Witten. Annett Louisan kann nicht nur niedlich und kokett sein, sie ist auch jazzig und rockig. Das bewies die 32-Jährige während ihres Auftritts beim Zeltfestival Ruhr. Das Publikum hing ihr den ganzen Abend über an den Lippen und entließ die Sängerin erst nach mehreren Zugaben von der Bühne.
Es war dieses Lied, das sie in die Charts katapultierte, die zierliche Blondine mit den großen Augen und dem frechen Lolita-Text. Bei ihrem Auftritt beim Zeltfestival Ruhr sparte sich „Das Spiel” bis zur allerletzten Zugabe auf. Davor bewies Annett Louisan, dass sie nicht nur niedlich und kokett, sondern auch jazzig und rockig sein kann.
Blond ist sie nicht mehr, sondern brünett. Und auch sonst hat sich die 32-Jährige seit ihrem Debüt-Album „Bohème” (2004), das gleich mit Platin dekoriert wurde, spürbar verändert. Die Songs sind ruppiger, erwachsener, nachdenklicher. Erhalten hat sie sich ihre wunderbar hintergründigen Texte, die in der deutschen Musiklandschaft herausragen. Für sie zeichnete bei ihren bisher vier Alben oft ihr Produzent Frank Ramond verantwortlich, der auch für Roger Cicero schreibt.
Ein Abend, der mit Standing Ovations endet
Und mit einem wortgewaltigen Song („Das große Erwachen”) aus ihrem zweiten Album „Unausgesprochen” startet sie im roten Etuikleid in einen Abend, der fast zwei Stunden später mit Standing Ovations enden sollte. Sie singt darin vom Sichverstellen, vom Gefallenwollen und dem Wunsch, einfach akzeptiert zu werden, wie man ist. Es folgt „Fettnäppchenwetthüpfchen”, ein Song aus der Bonus-CD von „Unausgesprochen”, der so frech-charmant daherkommt, dass man einfach lachen muss. „Ganz, ganz tief in den Nesseln steht mein Lieblingssessel”, heißt es da – und man nimmt es Annett Louisan ab.
Ihre große Stärke, die glockenhelle, immer präsente Stimme, kann sie vor allem in den Balladen ausspielen: In „Gekommen um zu sagen” über das langsame Auseinanderdriften in einer Beziehung, oder im tieftraurigen „Ende Dezember”, wo es um Abschied und Tod geht und wo im Publikum echte Tränen fließen.
Alle hängen an ihren Lippen
Das Zelt hängt an Annett Louisans Lippen, den ganzen Abend über. Aber sie lässt das Publikum singen – bei ihrem ersten Hit „Das Spiel” sowieso, aber auch beim knackigen „Teilzeithippie” und beim Anrufbeantworter-Song „Drück die 1”. Für ihre Musiker tritt sie sogar aus dem Rampenlicht – und damit tut sie Gutes: Denn Martin Hornung (Keyboard, Wurlitzer), Mirko Michalzik (Gitarre), Jürgen Kumlehn (Gitarre), Christoph Buhse (Schlagzeug) und nicht zuletzt Olaf Casimir am Kontrabass sind echte Könner an ihren Instrumenten.
Am Ende stehen alle vor ihren Stühlen und klatschen Annett Louisan für drei Zugaben wieder ins Zelt. Der große Blumenstrauß, den ihr ein Fan überreichte, leuchtet im Scheinwerferlicht. Draußen aber ist es stockdunkel und es regnet Bindfäden. Wie gut, dass das Herz gewärmt ist.