Witten. . DLRG und Schwimmmeister nennen Bäderschließungen und Eltern als Gründe. Auch Schulunterricht sei unzureichend. Kurse oft ausgebucht.
- Viele Kinder in Witten können nicht mehr gut schwimmen
- Laut DLRG und Schwimmmeistern reicht ein Seepferdchen heute nicht mehr aus
- Bäderschließungen, Eltern und Schule seien Gründe für die abnehmende Schwimmkompetenz
Ein achtjähriges Mädchen steigt in das Schwimmerbecken im Freibad Annen. Nach wenigen Metern geht es unter. Nur dank des beherzten Eingreifens des diensthabenden Schwimmmeisters kann Schlimmeres verhindert werden. Eine Szene, die sich hier in Annen öfter abspielt. Scheinbar können immer weniger Kinder in Witten gut schwimmen.
„Das ist auf jeden Fall so“, sagt Karla Bally, die seit 25 Jahren als geprüfte Meisterin für Bäderbetriebe in Heveney arbeitet. „In diesen Ferien sehe ich sehr viele Kinder mit Schwimmflügeln – auch ältere zwischen acht und 13 Jahren.“ Die Zahl der Nichtschwimmer ist nach ihren Beobachtungen in den vergangenen Jahren gestiegen. „Auch, weil viele Zugewanderte nicht schwimmen können“, sagt Bally.
Seepferdchen reicht nicht aus
Konkrete Zahlen für Witten gibt es nicht. Laut einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts haben 77 Prozent der Grundschüler in Deutschland ein Seepferdchen. Doch das bedeutet laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) noch lange nicht, dass sie auch gut schwimmen können. „Wer ein Seepferdchen hat, kann ins Wasser springen und 25 Meter am Stück auch über Wasser bleiben. Aber das bedeutet noch lange nicht, ein ausdauernder Schwimmer zu sein“, sagt Michael Vogel vom DLRG in Witten. „Ein Kind, das ein Seepferdchen hat, darf niemals unbeaufsichtigt ins Wasser.“
Karla Bally vom Freizeitbad Heveney sieht das ähnlich. „Das Problem ist, dass viele Eltern selbst nicht gut schwimmen können.“ Auch in den Schulen werde der Unterricht „ein bisschen vernachlässigt“, etwa aus Lehrermangel. Laut Michael Vogel ist es für eine Lehrkraft aber auch schier unmöglich, bis zu 30 Kinder auf einmal im Wasser ausreichend zu betreuen. „Im Prinzip ist das ein beaufsichtigtes Baden, unter den Bedingungen kann man keine Schwimmausbildung machen.“
Kurse eineinhalb Jahre im Voraus ausgebucht
DRLG lässt 2001 Personen befragen
Die Forsa-Umfrage wurde von der DRLG in Auftrag gegeben. Für die Studie wurden 2001 Personen in Deutschland ab 14 Jahren per Telefon befragt.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind hier im Netz nachzulesen: dlrg.de/fileadmin/user_upload/DLRG.de/Ak-Layout2013/Presse/forsa-Umfrage2017.pdf
Dass immer mehr Bäder schließen, trägt nach Vogel auch dazu bei, dass die Schwimmkompetenz der Kleinsten abnimmt. „Die Bäderlandschaft in Witten bricht zusammen. Wer bei uns einen Schwimmkurs machen will, muss eineinhalb Jahre warten.“ Gleiches gilt für die Kurse im Freizeitbad Heveney. „Unsere Wartelisten sind so voll, dass wir ein Jahr im Voraus ausgebucht sind“, sagt Karla Bally.
„Eigentlich müssen Eltern ihre Kinder anmelden, wenn diese in den Kindergarten kommen.“ Zudem appelliert Bally an die Eltern, ihre Aufsichtspflicht nicht zu vernachlässigen und die Kinder dazu zu ermutigen, schwimmen zu lernen. „Das ist im wahrsten Sinne lebenswichtig.“
Wittener Retter überwachen Ostseestrände
Ein Seepferdchen zu haben, heißt laut der DRLG nicht, schwimmen zu können. „Sichere Schwimmer sind nur die Juniorretter und Rettungsschwimmer“, sagt Michael Vogel vom DLRG. Sie lernen zum Beispiel auch etwas über Strömungen und die Gezeiten. Jedes Jahr im Sommer fährt Vogel mit dem Wittener Nachwuchs an die Ostsee – so auch in diesem August.
„Sieben Tage die Woche, 21 Tage am Stück überwachen wir von neun bis 18 Uhr den Strand und versorgen Insektenstiche und Quallenverbrennungen.“ Im Gegenzug bekommen die Retter Fahrt, Unterkunft und Essen bezahlt. „Das ist für die Jugendlichen ein bisschen wie Baywatch“, sagt Vogel.