witten. Zwei Jahre nach Einführung des Mindestlohns wird er in der Taxi-Branche noch längst nicht überall gezahlt. Sind die Ehrlichen wieder die Dummen?
- Fahrer fahren schwarz, weil sie auch noch Hartz IV beziehen, behaupten Wittener Unternehmer
- Wer Gesetz entspricht, zieht Groll auf sich: Einem Kollegen seien schon Reifen zerstochen worden
- Wettbewerb in der Taxi-Branche ist hart. Ohne Krankenfahrten würden einige Betriebe nicht überleben
Seit Januar 2015 muss in Deutschland ein Mindestlohn von 8,50 Euro (heute 8,84 Euro) pro Stunde gezahlt werden – die Taxibranche vor Ort geht mit dem Gesetz offenbar unterschiedlich um. In Witten kämpfen rund ein Dutzend kleinere Unternehmen ums Überleben – mit harten Bandagen und Tricksereien, wie verschiedene Unternehmer gegenüber unserer Zeitung behaupten.
„Die, die Mindestlohn zahlen, sind am Ende die Dummen“, sagt der Inhaber von Taxi Sennet, der aus Angst seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Einem Kollegen sind schon die Reifen zerstochen worden, weil er seinen Angestellten den Mindestlohn zahlt.“ Seiner Einschätzung nach sind es 80 bis 85 Prozent der Taxi-Unternehmen, die den Mindestlohn unterwandern und ihre Fahrer unter der Hand bezahlen würden.
Krankenfahrten zum Überleben
„Die Fahrer beziehen Harzt IV und sitzen dann schwarz auf den Fahrzeugen“, behauptet der Unternehmer, der acht Mitarbeiter beschäftigt und drei Taxen unterhält. Wie viele andere hält er sich inzwischen vor allem mit Krankenfahrten über Wasser, für die die Betriebe Verträge mit einem Krankenkassenverband schließen würden. Der Verband wiederum schreibe die Fahrten online aus, der Günstigste bekäme den Zuschlag. „Da können nur diejenigen mithalten, die Schwarzarbeiter beschäftigen.“
Einer seiner Kollegen erzählt Ähnliches. Sein größtes Problem sei es, genügend Fahrer zu finden, um seine Autos auch einsetzen zu können. Die meisten ließen sich lieber unter der Hand beschäftigen, statt Mindestlohn einzufordern. „Dann können sie nämlich Harzt IV beziehen.“ Auch er hat Angst und bittet darum, nichts zu veröffentlichen, was auf seine Person hindeuten könnte.
„Sie kassieren lieber Hartz IV und arbeiten schwarz“
Marian Djordic bestätigt diese Behauptungen. „Die meisten Fahrer wollen gar keinen Mindestlohn, sie bekommen vom Amt genug“, sagt der Wittener Taxi-Unternehmer. „Sie kassieren lieber Hartz IV und arbeiten schwarz.“ Durch die Krankenfahrten habe er selbst es aber geschafft zu wachsen, auch mit Mindestlohn. Djordic beschäftigt 16 Fahrer und unterhält aktuell zehn Autos. Nur Carsten Bergmann gibt offen zu, dass der Mindestlohn für ihn kein Thema sei. „Wir sind ein Familienunternehmen, da zahlen wir keinen Mindestlohn.“ Der Wittener hat zwei Taxis und vier Fahrer.
Ob die Taxi-Unternehmen Mindestlohn zahlen oder nicht, kontrolliert das Hauptzollamt in Dortmund. Allerdings nicht regelmäßig, wie Stefan Kirsch einräumt, Pressesprecher der Generalzolldirektion. „Es gibt keine feste Zyklen. Und wenn wir kontrollieren, dann nicht nur, ob Mindestlohn gezahlt wird, sondern auch, ob Angestellte sozialversichert sind und nicht schwarz beschäftigt werden.“
Unregelmäßige Kontrollen durch das Hauptzollamt
Wann die Kontrollen zuletzt stattgefunden hätten, dazu dürfe er keine Auskunft geben, sagt Kirsch. Und auch nicht, wann es wieder soweit sei. „Wir wollen die Unternehmen schließlich überraschen.“