Witten. . Jan van Bremens Eltern waren im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter in Witten. Der Niederländer will ein Buch über sie schreiben und sucht Zeitzeugen.

Eine Geschichte, die die Herzen berührt: Im Kriegsjahr 1943 verliebt sich in Witten-Annen der niederländische Zwangsarbeiter Gerard van Bremen in die Zwangsarbeiterin Galina Korjakova, eine Russin. Nach der Befreiung durch die Amerikaner im April 1945 heiratet das Paar, zieht ins niederländische Dorf Bemmel, wo Gerard van Bremen aufgewachsen ist. Sein Sohn Jan will jetzt über seine Eltern ein Buch schreiben, ein Stück Familiengeschichte aufarbeiten. Der 58-Jährige sucht auch Zeitzeugen aus Witten.

Im vergangenen Jahr hat der Niederländer das Stadtarchiv bereits in Begleitung eines Freundes seiner Eltern besucht, Berend Proper. Der heute 92-jährige Holländer leistete ebenfalls Zwangsarbeit in der Ruhrstadt, lernte hier Gerard van Bremen kennen und sollte später sogar dessen Trauzeuge werden.

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Gerard van Bremen und Galina Korjakova mussten im Annener Gussstahlwerk arbeiten. Er wurde als Kranführer eingesetzt. Jan van Bremens Mutter hatte da schon Traumatisches hinter sich, musste erleben, wie Deutsche ihr Dorf nahe der russischen Stadt Brjansk niederbrannten, Dorfbewohner ermordet wurden.

Buch soll 1942 beginnen

Die junge Frau wurde zusammen mit ihrer Schwester Lidia und ihrer Mutter Anna nach Deutschland deportiert. Alle drei leisteten in Annen Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. Vom 21. August 1942 bis zum 11. Juni 1943 lebten sie im Lager Hamburgplatz. Am 22. Oktober 1943 wurden Galina Korjakova und ihre Schwester in das sogenannte Russenlager an der Westfeldstraße verlegt. Später waren sie – bis zum 12. April 1945 – wieder mit ihrer Mutter zusammen im Lager Hamburgplatz.

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Jan van Bremen möchte das Buch über seine Familie 1942 beginnen lassen. „Da fing für meine Mutter der Krieg in Brjansk an. Enden soll es 2002, als mein Vater starb.“ Befragt zu den Gründen, warum er sich so für die Geschichte der Eltern interessiert, fügt der 58-Jährige nachdenklich hinzu: „Wie in so vielen Familien ist auch bei uns nur wenig über diese Zeit gesprochen worden. Ich möchte nicht, dass die Geschichte meiner Eltern verloren geht, zumal sie eine besondere ist.“

Jan van Bremen hofft, mit etwas Glück noch Wittener zu finden, „die die Eltern entweder persönlich kannten oder etwas darüber wissen, wie sie gelebt haben“. Vielleicht sei auch ein Wittener während des Krieges 1942 in der Gegend von Brjansk (Russland) gewesen.

Mutter schrieb 150 Briefe an ihre Schwester in Russland

Sein Vater hat vom 4. Juni 1943 bis zum 12. April 1945 im Zwangsarbeitslager Hamburgplatz an der Bebelstraße (damals Göringstraße) gelebt. „Aufgrund einer Lungenerkrankung wurde er 1944 in ein Krankenhaus bei Bochum gebracht.“ Danach arbeitete der Niederländer, gelernter Fleischer, vom 1. Januar 1945 bis zur Befreiung durch die Amerikaner für den Metzger Cornelius Brinkmann in der heutigen Bebel­straße. Während dieser Zeit führte er für Brinkmann auch die verbotenen Hausschlachtungen in Annen und Umgebung durch. Da der Vater viel in Witten unterwegs war, hat der Sohn die Hoffnung, „dass jemand, der damals Kind war, sich noch an ihn erinnert“.

Jan van Bremen, der im August 2015 schon eine Woche im Wittener Stadtarchiv recherchierte, jetzt hier noch einmal drei Tage lang arbeitete, um mehr in Erfahrung zu bringen, kann einen Schatz sein eigen nennen: Im Jahr 2000 bekam er von seiner Tante in Russland über 150 Briefe, die seine Mutter seit 1953 bis zu ihrem Tod 1978 an diese geschrieben hatte. „Die Briefe würden sich vielleicht zur Veröffentlichung eignen. Das ist fast Literatur.“ Außerdem liefere der Briefwechsel natürlich viele Informationen über die damalige Zeit, sagt van Bremen.