Essen. Apps wie MyTaxi mischen den Markt auf. Taxi Essen reagiert und will einem Teil der Taxen verbieten, für die Konkurrenz zu fahren. Ein Fahrer erzählt.

  • Die Zentrale Taxi Essen will einem Teil ihrer Fahrer verbieten, auch für MyTaxi unterwegs zu sein
  • Ein Taxifahrer berichtet nun anonym im Interview, was er von dem Vorgehen hält
  • Seine Schilderungen geben auch Einblicke in eine Branche, die mit sinkenden Umsätzen kämpft

Das Interview erscheint in anonymer Form, weil der Essener Taxifahrer berufliche Nachteile befürchtet. Der Name ist der Redaktion bekannt. Er arbeitet seit mehreren Jahren für die Funkzentrale Taxi Essen, deren jüngste Pläne er scharf kritisiert. Die sehen so aus: Taxi Essen bietet seit längerem „Plus“-Fahrten mit besonderem Service an. Die Fahrer müssen dafür bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Viele von ihnen arbeiten auch mit der App MyTaxi zusammen. Taxi Essen will den Plus-Fahrern nun verbieten, für andere Zentralen zu fahren. Sie sollen entsprechende Klauseln unterschreiben. Wer das nicht tut, verliert den Status. MyTaxi hat rechtliche Schritte angekündigt.

Sie kommen gerade von der Nachtschicht. Waren Sie zufrieden?

Taxifahrer: Ich kann nicht klagen. Ich hatte etwa 15 Fahrten in rund zehn Stunden. Das ist schon ganz ordentlich.

Wie viel Umsatz hatten Sie?

Taxifahrer: Ungefähr 250 Euro. Alles, was über 200 Euro pro Schicht liegt, ist ganz gut.

Wie viel dürfen Sie von dem Umsatz als Fahrer selbst behalten?

Taxifahrer: 40 Prozent brutto, an dieser gängigen Praxis hat sich trotz Mindestlohn nichts geändert.

Dann haben Sie letzte Nacht etwa zehn Euro brutto Stundenlohn verdient. Zwar mehr als der Mindestlohn, aber nicht gerade üppig.

Taxifahrer: Da bin ich aber schon gut. Ich kenne Kollegen, die haben nachts einen Umsatz von 50 bis 100 Euro. Seit die Taxipreise durch den Mindestlohn gestiegen sind, sind die Fahrten zurückgegangen. Das Taxi-Angebot in umsatzschwachen Zeiten, zum Beispiel in den Nachtstunden, hat sich verringert, da sich auf Dauer kein Unternehmer Zuschussgeschäfte erlauben kann. Unterm Strich dürften manche Fahrer also nicht mehr verdienen als vorher, da sie nun weniger arbeiten können.

Und wie ist es bei Ihnen?

Taxifahrer: Für mich gilt das zum Glück nicht. Ich verdiene seither etwas mehr, denn die höheren Preise machen das bei mir wieder wett. Außerdem stelle ich mich nicht einfach auf einen Halteplatz und warte. Ich lebe viel von Stammkunden und auch von Vermittlungen über MyTaxi. Da bin ich inzwischen für mehrere hundert Nutzer Stammfahrer. Von den Vermittlungen meiner Zentrale Taxi Essen allein könnte ich nicht leben.

Warum ist das so?

Taxifahrer: Sie müssen sich den Ablauf eines Fahrers, der nur für Taxi Essen fährt, so vorstellen: Ist sein Taxi frei, so begibt er sich auf einen von zirka 100 Halteplätzen. Dann kommt er etwa als 20. am Hauptbahnhof an oder als Fünfter am Klinikum. Der Fahrer bekommt in der Regel erst dann seine nächste Fahrt, wenn alle Taxis vor ihm weg sind. Das kann dauern. Funk-Fahrten werden bei Taxi Essen zuallererst an die Taxis vergeben, die auf den Halteplätzen stehen. Nur bei sehr hoher Auslastung erhalten freie Taxis Aufträge, bevor sie den Halteplatz erreicht haben. Werden aber zum Beispiel mal fünf Taxen nach Frankfurt gebraucht, weil ein Bus liegen geblieben ist, gehen diese, so scheint es mir, nach Gutdünken an bestimmte Fahrer oder Unternehmer. Ähnlich verhält es sich mit lukrativen Reha-Fahrten. Tüchtige Fahrer sind gezwungen, sich andere Quellen zu erschließen und gehen aktiv auf Kunden zu.

Taxi Essen will künftig Plus-Fahrern wie Ihnen aber verbieten, dass sie auch für MyTaxi fahren. Haben Sie das Formular denn unterschrieben?

Taxifahrer: Ja. Aber ich werde mich nicht daran halten, auch wenn sie mit Strafen drohen. Ich gehe davon aus, dass andere Fahrer das auch so machen. Ich hoffe, dass die Klauseln, die wir unterschreiben mussten, noch gekippt werden. Ich halte diese Knebelverträge für sittenwidrig. Ich sehe mich als Kunde der Taxi-Zentrale: So aber springt man nicht mit Kunden um. Die Unternehmer zahlen der Zentrale schließlich in unveränderter Höhe Funkgebühren.

Die Alternative wäre, nicht mehr Plus-Fahrer bei Taxi Essen zu sein.

Taxifahrer: Genau, aber das würde für mich langfristig Umsatzeinbußen bedeuten. Denn Taxi Essen versucht zur Zeit, mehr Aufträge auf „Plus“ zu lenken. Das halte ich für einen Taschenspieler-Trick. So kann die Zentrale behaupten, sie schließe die MyTaxi-Fahrer ja nicht aus. De facto läuft es aber genau darauf hinaus.

Sie haben also keine Wahl.

Taxifahrer: Ich kann mich nicht allein auf die Vermittlungen durch die Zentrale verlassen, die in meinen Augen viel zu sehr verwaltet, statt neue Kunden zu werben. Das Flughafengeschäft, attraktive Fernfahrten und viele Großkunden wurden weitgehend anderen Zentralen überlassen. Ich bin froh, auf mehreren Beinen zu stehen. Über MyTaxi bekomme ich Kunden, die ich sonst nicht hätte: Junge Leute, die die App nutzen und Geschäftsleute aus anderen Städten, die die Nummer der Vermittlung nicht kennen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Taxifahrer: Über MyTaxi hatte ich kürzlich eine Fahrt nach Frankfurt. 480 Euro. Da musste ich dann zwar die sieben Prozent Vermittlungsgebühr plus Mehrwertsteuer an MyTaxi zahlen. Aber da bleibt immer noch genug übrig. So eine Fahrt habe ich noch nie von der Zentrale bekommen.

Für den Chef der Taxizentrale, Michael Rosmanek, unterwandern Sie die Solidarität der Genossenschaft.

Taxifahrer: Ich bin kein Teil der Genossenschaft, sondern nur der Zentrale angeschlossen. Ich kann die Vorwürfe außerdem nicht verstehen. Wenn ein Teil der Fahrer auch für MyTaxi unterwegs ist, und es sowieso nicht genügend Aufträge über die Zentrale für alle gibt, dann bleibt doch für den Rest mehr übrig.

Aber die Zentrale hat Angst, dass sie die Bestellungen, die bei ihr eingehen, nicht mehr bedienen kann und Kunden abspringen.

Taxifahrer: Das mag für kleine Taxizentralen ein Problem sein, aber nicht für eine in der Größe von Taxi Essen. Wissen Sie, das ärgert mich richtig. Nachdem Taxi Essen in all den Jahren das Online-Geschäft regelrecht verschlafen hat,versucht diese Zentrale nun, die Fahrer zu sanktionieren. Statt für mehr Kunden und Aufträge zu sorgen, machen die uns das Leben schwer. Dabei könnten sie doch selbst von MyTaxi profitieren.

Wie denn?

Taxifahrer: Wenn ich als Fahrer mit der Werbung Taxi Essen vorfahre und dann noch eine Visitenkarte überreiche, kann es doch durchaus sein, dass der eine oder andere künftig über die Zentrale bucht. Man darf das nicht nur in eine Richtung sehen.