Wattenscheid. .
Man kann sich auch am Sonntagnachmittag auf dem Sofa das Hinterteil platt sitzen und vom Fernsehprogramm berieseln lassen. Bärbel und Silvia aus Oberhausen, Petra und Dagmar aus Bochum, Rosi aus Bottrop, Katrin und Hendrik aus Essen und natürlich Angela aus Wattenscheid wollen was erleben.
Sie informieren sich bei www.ruhrpott-aktiv.de und sind sonntags gern im Ruhrgebiet unterwegs. „Wir suchen uns interessante Events aus, fahren in die jeweiligen Städte und machen mit“, sagt Bärbel. Gestern waren sie unterwegs in Wattenscheid – pilgerten mit bei der Kiosk-Wallfahrt.
Einmal im Monat
Diese wiederum haben der Wattenscheider Künstler Wolfgang Schlott und der Bochumer Regisseur und Schauspieler Giampiero Piria aufgezogen – zufällig im Kulturhauptstadtjahr 2010. „Einmal im Monat bieten wir diese Wallfahrt an“, so Schlott. Wie beide, Schlott und Piria, zusammenkamen, ist dem Internet zu verdanken. Piria, seine Wurzeln liegen in Italien, er ist gebürtiger Oberhausener, lebt jetzt in Bochum und ist überzeugter Ruhri, fand Schlotts Tusche-, Bleistift-, Federzeichnungen im Netz, nahm Kontakt zum Künstler auf und die Idee der Kiosk-Wallfahrt war geboren. Piria erzählt über die Entwicklung der Büdchen und Schlott liefert die passenden Zeichnungen dazu.
So erlebten die Ruhrpott-Aktiven gestern nicht nur eine etwa dreistündige Wanderung von Wattenscheid nach Wanne-Eickel, sondern machten Halt an fünf Büdchen-Stationen. Los ging's am Bismarckplatz, wo die älteste Trinkhalle Wattenscheids steht. Etwa 60 bis 70 Jahre gibt’s den Kiosk, schätzt Renate Feugmann, die die Bude seit 26 Jahren betreibt. „Ich hab’ sie von meiner Mutter übernommen, die hatte sie davor schon zwölf Jahre.“
Die Trinkhalle am Bismarckplatz, die erste Station der Wallfahrt, steht unter dem Motto „Arbeit“. Passend dazu Schlotts Zeichnungen: Da ist die Zeche und da ist der Bergmann. Und da ist auch die leibhaftige Gemeinschaft, die Männer, die sich regelmäßig, wie ein Stammtisch, an der Bude treffen. „Hacker“, so wird er genannt, ist gestern auch dort und genießt immer wieder „den stressfreien Raum“. Er und seine Kollegen heißen alle willkommen, „die sich benehmen können. Wir sind multi-kulti, Hautfarbe ist egal.“ Benehmen können heißt übrigens, „keinen doof anzumachen und anzupöbeln.“ Eine friedliche Gemeinschaft von gut zehn Leuten im Alter zwischen 20 und mindestens 70 Jahren. „Wir reden über Fußball, Arbeit, insofern wir welche haben, oder darüber, was das Arbeitsamt wieder mit uns gemacht hat“, sagt „Hacker“.
Türkisch-deutsche Pächter
Mit ihnen machen auch die Ruhrpott-aktiv-Wallfahrer Bekanntschaft. Von dort aus nehmen sie unter Schlotts und Pirias Leitung Kurs auf die zweite Station: die Bude an der Parkstraße. Diese steht unter dem Motto „Freizeit“. Die dritte Trinkhalle auf dem Exkurs ist die am Beisenkamp unter dem Thema „Soziales und Migration“, weil „der Kiosk von einem türkisch-deutschen Ehepaar geführt wird“, erläutert Schlott. Die vierte Station ist die Trinkhalle an der Günnigfelder Straße – unter dem Motto „Identität im Ruhrgebiet“ und der letzte Halt wird in Wanne-Eickel an „Elkes Bude“ unter dem Thema „Wohnen“ gemacht.
Nicht nur die Ruhrpott-Aktiven Bärbel, Rosi und Angela erleben die Wallfahrt, sondern – voraussichtlich im August – der Fernsehzuschauer. Der WDR hat gestern die KioskWallfahrt gefilmt. Also doch rauf aufs Sofa?