Wattenscheid.. Die 68 Mitarbeiter sind wütend. Mit Trillerpfeifen, roten IG Metall-Fahnen und Transparenten drücken die Beschäftigten vor den Werkstoren an der Burgstraße am Dienstag ihren Protest aus.

Die Mitarbeiter stehen sprichwörtlich auf der Straße: Der Radici-Konzern will die Versandfirma im Gewerbegebiet Wattenscheid-West in zwei Monaten schließen, alle Mitarbeiter sollen die Kündigung erhalten.

Damit würde in Wattenscheid die letzte Bastion des ehemals größten Damenoberbekleidungsherstellers Europas – die Versandabteilung der Klaus Steilmann GmbH – zum 30. Juni schließen. „Es ist eine Frechheit, wie die Miro Radici AG einzelne Betriebe hin und her schiebt und somit alle geltenden Betriebsverfassungsgesetze ohne Mitwirkung des Betriebsrates mit Füßen tritt“, kritisiert Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Theisen. „Die Vorgehensweise ist unsozial. Hier sind viele langjährige Mitarbeiter beschäftigt. Die Firma soll schnell und billig abgewickelt werden. Der Sozialplan ist bislang ein Witz.“

Langes Hin und Her

2006 übernahm Radici die Klaus Steilmann GmbH. 2008 erfolgte für den Steilmann-Zentralversand ein Betriebsübergang zur Spedition Logwin. Theisen: „Der damit verbundene Dienstleistungsvertrag sah vor, dass die neu gegründete Logwin Solutions Modelogistik GmbH die Auslieferung bis Mitte 2015 mit den Angestellten des Steilmann-Zentralversandes vornimmt. Es gab einen Sonderkündigungstermin zum 31.12.2011 mit einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist, welcher nicht genutzt wurde. Ansonsten sollte dieser Vertrag sich jeweils automatisch um ein weiteres Jahr verlängern.“

Am 15. Februar 2012 wurde dem Betriebsrat plötzlich mitgeteilt, dass die Firma ab sofort nicht mehr zum Logwin-Konzern gehöre, sondern von der Miro Radici AG zurückgekauft wurde. „Einen Tag später stellte sich der neue Geschäftsführer, Wilhelm Brand, mit seinem Berater Herrn Fischer vor. Herr Fischer wollte als ,Mediator für beide Seiten’, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei Sozialplanverhandlungen vermittelnd fungieren.“ In dem Gespräch sei dem Betriebsrat unterbreitet worden, dass der Betrieb von der Miro Radici Hometextile GmbH gekauft wurde und Ende 30. Juni 2012 geschlossen werden soll.

Durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei 26 Jahren

„Die Aufgaben soll ein neuer Dienstleister, die Firma Motex in Hörselgau/Thüringen, übernehmen. Das Unternehmen wurde 1991 als Tochterunternehmen von der Firma Adler gegründet. Seit Oktober 2010 ist Motex gesellschaftsrechtlich direkt dem luxemburgischen Fonds BluO unterstellt und damit eine Schwestergesellschaft von Adler. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Mediator, Herr Fischer, ein Angestellter der Firma BluO ist“, so BR-Vorsitzender Theisen. „Da dem Betriebsrat bis dato keine Möglichkeit für ein Einlenken zum Weiterbestehen der Firma eingeräumt wurde, war jetzt allen bewusst, dass der Betrieb in Wattenscheid geschlossen werden muss, um die Aufgaben weiter im Hause BluO zu behalten, zumal der Geschäftsführer der Motex darüber hinaus ebenfalls ein Angestellter der Firma BluO ist.“

Auch wenn Dr. Michele Puller (Geschäftsführung Miro Radici AG) „schon im Jahr 2007 den Angestellten des Versandes in Wattenscheid erklärte, dass der Logistikbereich nicht zu den Kernkompetenzen seines Unternehmens gehört und man eine Abspaltung – wörtlich: ,Mit Logistik habe ich nichts am Hut’ – in Betracht zieht, darf man so nicht mit langjährigen Mitarbeitern umgehen“, sagt Theisen; die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liege bei 26 Jahren, im Einzelfall sogar 41 Jahre.

Betriebsrat und Geschäftsleitung reden am 27. April wieder

Geschäftsführung und Betriebsrat befinden sich derzeit in Sozialplan-Verhandlungen. Als Verhandlungsbasis habe der Geschäftsführer eine erheblich geringere Summe als sonst üblich für die 68 Mitarbeiter in Aussicht gestellt, so der Betriebsrat. „Das ist nun der Dank für die langjährige Mitarbeit. Seit 2003 hat die Belegschaft zum Zwecke der Fortführung der Abteilung keine Lohnanpassungen erhalten, zwischendurch auf tarifvertragliche Sonderzahlungen verzichtet, Kurzarbeitsphasen mitgemacht und bis zu vier Stunden wöchentlich unentgeltlich gearbeitet.“ Erste Gespräche zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung wurden ergebnislos beendet, ein weiterer Termin ist am 27. April.