Witten. . Aufnahmen sind im Rat verboten – und Wortlautprotokolle? Wittener Piraten hatten eine Stenografin engagiert, deren Arbeit aber untersagt wurde.

Film- und Tonaufnahmen von Ratssitzungen sind im Regelfall verboten. Das wissen natürlich auch die Piraten, obwohl sie seit langem gerne ein „Rats-TV“ mit Online-Übertragungen der Sitzungen einführen würden. Dass aber auch die Mitschrift durch Stenografen verboten sein soll, ließ die Fraktion nun „schockiert“ zurück.

Um auf ihren Antrag für mehr Transparenz durch Online-Ausstrahlungen aufmerksam zu machen, hatten die Piraten jüngst für die Haushaltsdebatte eine professionelle Parlaments-Stenografin engagiert. Bevor sie richtig beginnen konnte, wurde sie von der Bürgermeisterin gestoppt. „Es ist untersagt, hier ein Wortprotokoll zu führen und namentliche Abstimmungsergebnisse zu veröffentlichen“, sagte Leidemann.

Referatsleiter: Eine Verfahrensfrage

Namentliche Abstimmungsergebnisse seien nie gefordert worden, sagen die Piraten. „Wir halten es allerdings für einen schweren Mangel an Transparenz, dass das Abstimmungsverhalten der einzelnen Fraktionen nicht protokolliert wird.“ Und das Protokoll an sich? Gibt es tatsächlich ein „Mitschreibeverbot“ für die Ratssitzungen, wie es die Piraten nennen?

Raus aus der Steinzeit

Ein Rats-TV, wie es die Piraten seit langem fordern, würde die Debatten im Rat dorthin befördern, wo die Shitstorms herrschen – und nicht jeder ehrenamtliche Politiker besitzt das dicke Fell, Hasskommentare im Netz auszuhalten. Menschlich lassen sich Vorbehalte gegenüber einem solchen Projekt also sogar verstehen. Trotzdem ist es Realitätsverweigerung, wenn man die Öffentlichkeit auf die körperliche Anwesenheit beschränkt.

Wer kann denn schon zu einer Sitzung um 16 oder 17 Uhr erscheinen? Heute spielt nun mal die Musik im Netz, ob man will oder nicht. Essen oder Bottrop haben das verstanden, hier kommt alles online. Witten, wo selbst Protokolle untersagt werden, ist diesbezüglich in der Steinzeit hängen geblieben. Das steht auch im Widerspruch zur Digitaloffensive auf Verwaltungsebene, für die sich die Stadt gern im Kreis feiern lässt.

„Dass eine professionelle Parlamentsstenografin ein Wortprotokoll der Sitzung führen möchte, ist erst einmal eine Neuigkeit“, sagt Norbert Gärtner vom Referat der Bürgermeisterin. Es handele sich um eine Verfahrensfrage, die interfraktionell zu klären sei. „Da muss man erst einmal drüber sprechen“, so Gärtner. Schließlich sei ein Wortlautprotokoll ziemlich nah dran an einer Audio-Aufnahme.

Piraten wollen auf „Rats-TV“ aufmerksam machen

„Die Geschäftsordnung ist da eigentlich glasklar“, findet Stefan Borggraefe von den Piraten. „Film- und Tonaufnahmen sind verboten, aber Mitschriften waren immer erlaubt“. Zwischen Mitschriften von Bürgern und Journalisten und denen einer Stenografin kann er keinen großen Unterschied feststellen „Jeder kann mitschreiben wie er will, egal wie schnell er ist.“

Statt über Wortprotokolle zu streiten, wollten die Piraten eigentlich auf ihr „Rats-TV“ aufmerksam machen. Der Antrag dazu wurde allerdings abgelehnt. „Wir stoßen bei dem Thema seit viereinhalb Jahren auf extreme Widerstände“, so Borggraefe. Für ihn ist klar: „Der Rat will unbeobachtet bleiben.“