Witten. . Seit April ist Rainer Einenkel (61), der ehemalige Bochumer Opel-Betriebsratschef mit Wohnsitz in Stockum, arbeitslos. Und hat Zeit für Privates.

Zehn Jahre hat Rainer Einenkel als Betriebsratsvorsitzender für den Erhalt von Opel in Bochum gekämpft. Für rund 3500 Arbeitsplätze, darunter 160 Stellen von Wittener Kollegen. Opel in Bochum ist Geschichte, Einenkel seit April arbeitslos. Für den Wahl-Wittener hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Mit mehr Zeit für die Familie, für seine Hobbys – Lesen, Schwimmen und Radfahren.

Seit 36 Jahren wohnt Einenkel in Stockum. Er zog einst mit seiner Frau Martina ins Haus der Schwiegereltern – Bochum und Dortmund direkt vor der Haustür und doch ganz im Grünen. „Wir haben auch einen Garten“, erzählt der 61-Jährige, der gerne in der Natur ist. „Wer auf Landschaft steht, fühlt sich in Stockum wohl.“

Homestorys gab es bei ihm nie

Der Mann stammt aus einer sehr grünen Gegend, wurde im Erzgebirge geboren, das er als Kind mit den Eltern einen Monat vor dem Mauerbau verließ. In Langendreer fand die Familie eine neue Heimat, der Vater als Arbeiter bei Opel eine Anstellung. Als Rainer Einenkel – als Stimme der Opelaner – beim Kampf um die Bochumer Arbeitsplätze bundesweit bekannt wurde, oft im Mittelpunkt des Medienrummels stand, war das Zuhause in Stockum immer sein Rückzugsort. Die Privatsphäre, die geschützt wurde.

Homestorys hat es beim ehemaligen Betriebsratschef nie gegeben. Journalisten, die er doch zu sich nach Hause einlud, durften nicht berichten, dass sie dort waren.

Wer Einenkel heute treffen möchte, könnte auf dem Rheinischen Esel und im Annener Freibad Glück haben. Auf dem Rheinischen Esel radelt der Mann gerne, seinen Hund Joey im Körbchen, den man auch bei Herrchens Facebook-Auftritt kennenlernen kann. Dort liegt der zwölfjährige Rüde, eine Mischung aus Beagle und Cavalier King Charles Spaniel, an der Ostsee auf einem Badehandtuch, das Herrchen zum 50-jährigen Jubiläum von Opel geschenkt bekam. Einenkel spricht auch gerne und nicht ohne Stolz von seinen drei Kindern, von Sohn Matthias (30), der seinen Doktor in Physik machte, Sohn Jens (25), der Maschinenbau-Ingenieur wurde, und Tochter Lina (22), die noch an einer Medienakademie Film studiert.

„Meine Frau hat mich geerdet“

Einenkel, der Familienmensch. 42 Jahre war er, der gelernte Starkstromelektriker, Opelaner. Seit 2002 war er in Bochum stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, seit 2004 Betriebsratsvorsitzender. Bis Ende 2014 war Einenkel Mitglied im Gesamtbetriebsrat der Adam Opel AG, bis März 2015 auch im Aufsichtsrat des Unternehmens. Zehn- bis zwölfstündige Arbeitstage, dazu Abend- und Wochenend-Termine bestimmten Jahre seines Lebens. Der Mann lobt seine Frau, die immer den „Familienbetrieb“ geführt hat, die die Kinder gefördert und gefordert habe. „Meine Arbeit war schon eine große Belastung für die Familie, die relativ wenig von mir hatte.“ 38 Jahre ist Einenkel verheiratet, der seiner Frau ein weiteres großes Kompliment macht: „Sie hat mich immer geerdet.“ Die ganze Familie habe ihm den Rücken gestärkt, ihm oftmals gesagt: „Jetzt ist es gut, fahr mal runter.“

Langendreer wurde in der Kindheit zur zweiten Heimat

Rainer Einenkel wurde im Mai 1954 in Thum, im sächsischen Erzgebirge, geboren. 1961 verließ er mit den Eltern die DDR. Bis 1963 lebte die Familie in Aufnahmelagern – in Friedland, Unna-Massen und Bochum-Werne. Die Familie ließ sich in Langendreer nieder.

Einenkels Vater fand als Arbeiter bei Opel eine Anstellung. Der Sohn folgte ihm, begann dort, nach seiner Mittleren Reife, eine Lehre als Starkstromelektriker. Als Lehrling trat er in die IG Metall ein, wurde 1973 zum Jugendvertreter gewählt.

Von 1978 bis 1988 war der spätere Betriebsratschef bei Opel als Elektriker im Drei-Schicht-Betrieb beschäftigt. Bis 1988 ist Rainer Einenkel DKP-Mitglied gewesen, trat dann aus, ist heute parteilos, „aber doch parteiisch“, wie er betont.

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Eine Erdung, starke Nerven hat er für seinen Kampf um den Erhalt der Bochumer Opel-Werke auch gebraucht. 2012 wurde das Opel-Werk 2 geschlossen, am 10. Dezember 2014 war der letzte Arbeitstag im Opel-Werk 1. „2600 Opelaner gingen in eine Transfergesellschaft. Jetzt im Januar waren noch 2120 ohne Arbeit.“ Was ihn schmerzt.

Er fährt einen Schweden

Seit dem 1. April, nach einem Jahr Transfergesellschaft, ist auch Rainer Einenkel arbeitslos. Im Sommer nächsten Jahres möchte er „voraussichtlich“ in Rente gehen, mit Abschlägen. „Es gibt doch genug junge Menschen, die vermittelt werden müssen.“

Was der Wahl-Stockumer an seinem neuen Lebensabschnitt schätzt, ist, dass er jetzt Dinge machen kann, zu denen er früher wenig Zeit hatte, „ein Besuch des Bochumer Schauspielhauses etwa“. Auch Freundschaften zu pflegen, sei während seiner Berufstätigkeit schwierig gewesen, gibt er zu.

Apropos Opel: Was fährt der Mann eigentlich für ein Auto? „Nach 42 Jahren Opel, ein schwedisches – einen Volvo“, sagt Rainer Einenkel und schmunzelt.

Treffen mit dem koreanischen Fernsehen in Bochum

In der vergangenen Woche hat sich das koreanische Fernsehen mit Rainer Einenkel getroffen, am Standort des ehemaligen Opel-Werkes 1. „Die koreanische Autoindustrie hat auch Probleme, dort drohen wieder Werksschließungen.“ Die Journalisten aus Fernost wollten von Einenkel wissen, „wie das mit Opel gelaufen ist, was mit den Menschen passierte“.

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Einenkel betont, dass sich der Kampf um die Arbeitsplätze gelohnt habe. „Die Opel-Werke 1 und 2 sollten schon Jahre früher geschlossen werden. Wir haben es geschafft, dies lange hinauszuzögern.“ Der gelernte Starkstromelektriker hat auf die Solidarität der Kollegen der anderen Standorte gesetzt. Bei Opel habe es die Idee gegeben, über eine gemeinsame Solidarität Werke zu retten, „indem in jedem Werk etwas abgegeben wird, damit jedes Werk weiterleben kann“.

„General Motors, der Mutterkonzern, hatte aber eine andere Philosophie. Da hieß es: Wenn wir Überkapazitäten haben, dann wird geschlossen.“ Da Opel 2012 Geld zum Überleben benötigt habe, habe General Motors gesagt: „Ihr bekommt einen Kredit in Höhe von 3,4 Milliarden Euro, wenn ihr ein Werk schließt.“ Ein Werk sei dann gegen das andere ausgespielt worden.

Das Revier muss Strahlkraft entwickeln

Wenn Einenkel über das Ruhrgebiet spricht, bedauert er, „dass hier weiterhin so viel Industrie verloren geht“. Das habe die Region nicht verdient. „Die Infrastruktur stimmt, die Menschen haben Stärke, Qualität, es gibt eine dichte Hochschullandschaft.“ Leider fehle dem Revier eine Strahlkraft nach außen. Die Städte müssten sich „gemeinsam verkaufen, da gibt es Nachholbedarf“. Vom „Kunstbegriff Metropole Ruhr“ hält Einenkel nicht viel. „Da kann keiner was mit anfangen.“