, unter ihnen Betriebsratschef Thomas Wustrack. Auch er weiß noch nicht, wie es für ihn beruflich weitergeht.
Wie viele seiner Kollegen verdient der 52-Jährige sein Geld schon lange in dem Werk in Rüdinghausen. „Wir hatten personell nur eine geringe Fluktuation“, sagt Wustrack. 1996 fing er in Witten als Fahrer bei Kronenbrot an. Seit sieben Jahren ist der Hagener Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Kronenbrot-Gesamtbetriebsrates.
Für den Neustart machte der Betriebsrat einige Zugeständnisse
2016 hatte die Bäckereigruppe mit weiteren Standorten in Würselen und Köln den ersten Insolvenzantrag gestellt. Damals konnte die Belegschaft noch einmal Hoffnung schöpfen. Im Februar 2017 wurde das Unternehmen der Familie Mainz an Fonds verkauft, die von der Londoner Investmentfirma Signal Capital Partners finanziert und beraten wurden. Für den Neustart habe man einige Zugeständnisse gemacht, betont der Betriebsratschef. „Signal Capital hat die Bedingungen bestimmt. Wir haben auf zwei Prozent des Lohns, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet. Damit haben wir uns an der Sanierung beteiligt.“
Am Standort Witten produzierte Kronenbrot Sandwich und Toastbrot, laut Wustrack die letzten zwei Jahre nur noch Sandwich. Rund 100.000 Stück täglich seien möglich gewesen. „Die Kollegen haben eine hervorragende Qualität abgeliefert.“ Zwischen 2012 und 2015 seien auf dem Wittener Betriebsgelände neue, gebrauchte Produktionsanlagen installiert worden. Ein gebrauchter Steinbackofen für Brötchen sei nur kurz in Betrieb gewesen.
Eine gebrauchte Anlage zur Brotherstellung sei auch nicht erfolgreich gelaufen. Sie habe zu viel Personal gebunden und daher nicht wirtschaftlich backen können. Der Betriebsrat habe die Anschaffung gebrauchter Anlagen zunächst als eine Chance begrüßt, sagt Wustrack. „Es sollte nicht viel Geld ausgegeben werden. Aber so lief das nicht. Zum Schluss ist man halt immer schlauer.“
Nach der Übernahme durch einen Finanzinvestor lief es nicht mehr rund
Ein Kollege, der anonym bleiben will, betont, dass der zweite Insolvenzantrag für die Belegschaft nicht aus heiterem Himmel gekommen sei. „Viele Dinge liefen nicht rund nach der Übernahme durch Signal Capital“, sagt der Mann, der sein Geld seit über 20 Jahren bei Kronenbrot verdiente. Den Schock über das endgültige Aus sieht man dem zweifachen Familienvater deutlich an.
Betriebsratschef Thomas Wustrack erklärt, dass auch die finanzielle Schieflage der Bäckereikette Oebel mit über 150 Filialen in NRW, die ebenfalls einen Insolvenzantrag stellte, Auswirkungen auf Kronenbrot gehabt habe. Oebel, eine frühere Kronenbrot-Tochter, habe keine eigene Bäckerei gehabt. Die Filialkette sei von Kronenbrot und anderen Zulieferern mit Brot, Brötchen und Kuchen beliefert worden. Wustrack: „Zum Schluss haben wir von Oebel kein Geld mehr bekommen und dann auch nichts mehr an Oebel geliefert.“
Aldi hat als größter Kunde 50 Prozent der Produkte abgenommen
Der größte Kronenbrot-Kunde sei jedoch Aldi gewesen. „Aldi hat über 50 Prozent unserer Produkte abgenommen“, sagt der Hagener. Das Unternehmen habe sich 2016 beim ersten Insolvenzantrag äußerst kooperativ gezeigt. „Aldi hat uns sehr geholfen.“ Der Discounter hätte sich jetzt als Retter erweisen können, wäre es nach den Wünschen des Betriebsratschefs gegangen. „Aldi hätte uns doch übernehmen können.“ Schließlich besitze auch der Mitbewerber Lidl mit Bonback eine eigene Großbäckerei.
Witten war zunächst nur ein Vertriebsstandort
Das Unternehmen Kronenbrot wurde 1865 von Franz Joseph Mainz in Würselen bei Aachen als kleine Landbäckerei gegründet. Zwischen 1956 und 1989 leitete Walter Mainz die Geschicke des Familienunternehmens. Kronenbrot wuchs in diesen Jahren vor allem im Rheinland durch die Übernahme einer Vielzahl von Großbäckereien im Kölner Raum.
Von 1989 bis 2016 stand Lothar Mainz als geschäftsführender Gesellschafter an der Spitze der Firma.
Laut Betriebsrat ist Kronenbrot seit 1993 in Witten. In den ersten Jahren handelte es sich um einen reinen Vertriebsstandort. 2014 wurde der Wittener Bereich Logistik – die Warenauslieferung – ausgelagert. Hierfür wurde von Kronenbrot in Dortmund-Marten eine Halle angemietet.
Eine zweite Möglichkeit wäre gewesen, dass Aldi einem an Kronenbrot interessierten Investor eine langfristige Abnahmegarantie gegeben hätte. „Das wäre auch eine gute Lösung gewesen.“ Doch diesmal sprang Aldi nicht in die Bresche.
Insolvenzverwalter Biner Bähr hatte betont, dass alle Bemühungen, Kronenbrot eine Überlebenschance zu eröffnen, erfolglos geblieben seien. Alle Versuche, einen Kaufinteressenten für die Bäckereigruppe zu finden, seien gescheitert. Der Backwarenhersteller sei seit vielen Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig. „Die Produktionsanlagen sind stark veraltet und halten den Anforderungen moderner Produktionsabläufe nicht mehr stand“, beschrieb der Düsseldorfer Anwalt die Situation. Insgesamt verlieren fast 1000 Kronenbrot-Mitarbeiter ihre Jobs.