Witten/Dortmund. Angelika Remiszewski von der Tierschutzpartei wünscht sich ein Ende für Schlachthöfe. Und erzählt, wie der Tod ihres Hundes ihr Herz brechen ließ.

Die Tierschutzpartei führt ein fast geisterhaftes Dasein in Witten: Eine Ortsgruppe gibt es nicht, geschweige bekannte Wittener Gesichter. Trotzdem sind die Tierschützer nach den Satirikern von Die PARTEI die Stärkste unter den „Sonstigen“ bei der Europawahl in Witten geworden. Dortmunderin Angelika Remiszewski ist für Menschen aus der Ruhrstadt die nächste Ansprechpartnerin. Gordon Wüllner hat mit der 62-jährigen Lehrerin über Stadttauben, Kinderwurst und Alpträume von Schlachthöfen gesprochen.

Sie haben bei der Europawahl über 2 Prozent in Witten geholt – mehr als die Piraten, obwohl man deren Vertreter in der Stadt gut kennt. Sie sind dagegen fast unsichtbar in der Stadt. Woher der Erfolg?

Angelika Remiszewski: Es ist unser Manko, dass viele von uns als Personen nicht so präsent sind. Aber in den sozialen Netzwerken sind wir sehr aktiv. Und das, was wir machen, spricht die Menschen einfach an – auch, dass wir so ganzheitlich arbeiten. Wir haben zwar den Tierschutz als zentrales Thema, aber wir engagieren uns genauso für Mensch und Umwelt. Gerade beim Klimaschutz sind wir sehr präsent – auch da wo es akut ist. Am Hambacher Forst standen wir an der Seite der Demonstranten und haben Bäume gepflanzt.

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Ihre Partei sitzt auch im Stadtrat in Essen, der sich jüngst mit ihrer Anfrage zu einem Auftrittsverbot für Zirkustiere beschäftigt hat. Was würden Sie in einer Stadt wie Witten als erstes einbringen?

Wir würden uns für sichere Radwege einsetzen und dafür, dass mehr Geld fließt in die Bildung und Pflege.

Rad, Senioren, Bildung – was ist mit dem Tierschutz?

Das mit den Zirkusauftritten ist vielerorts ein Problem. Ein anderes Thema sind Stadttauben. Wir setzen uns dafür ein, dass Tauben-Problem auf tierschutzgerechte Weise zu lösen. Für uns ist das Vergiften und Vertreiben keine Lösung. Wir plädieren dafür, Taubenhäuser zu bauen und das Gelege auszutauschen, um die Anzahl in einem erträglichen Maß zu halten. Wir wollen Tauben auch tierärztlich versorgen lassen und artgerecht ernähren. Nur weil sie sich so schlecht ernähren, haben Tauben diese dünnen Ausscheidungen, die überall bemängelt werden.

Also macht erst der Mensch die Taube zur Ratte der Luft?

Ja, der Mensch ist die Ursache dieses Problems. Dabei ist die Taube alles andere als ein Krankheitserreger und macht auch nicht die Fassaden kaputt. Das macht der saure Regen, die Umweltverschmutzung.

Sie sind Grundschullehrerin. Bringen Sie den Tierschutz auch mehr in den Unterricht ein als das andere Kollegen tun würden?

Ich lebe es vor. Das fängt beim Frühstück an. Dabei erkläre ich den Kindern, dass ich keine Wurst esse, weil ich nicht möchte, dass für mein Essen Tiere sterben. Die Kinder ahmen das dann nach. Ich verschweige ihnen nicht, wie schlimm die Massentierhaltung ist. Ich gehe nicht ins Detail, aber sage schon, was Sache ist.

Geraten Sie da auch mal in Konflikt mit Eltern, die nicht wollen, dass Sie ihren Kindern die Gesichtswurst madig machen?

Nein, das habe ich noch nie erlebt. Aber man kann natürlich nicht nur beim Frühstück auf die Kinder einwirken. Gerade lernen wir viel über Bienen. Da muss man den Kindern klarmachen, welche Bedeutung sie für den Menschen und die Natur haben. Man muss ein Bewusstsein bei den Kindern wecken, damit sie das auch ins Erwachsenenleben hinein tragen. Das ist auch meine Forderung: Den Tierschutz groß in den Lehrplänen zu verankern.

Kann man Ihre Partei nur dann authentisch vertreten, wenn man sich vegan ernährt?

Wir sind keine reine Veganer-Partei. Bei uns ist jeder willkommen, der sich auf den Weg macht – sei es auch in kleinen Schritten. Ich selbst habe lange gebraucht und musste erst die krassen Bilder von den Schlachthöfen sehen. Ich brauchte die Alpträume, die Schlaflosigkeit.

Aber das Ziel des Weges ist schon die rein pflanzliche Ernährung?

Ja, wir treten ja auch dafür ein, dass die Schlachthöfe irgendwann ganz verschwinden.

Wie sind Sie eigentlich zur Partei gekommen?

Ich bin schon lange dabei, eines der ältesten Mitglieder. Man könnte sagen: Ich war dabei, als es die Tierschutzpartei noch gar nicht gab. Ich bin 1981 in Kontakt getreten mit der Gründerin Prof. Dr. Bingener, die leider längst verstorben ist. Ich habe mich damals mit ihr zusammengetan, als 1988 der Skandal mit den Hormon-Kälbern bekannt wurde (Anm. d. Red: Beim Kälbermastskandal ging es um die Nutzung nicht zulässiger Mastbeschleuniger). Als sie dann 1993 die Partei gegründet hat, war ich mit dabei. Damals haben wir erste Stammtische in meinem Haus abgehalten. Ich wohnte damals noch in Arnsberg.

Warum ist der Tierschutz für Sie immer wichtig gewesen?

Ich habe schon als Kind Regenwürmer gerettet, Tiere immer geliebt. Zu erfahren, wie es in der Massentierhaltung zugeht, hat mich dann aber persönlich richtig getroffen. Ich bin Mutter und ich fand es so schlimm, dass Kälber lebendig in den Schredder geworfen werden. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass es nicht reicht, vor Schlachthöfen zu de­monstrieren, sondern man auch auf die politische Ebene gehen muss, um etwas zu verändern.

Zu Hause wartet sicher auch ein Vierbeiner auf Sie?

Vor rund einem Jahr musste ich mich von meiner Schäferhündin verabschieden. Ich kann noch kein neues Tier an mein Herz lassen, der Abschied ist mir sehr schwer gefallen. Aber eigentlich gehören Tiere für mich zum Leben dazu. Nur kann man sie nicht einfach so ersetzen.