Witten. . Ein buntes Bündnis protestierte gegen den AfD-„Bürgerdialog“ im Saalbau. Am Ende nahmen viele Demonstranten selbst an der Veranstaltung teil.

Von Eltern mit Kinderwagen über Gothics mit Irokesenschnitt bis Syrer, Autonome und Liberale: Ein buntes Bündnis von rund 500 Demonstranten ist gestern gegen die AfD vom Bahnhof durchs Zentrum bis zum Saalbau marschiert – mit Dudelsackmusik, Sprinter samt Verstärker und Plakaten wie „Ist ja ekelhAfD“. Im Saalbau hielten Abgeordnete der Bundestagsfraktion eine Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl ab, Bürgerdialog genannt.

„Rassismus ist keine Alternative“ finden Andrej Scharnau und Maxim (3).
„Rassismus ist keine Alternative“ finden Andrej Scharnau und Maxim (3).

Das Bündnis „Witten stellt sich quer“ hatte die Demo organisiert. Gewerkschaften, Kirchen, Initiativen und Parteien folgten dem Aufruf – darunter mehrere bekannte Wittener Politiker. Unter den Kinderwagen schiebenden Müttern: die grüne Landtagsabgeordnete Verena Schäffer. Auch Wittens Erste Stellvertretende Bürgermeisterin Beate Gronau und der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschack waren neben bunthaarigen Antifa-Aktivisten zu sehen. „Gegen Parteien, die Grundlagen unserer Demokratie missachten, ist es wichtig, Flagge zu zeigen“, betonte der Wittener SPD-Chef.

Buh-Rufe und Pfiffe für jeden Teilnehmer

Die Spitze des Demozugs sprach natürlich eine noch viel deutlichere Sprache, rief „ganz Witten hasst die AfD“, als sie gegen 18 Uhr am Saalbau – dem Veranstaltungsort – von der Polizei empfangen wurde. Insgesamt waren rund 80 Einsatzkräfte präsent. Eingreifen mussten sie nicht – obwohl vor dem Saalbau auch kurz verbotene Pyrotechnik abgebrannt wurde.

Ein Teilnehmer kommt unter Polizeischutz zum „Bürgerdialog“.
Ein Teilnehmer kommt unter Polizeischutz zum „Bürgerdialog“.

Jeder, der die Polizeikontrolle passierte und durch die Saalbau-Türen ging, wurde von den Demonstranten mit Buh-Rufen, Pfiffen, teils auch mit Schimpfwörtern begrüßt. „Erschreckend“, nannte das AfD-Kreissprecher Matthias Renkel, „Kindertheater“ eine Bürgerin, die aus Interesse an der Veranstaltung teilnahm. Dass von der Polizei begleitete AfD-Mitglieder den Demonstranten vom Balkon aus zuwinkten, heizte die Stimmung weiter auf.

Fassungslosigkeit beim Thema Flüchtlinge

Und dann haben sich doch Teile beider Seiten die Hände gegeben. AfD-Mann Renkel musste immer mehr Gegendemonstranten im Saalbau begrüßen, immer mehr entschieden sich, dem „Bürgerdialog“ einfach selbst beizuwohnen. Die Polizei sah keinen Grund, Gegendemonstranten den Eintritt zu verwehren, „ist nun mal eine öffentliche Veranstaltung“, sagte ein Beamter. So wurde mehr als die Hälfte der rund 70 besetzten Plätze im Saalbau zu Veranstaltungsbeginn von Gegendemonstranten eingenommen.

Dieses Schild klebte eine schwangere Demonstration an ihren Bauch.
Dieses Schild klebte eine schwangere Demonstration an ihren Bauch. © Gordon Wüllner

Anders als vor der Tür schien hier erst einmal niemand auf Ärger aus. AfD-Politiker Sebastian Schulze konnte gar Lacher bei seine Anmoderation ernten: „Welche Partei kann schon von sich behaupten, ein so buntes Publikum begrüßen zu können?“. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und erste Referent Udo Hemmelgarn brauchte aber nur zehn Minuten, um Fassungslosigkeit im Publikum auszulösen – indem er fragte, ob Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ihre Seenot nicht selbst hervorrufen würden. Wie ein Teilnehmer berichtet, wurde der Widerspruch gegen die AfD immer lauter – bis es beinahe so laut wie draußen wurde, die ersten Demonstranten den Saal verließen. Mit anderen – so AfD-Sprecher Renkel – habe man dann noch eine „gute Diskussion“ geführt.