Witten. . Bewohner der Obdachlosen-Unterkunft am Mühlengraben beklagen, wie heruntergekommen das Gebäude ist. „Es macht mich krank“, sagen zwei von ihnen.

Ein überquellender Aschenbecher auf dem Tisch, daneben eine Spritze, verschmutzte Taschentücher auf dem Boden, dazu haufenweise Kleidung, alte Fotos, Taschen – und ein Gefäß mit einer gelben Flüssigkeit auf dem Fensterbrett: In diesem Zustand hat Markus S.* (Name von der Redaktion geändert) nach eigenen Angaben sein Zimmer in der Obdachlosenunterkunft am Mühlengraben vorgefunden.

Er habe lediglich einen Glasreiniger und eine kleine Kehrschaufel mit Besen in die Hand gedrückt bekommen. „Aber damit kann ich hier ja nicht viel ausrichten“, sagt der 49-Jährige, der im Dezember seine Wohnung verloren hat.

Zimmer in der Obdachlosenunterkunft betritt er so selten wie möglich

Dagegen sagt das Amt für Wohnen und Soziales, das für die Notunterkunft zuständig ist: „Bei jedem Bewohnerwechsel werden nicht mehr benötigte Dinge seitens der Hauswarte entsorgt. Zimmer bzw. Wohnungen werden in einem gesäuberten Zustand zur Verfügung gestellt.“ Darüber kann Markus S. nur lachen.

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Seit knapp drei Wochen wohnt er nun am Mühlengraben, sein Zimmer betritt er aber so selten wie möglich. „Ich kann da nicht atmen“, sagt Markus. „Die Zustände dort machen einen auch psychisch krank. Wir sind ja noch Menschen.“

364 Euro Miete im Monat

Was den Wittener am meisten ärgert: Für seine 52 Quadratmeter große Wohnung, die er sich mit einem Mitbewohner teilt, zahlt das Jobcenter monatlich 364 Euro für ihn an die Stadt. Der Preis ist in der städtischen „Satzung über die Errichtung und Benutzung von Unterkünften für Wohnungslose“ festgelegt: 9,74 Euro monatlich pro Quadratmeter plus Verbrauchskosten. „Und das für diese Wohnung.“

Braunschwarze Schicht in den Fugen

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Durch alte Holzfenster blickt man auf die Straße, der Lack ist fast komplett abgesplittert. Das rechte Fenster lässt sich kaum schließen. „Das ist egal, es zieht sowieso durch alle Ritzen“, sagt Markus. Um das Spülbecken in der Küche hat sich eine braunschwarze Schicht in die Fugen gelegt. Der Rest des Raums ist fast vollständig mit alten Möbeln, die kreuz und quer übereinandergestapelt sind, zugestellt. „Auch alles großteils vom Vormieter.“

Blut an der Wand im Treppenhaus

Warum er die Wohnung nicht selbst entrümpelt? „Wohin sollte ich das ganze Zeug denn bringen?“ fragt Markus hilflos. Immerhin: Die Heizung läuft, es gibt fließendes Wasser. Zum Duschen muss der 49-Jährige ins Nachbarhaus. Dort sind im Keller die zwei Gemeinschaftsduschen für die aktuell 22 Bewohner untergebracht. Auch hier haben sich schwarzbraune Flecken über die Fliesen ausgebreitet.

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Er sei von den hygienischen Bedingungen im Mühlengraben krank geworden, sagt David (Name geändert), ein anderer Bewohner, der seit einem Jahr hier lebt. „Davor war ich immer gesund.“ Nun habe er eine Pilzinfektion auf der Haut. Beschwert über die Zustände habe er sich deshalb bei der Stadt aber noch nie. „Sonst fliege ich hier noch raus“, sagt der 39-Jährige. Im Treppenaufgang zu seiner Wohnung sind rote Spritzer an der Wand. „Blut“, sagt David. Und: „Wir sind hier auf uns alleine gestellt.“

Wohneinrichtung, kein betreutes Wohnen

Die Unterkunft sei eine Wohneinrichtung, kein betreutes Wohnen, betont Sozialarbeiter Michael Raddatz, der ein- bis zweimal die Woche am Mühlengraben vorbeischaut und an die Türen der Bewohner klopft. „Sie sind angehalten, ihre Wohnungen selbst zu putzen.“ Gleiches gilt nach Angaben von Christoph Noelle, Abteilungsleiter im Amt für Wohnen und Soziales, auch für die Gemeinschaftsduschen. Der bauliche Zustand des Hauses werde durch das städtische Gebäudemanagement überwacht, kleinere Reparaturen erledige ein Hauswart.

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„Dort leben Menschen mit vielen Problemen, dadurch kommt es häufig zu Vandalismus und Gewalt“, sagt Stefan Borggraefe, Ratsmitglied der Piraten, der selbst oft vor Ort war. „Das ist für die Stadt eine Sisyphosarbeit.“ So erlebt es auch Sozialarbeiter Raddatz. „Die Klingel wird immer wieder herausgerissen. Die Stadt hat das schon mehrfach repariert.“ Markus und David wollen indes nur weg. „Aber wenn du die Adresse hier bei einer Bewerbung angibst, bekommst du niemals eine Wohnung“, sagt David.

>>> Neues Konzept für Obdachlose?

Lange hat sich Stefanie Neto Mendonca („Steffi-hilft“) für die Bewohner der Obdachlosenunterkunft am Mühlengraben engagiert, etwa Zimmer entrümpelt, sauber gemacht, Kleidung organisiert. Jetzt hat sie sich zurückgezogen. „Es ist traurig, weil sich einfach nichts tut“, sagt die 45-Jährige. „Die Zustände sind menschenunwürdig.“

Aus ihrer Sicht könnte etwa eine intensivere Betreuung Abhilfe schaffen. Für ein ganz neues Konzept im Umgang mit Obdachlosen plädieren die Piraten. Die Ratsfraktion bereitet einen entsprechenden Antrag vor. Da die Menschen in der Unterkunft häufig tiefgreifende Probleme haben, bewirke eine gemeinsame Unterbringung nur, dass sich die Bewohner gegenseitig negativ beeinflussen.

Es komme daher auch zu zahlreichen Konflikten und Straftaten untereinander, so die Piraten. Daher schlagen sie die Unterbringung von Wohnungslosen mit guten Resozialisierungsaussichten in Trainingswohnungen vor. Für wen das nicht infrage kommt, der solle besser betreut untergebracht werden. Hattingen hat erst kürzlich ein ähnliches Konzept verabschiedet.