Witten. . Wo vorher das katholische Pfarrhaus in Herbede stand, leben jetzt 24 Menschen mit Demenz in einer ambulanten WG. Ein Besuch in Haus Maria.

Gerd Sadowski hat es sich in der Küche seiner neuen Heimat gemütlich gemacht. Während nebenan auf dem Hof des katholischen Gemeindehauses in Herbede etliche Menschen die Eröffnung der ambulanten Demenz-WG feiern, hält sich der 91-Jährige lieber vom Trubel fern. Ambulant heißt in Haus Maria übrigens: Die Mitarbeiter sind nur zu Gast bei den Mietern. Pflegekräfte gibt es nicht automatisch.

Gerd Sadowski (91) im Wohnzimmer seiner WG.
Gerd Sadowski (91) im Wohnzimmer seiner WG. © Jürgen Theobald

Gerd Sadowski wartet aufs Mittagessen. Bestimmt hat er wieder geholfen, Kartoffeln zu schälen oder Zwiebeln zu schneiden – das macht er nämlich gern, sagt er selbst. Seine Nichte Tanja Ziegler (46) sitzt neben ihm und bestätigt: „Onkel Gerd blüht hier richtig auf.“ Als seine Frau vor drei Jahren starb, blieb er zunächst alleine in der Dortmunder Wohnung. Bis es nicht mehr ging. Übergangsweise zog Sadowski in ein Altenheim. Es war wohl nicht das Richtige. Denn nun ist Tanja Ziegler, seine betreuende Angehörige, überglücklich, Haus Maria für ihren Onkel gefunden zu haben – zumal sie selbst nicht weit weg in den Hölzern wohnt.

Es ist noch Suppe da: Hausmutter Martina Fitzke und Prokurist Sascha Winkel besuchen eine WG.
Es ist noch Suppe da: Hausmutter Martina Fitzke und Prokurist Sascha Winkel besuchen eine WG. © Jürgen Theobald

Der neue Bau des Altenzentrums St. Josefshaus nimmt einen besonderen Platz im Dorf ein: Bis Februar 2017 stand hier das Pfarrhaus von St. Peter und Paul. Pfarrer Holger Schmitz erinnert in seiner Ansprache an das „vertraute und lieb gewordene“ Gebäude. Es habe der Einsicht weichen müssen, dass eine Renovierung eine zu große finanzielle Belastung bedeutet hätte: „Der Abriss war alternativlos.“ Nun habe sich die Baulücke geschlossen, „die Wunden heilen“. Schmitz: „Haus Maria wird seinen Platz in der Gemeinde finden.“

Am 1. Februar sind die ersten der 24 Bewohner eingezogen. „Gerade haben wir die letzten Mietverträge abgeschlossen“, sagt Leiterin Martina Fitzke, von allen nur „Hausmutter“ genannt. „Ich könnte heulen, so schön ist das hier“, sagt sie. Denn sie hat das Konzept intensiv mitentwickelt und spürt jetzt schon: Es funktioniert. „Die Bewohner haben nur wenige Tage gebraucht, bis sie sich eingelebt haben. Und genau das wollten wir erreichen: Dass sie sich hier wie Zuhause fühlen.“

Zur Eröffnung von Haus Maria gibt’s nicht nur Torte.
Zur Eröffnung von Haus Maria gibt’s nicht nur Torte. © Jürgen Theobald

Jede Etage des dreigeschossigen Gebäudes bildet eine eigene Wohngruppe. Die Menschen – sogar ein Ehepaar ist mit dabei – leben möglichst eigenständig in ihren 30 m² großen Zimmern mit Bad und Gemeinschaftsbereichen. „Wir, die 28 Mitarbeiter, sind hier die Gäste und unterstützen nur, wo es nötig ist“, sagt Martina Fitzke. Bis auf die Küchenzeilen haben die Bewohner ihre eigene Einrichtung mitgebracht. Eiche rustikal und gemütliche Polster dominieren im Wohnzimmer, das Gerd Sadowski sich mit anderen teilt. Auf dem Sofa steht ein Wäschekorb, in der Ecke trocknen ein paar Sachen auf dem Ständer. Wer im Nachthemd zum Frühstück erscheinen möchte, der darf das auch. Wie zuhause halt.

André Löckelt sieht mit dem neuen Haus die Pflege in Herbede gut aufgestellt. „Höchstens eine Tagespflege fehlt noch“, sagt der Geschäftsführer des St. Josefshauses. Man müsse nun aber auch wieder junge Familien ins Dorf locken, sagt er. Und träumt schon von einem Mehrgenerationenhaus.

>> INFORMATION

  • Das St. Josefshaus Herbede bietet: das Altenzentrum (Voestenstr.), einen ambulanten Pflegedienst und die Demenz-WG (Meesmannstr.). Deren Neubau hat 3,2 Millionen Euro gekostet.
  • Demenz-Wohngruppen mit etwas anderem Konzept gibt es an der Kesselstraße (Ev. Stiftung Volmarstein) und am Voß’schen Garten (Boecker-Stiftung).