Witten. Die Kripo hat allein im vorigen Jahr 25 Mordkommissionen eingerichtet – so viele wie sonst für alle Tötungsarten.

Polizei und Justiz müssen immer öfter schwere Messerattacken aufklären. „Wir haben im vergangenen Jahr so viele Mordkommissionen einsetzen müssen wegen der Verwendung von Messern wie in den anderen Jahren für alle Tötungsformen: erschlagen, erschießen, erwürgen“, sagte Andreas Dickel, Chef der Kripo Bochum, die auch für Witten zuständig ist.

Im Durchschnitt wurden jährlich 25 Mordkommissionen eingerichtet, 2018 waren es aber 43 – und davon befassten sich 25 mit einem lebensgefährlichen Angriff mit einem Messer. Die Zahlen gelten für alle drei Städte des Bochumer Polizeibezirks, auch Herne und Witten.

„Eindeutig hat der Einsatz von Messern zur Konfliktlösung zugenommen“, sagt Dickel. Die Konsequenzen sind katastrophal, sowohl was Leib und Leben der Opfer betrifft als auch die Zukunft der Täter. Ein Beispiel von vielen: Gerade erst wurde vom Landgericht das Urteil über den 15-Jährigen gesprochen, der einen 18-Jährigen im Stadtpark mit einem Messer attackiert hatte – die Verletzung war lebensbedrohlich, die Ärzte konnten den jungen Mann retten.

Tragischer ging der Fall in Annen aus, wo ein 18-Jähriger Syrer aus nichtigem Anlass von einem 25-jährigen Deutschen getötet worden war. Die Tat hatte in der Stadt für große Bestürzung gesorgt.

Die Selbstbewaffnung ist nur eine Scheinsicherheit

„Viele Menschen glauben heute, es sei gefährlicher geworden, und wollen sich vor Straftaten mit einer Bewaffnung schützen“, sagt Dickel. Tatsächlich sei die Anzahl an Straftaten, auch der Straßenraubüberfälle, seit Jahren rückläufig. Und eine Selbstbewaffnung sei nur eine Scheinsicherheit. „Die Menschen glauben, dass sie durch die Waffe sicherer vor einer Straftat seien und tragen damit zur Eskalation bei.“ Auch bereits in den Schulen würden heimlich Messer getragen. „Ich glaube, dass ein erheblicher Prozentsatz der Schüler ab 14 Jahren ein Messer mit zur Schule nimmt, weil sie sich damit brüsten als Statussymbol, und weil sie sich vor vermeintlichen Straftaten schützen wollen.“

Überproportional seien Menschen mit Flüchtlings- und Migrationshintergrund die Täter. Das liege daran, weil sie weniger Vertrauen in die Polizei hätten, häufiger selbst schon Opfer geworden seien und in einer Kultur leben würden, „in der das Messer zum Mann dazugehört“.

Die Kripo Bochum hat jetzt die Aktion „Besser ohne Messer“ gestartet. Damit klärt sie in Schulen darüber auf, wie man Streit ohne Messer löst und wie gefährlich diese Waffen sind.

Hintergrund:

Viele Täter wissen nicht, wie gefährlich Messerattacken sind. Sie sind „prinzipiell immer lebensbedrohlich“, sagt Dr. Dominic Mühlberger, Gefäßchirurg im St.-Josef-Hospital der WAZ.

Am gefährlichsten seien Stiche in die Bauchschlagader. 80 Prozent seien tödlich. 40 Prozent der Opfer würden „innerhalb von Minuten verbluten“, weitere 40 Prozent im Hospital. Besonders gefährlich seien auch Stiche (selbst kleinere) in Leber, Hals, Brust und Lunge. Kritisch seien auch die Bereiche Schlüsselbein und Leiste wegen der dortigen Gefäße. Selbst drei bis fünf Zentimeter tiefe Stiche könnten tödlich sein.