Das Verbot für Instrumente auf öffentlichen Plätzen bleibt in Witten hart. Wie Künstler wie Oswaldo Picuasi Einsätze des Ordnungsamtes erleben.

Für kurze Zeit ist der Berliner Platz eher ein Friedensplatz. Die versöhnlichen Töne aus Oswaldo Picuasis Panflöte locken am späten Montagmorgen schnell einige gelassen dreinblickende Zuhörer um die Schnecke. „Ist das nicht entspannt?“ schwärmt Brasilianer Josef Cicero, für den das Planflötenspiel „Lateinamerika pur“ ist. Doch nach einer Viertelstunde ist Schluss mit der ecuadorianischen Folklore. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes bittet Straßenmusiker Picuasi, seinen Verstärker abzustellen und ihm ins Rathaus zu folgen. „Das könnt ihr doch nicht machen!“ schimpft ein Mann aus dem Zuhörerkreis. Doch, kann man. Streng genommen muss man sogar.

Denn Straßenmusik ist in Witten verboten, so wie laut Landesimmissionsschutzgesetz in ganz NRW. Allerdings ermöglicht dasselbe Gesetz, Ausnahmeregelungen in jeder Kommune zu schaffen und das Musizieren auf offener Straße unter bestimmten Bedingungen zuzulassen.

Kein Fest für Straßenkunst

Während Straßenmusiker in Bochum etwa fünf Euro pro Tag für eine Genehmigung zahlen und alle 30 Minuten ihren Standort wechseln müssen, lehnte der Wittener Stadtrat im Jahr 2016 eine liberalere Regelung ab. Zwar stimmte der Hauptausschuss mehrheitlich für einen Antrag der Piraten, die Stadt zu beauftragen, mehr Straßenmusik zu fördern, etwa in Form eines kostenloses Festes. Doch bisher gibt es – bis auf eine Info-Aktion der Piraten im Jahr 2016 – weder ein vergleichbares Fest noch mehr Freiheiten für Straßenkünstler, erst recht nicht für solche mit Verstärker wie Oswaldo Picuasi.

Hätte er diesen nicht angeschlossen, wäre zumindest der Gang zum Rathaus nicht nötig gewesen, erklärt der Mitarbeiter vom Ordnungsamt. Nun schleppt Picuasi seinen 20 Kilogramm schweren Ziehwagen hinter ihm über die Bahnhofstraße und schaut etwas deprimiert. „Er hatte ja keine Ahnung, für ihn ist das jetzt eine böse Überraschung“, sagt Neu-Fan Josef Cicero, der sich spontan bereit erklärt hat, als Übersetzungshilfe mit ins Rathaus zu kommen.

Dort zeigt man Verständnis für Picuasis Unkenntnis. Ein Bußgeld gibt es nicht. Trotz Verstärker wird der Berufsmusiker auch hier nur verwarnt. Und man erklärt ihm, dass es einige Beschwerden aus der Innenstadt gegeben haben soll. „La gente no le gusta la música“, die Leute mögen hier wohl keine Musik, sagt er kurz darauf. In Ecuador, seinem derzeitigen Wohnort Barcelona oder seiner aktuellen Bleibe bei Bekannten in Duisburg habe er nichts Vergleichbares erlebt.

Laut Stadt kommt es tatsächlich zu mehreren Beschwerden wegen Straßenmusik in der Woche. Da verbiete es der Gleichheitsgrundsatz, dem ein oder anderen gegenüber offener zu sein. „Auch Einzelgenehmigungen gibt es nicht“, sagt Sprecherin Lena Kücük. Der im Ratsbeschluss von 2016 festgehaltenen Förderung von Straßenkunst würde man folgen – wenn es denn Ideen für Feste gebe. Kücük: „Wer so etwas initiieren möchte, kann sich gerne an die Verwaltung wenden.“ Ansonsten gelte der Grundsatz: Straßenmusik ist verboten.

Picuasi wird deshalb keinen Fuß mehr auf Wittener Boden setzen. Der Panflötenspieler verstaut Instrumente und Anlage im Kofferraum und will weiter nach Lünen. Dort wird Straßenmusik toleriert, wenn die Künstler alle 30 Minuten ihren Ort wechseln. Nur mit dem Verstärker könnte es auch dort Probleme geben.