Witten. . Für Schüler der dritten Klassen in Witten gibt die Polizei „aus personellen Gründen“ kein Fahrradtraining mehr. Was Schulleiterinnen dazu sagen.

Die Polizei zeigt Erstklässlern nicht nur, wie man sicher zur Schule und von dort wieder nach Hause kommt. Sie engagiert sich auch bei der Radfahrausbildung von Grundschülern – in diesem Jahr aber weniger als bislang und zwar „aus personellen Gründen“, wie das Bochumer Präsidium am Montag auf Nachfrage mitteilte. Wittener, Bochumer und Herner Drittklässler werden 2018 auf ein von der Polizei begleitetes Fahrradtraining verzichten müssen.

Polizeisprecher Volker Schütte betont, dass es sich bei den Radfahrübungen für Schüler dritter Klassen immer um eine zusätzliche freiwillige Aufgabe der Kollegen gehandelt habe. „Dies gehört nicht zu unserem Pflichtprogramm.“

Auch interessant

Die Polizei werde aber weiterhin Fahrtrainings auf der Straße für Viertklässler durchführen und die danach übliche Fahrradprüfung abnehmen, nach deren Bestehen die Mädchen und Jungen den begehrten Fahrradführerschein erhalten. Der Hauptkommissar verweist darauf, dass Verkehrserziehung eine Aufgabe der Eltern sei. Auch wenn er weiß: „Dieses Thema kommt oft zu kurz!“ Ein Eindruck, den Wittener Schulleiterinnen teilen.

Elterntaxi – obwohl ein Spaziergang besser wäre

Alexandra Schlieper, Grundschul-Rektorin in Vormholz, weiß aus einer wissenschaftlichen Erhebung an ihrer Schule, dass viele Kinder von den Eltern morgens mit dem Auto gebracht werden. „Auch wenn sie nicht weit weg wohnen und den Weg laufen könnten.“ Was für eine Erziehung zum richtigen Verhalten im Straßenverkehr nach Meinung der Schulleiterin besser wäre. Das Elterntaxi komme sicherlich häufig zum Einsatz, „weil Eltern das mit dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle verbinden“.

Alexandra Schlieper erklärt, dass die Lehrer an ihrer Schule in den dritten und vierten Klassen den Kindern erläutern, welche Verkehrszeichen es gibt, wie ein verkehrssicheres Fahrrad aussieht und warum man einen Helm tragen muss. „Das ist Verkehrserziehung in unserem Sachkundeunterricht.“

Der Einsatz der Polizei in puncto Radtraining sei in der Vergangenheit aber immer sehr wichtig gewesen. „Die schauen außerdem auch noch nach, ob ein Rad Mängel hat.“ Dass Drittklässler in diesem Jahr keine Radfahrpraxis – von der Polizei begleitet – auf der Straße sammeln können, findet die Rektorin schade. „Denn das ist für die Kinder wichtig.“

„50 Prozent der Viertklässler sind nicht verkehrssicher“

Was Schliepers Kollegin Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule, nur unterschreiben kann. „Wir werden mit den Drittklässlern nicht ohne die Polizei auf der Straße üben“, sagt auch sie. Geradelt werde auf dem Schulhof in geschützter Umgebung. Daums Eindruck: „50 Prozent der Viertklässler sind mit dem Fahrrad nicht verkehrssicher unterwegs. Auch wenn die Kinder das anders sehen.“

Der Verkehrsclub Deutschland Ennepe-Ruhr (VCD) bedauert, dass die Polizei in diesem Jahr „wegen struktureller Personalengpässe bei der Verkehrsunfallprävention, zu der auch die Radfahrausbildung gehört, kürzertreten muss“, so der Vorsitzende Björn Frauendienst. Der Hevener engagiert sich in der Stadt selbst ehrenamtlich für die Verkehrserziehung von Kita-Kindern.

Drittklässler radeln nur noch auf dem Schulhof

Dass die Polizei nicht mehr die dritten Grundschulklassen besuche, sei „ein großer Verlust für die Verkehrssicherheit und die nächste Radfahr-Generation“, meint Frauendienst. Der hinzufügt: „Die sehr engagierten Beamten mussten in den letzten Jahren schon vermehrt feststellen, dass immer weniger Kinder funktionsfähige Räder haben und auf diesen fahren können.“

Auch Sabine Bender, Leiterin der Herbeder Grundschule, wird mit Drittklässlern – ohne Unterstützung der Polizei – kein Fahrradtraining mehr im Straßenverkehr machen. „Das ist zu gefährlich.“ Ihre Drittklässler werden nur noch auf dem Schulhof radeln.

VCD fordert die Stadt auf, sich einzuschalten

Geschicklichkeitsfahren: Hauptkommissar Detlef Terstegen übte dies in Bommern mit Michelle. Foto/Archiv: Olaf Ziegler/WAZ FotoPool
Geschicklichkeitsfahren: Hauptkommissar Detlef Terstegen übte dies in Bommern mit Michelle. Foto/Archiv: Olaf Ziegler/WAZ FotoPool

Eigentlich müsste der Bereich der Unfallprävention und Mobilitätsbildung eher aus- als abgebaut werden, betont Dr. Andreas Redecker, Vorstandsmitglied im Verkehrsclub Deutschland Ennepe-Ruhr.

Der VCD fordert die Stadt auf, mit der Polizei und der Landesregierung in Kontakt zu treten, „damit die im Wahlkampf von vielen Parteien versprochene Stärkung der polizeilichen Arbeit auch in Witten dort ankommt, wo im Jahr deutschlandweit noch immer über 3000 Menschen sterben: auf unseren Straßen“.

Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule, hat mit der Ardey- und der Annenstraße zwei Hauptverkehrsstraßen vor der Tür. Ihre Schule engagiere sich sehr in der Verkehrserziehung, sagt sie. Einmal im Jahr gebe es auf dem Schulhof eine Woche lang auch noch ein praktisches Training mit Material vom ADAC. „Da nehmen sogar die Zweitklässler dran teil. Sie fahren nicht Rad, sondern Roller.“

„Verhalten im Straßenverkehr wird zu wenig geübt“

Gehe man aber mit den Kindern zu Fuß hinaus auf die Straße, merke man, dass „viele sich dort nicht verhalten können“. Es werde sogar an stark befahrenen Straßen gerangelt und geschubst. Daum: „Darüber, wie gefährlich das ist, wird offenbar in den Elternhäusern nicht gesprochen. Das Verhalten im Straßenverkehr wird dort zu wenig geübt.“