Witten. . Eine neue Massenunterkunft für Asylbewerber löst bei einigen Wittenern Angst vor Überfällen aus. Andere bleiben gelassen: „Wir müssen helfen“
Sie kommen aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea. Witten oder die deutsche Sprache kennen sie nicht oder kaum: Bis zum Sommer will die Stadt auf dem ehemaligen Siemens-Gelände in Rüdinghausen bis zu 720 Asylbewerber unterbringen. Nicht nur für die Verwaltung eine große Herausforderung, sondern auch für viele Bewohner. Sie sehen das neue „Flüchtlingsdorf“ vor der Haustür mit gemischten Gefühlen.
Was sie denn zu der neuen Unterkunft zwischen Brauck-, Kreis- und Friedrich-Ebert-Straße sagen? Vielen ist das Thema entweder egal oder zu heikel. „Kein Kommentar“, heißt es oft. Oder: „Dazu möchte ich nichts sagen.“ Eine Frau will dann doch etwas loswerden. „Nicht so gut“ findet sie, dass nun ganz in ihrer Nähe so viele Flüchtlinge unterkommen sollen. „Das geht alles auf unsere Knochen“, sagt die ältere Dame, die ihren Namen nicht verraten möchte. „Vor allem finanziell ist das ein Brocken.“
„Abends nicht mehr vor die Tür“
2,4 Millionen Euro jährlich kostet es die Stadt, die drei insgesamt 7500 Quadratmeter großen Hallen vom Besitzer, der Thelen-Gruppe, anzumieten. Viel Geld sei das natürlich, weiß Stadtsprecherin Lena Kücük. Doch sie betont: „Wenn wir die Menschen in Wohnungen unterbringen würden, würde uns das genauso viel kosten. Es ist nicht so, dass wir horrende Summen für die Miete bezahlen würden.“ Derzeit werden Witten für 588 der 1600 hier lebenden Flüchtlinge die Unterbringungskosten (289 Euro) erstattet. Den Rest trägt die Stadt.
Viele Angebote für Flüchtlinge geplant
Auf das „Thelen-Gelände“ wird der „Help-Kiosk“ mit seiner Kleiderkammer ziehen. Es soll dort auch Sprachkurse geben sowie Büros von Verwaltung und Jobcenter. Zudem entsteht Spielplatz. Die Pforte soll rund um die Uhr mit einer Wache besetzt sein.
Die Jahnhalle soll als „Puffer“ dienen, um – falls nötig – dort Flüchtlinge unterzubringen. Die 40 bislang in der Mannesmannhalle untergebrachten leben nun in Monteurswohnungen. Da das Land nicht mehr erstattet, muss Witten 8 Mio Euro/Jahr tragen.
Doch nicht nur finanziell macht sich die Dame Sorgen. „Abends gehe ich dann nicht mehr vor die Tür. Ich habe Angst, dass ich überfallen werde. Ich bin nicht mehr die Schnellste.“ Auch Patrick Daniek macht sich so seine Gedanken. Dass die Ausländer untergebracht werden, sei wichtig. Aber er habe viele Geschichten von vermeintlichen Überfällen durch Flüchtlinge in der Nähe gehört. „Vielleicht sind das nur Geschichten“, weiß der 18-Jährige um die derzeitige Gerüchteküche. „Aber man ist schon etwas verunsichert. Man kann den Leuten nicht in den Kopf gucken.“
„Ich habe damit kein Problem“
Wilm Höing sieht die Unterbringung der vielen „Neuankömmlinge“ schon etwas entspannter. „Ich habe damit kein Problem“, sagt der 72-Jährige, der seit 16 Jahren in Rüdinghausen lebt. Überhaupt: An eine Zunahme von Straftaten oder irgendwelche anderen Beeinträchtigungen glaubt der Rentner nicht. „Ich habe mit Flüchtlingen kein Problem. Man muss ihnen helfen und Asyl gewähren.“ Mit der Organisation – deutschlandweit – ist er da schon deutlich unzufriedener.
Wann mit dem Umbau der Hallen begonnen wird, konnte die Thelen-Gruppe am Montag nicht beantworten. Wenn der Einzug spätestens im Oktober beginnen soll, betont Wilm Höing, „müssen sich die Menschen natürlich so benehmen, wie es üblich ist.“