Wattenscheid. Am Morgen nach dem „Aus” für das Versandhaus Quelle stand bei Siegfried Leonhardt das Telefon nicht mehr still. „Viele Kunden wollten wissen, wie es mit uns weitergeht”, sagt der Betreiber des Quelle-Shops in der Innenstadt.
Das wüsste der 55-Jährige selbst gerne: „Die Vertriebsschiene Shops wird bei den Informationen völlig außen vor gelassen.” Gibt es keinen Ansprechpartner, der ihm Auskunft geben kann? „Nein”, sagt Siegfried Leonhardt, „der gesamte Außendienst wurde ja entlassen. Ich wüsste keinen, der für uns zuständig wäre – da hängen wir völlig in der Luft.”
Im Intranet würden sich die Shopbetreiber austauschen. „Die Verzweiflung ist relativ hoch”, hat Leonhardt festgestellt. „Man steht vor der Situation, dass da auf einmal ein Loch ist.” Die 1500 Quelle-Shops würden von der Insolvenzverwaltung offenbar als Kollateral-Schäden gesehen. „Wir wussten zwar, dass rund 450 Shops vom Insolvenzverwalter als nicht überlebensfähig eingestuft wurden”, sagt Leonhardt, „aber uns hatte man gesagt, wir würden in eine gemeinsame Zukunft gehen.”
Nicht völlig unerwartet
Erschütterung, sagt Siegfried Leonhardt, sei seine erste Regung gewesen, nachdem er am Dienstag von dem „Aus” für Quelle erfahren hatte. „Völlig unerwartet kam es zwar nicht, weil die Zeichen ja die ganze Zeit auf Sturm standen, aber ich war trotzdem völlig erschüttert.” Der Name Quelle begleite ihn und seine Familie schließlich seit Jahren, „und es sind qualitativ hochwertige Produkte, die wir verkaufen”.
Die Kunden sehen das offenbar ähnlich: Zwei Waschmaschinen hat Leonhardt am Mittwochmorgen verkauft – auf Vertrauensbasis, denn niemand wisse, wer letztlich für die Garantie gerade stehe. „Die Leute wissen, dass die Maschinen gut sind. Es gibt eine sehr geringe Reklamationsquote.” Auch telefonisch seien am Mittwoch etliche Bestellungen reingekommen. „Viele Leute kaufen gerade jetzt ein”, weiß Leonhardt. Wie der Kunde, der gerade drei Kohlefilter für seine Dunstabzugshaube ordert: auf Vorrat.
3000 Kunden im Raum Bochum
Viele ältere Kunden, berichtet Siegfried Leonhardt, hätten aber auch Angst, künftig nicht mehr betreut zu werden. „Wir haben im Raum Bochum 3000 gelistete Kunden – von denen sind viele erschüttert.” Gerade von der Kundschaft habe er aber seit Dienstag viel Zuspruch bekommen: „Viele haben gesagt: Wenn Sie aufhören, gibt's niemanden mehr in Wattenscheid, wo man in Sachen Elektrogeräte gut beraten wird.”
Und so sagt Siegfried Leonhardt nach einem kurzen Moment, in dem er alles hinschmeißen wollte: „Wir werden auf jeden Fall versuchen, das Geschäft und den Service zu halten.” Wie das genau aussehen könnte, vermag der Shop-Betreiber noch nicht zu sagen: „Die Gespräche fangen ja jetzt erst an, und man muss an allen Schrauben drehen.”
Juristisch gesehen werde ihm, der den Status eines Handelsvertreters habe, durch das Quelle-Aus die Geschäftsgrundlage entzogen, erklärt Leonhardt: „Ich bin selbstständig, deshalb greift für mich auch kein Auffangnetz.” Da Quelle nur Lieferant gewesen sei, könne er sich vorstellen, künftig auf andere Händler wie Neckermann oder Otto auszuweichen. „Ob das funktioniert, werden wohl die nächsten acht Wochen zeigen.”
Reisebüro im Shop
Erst im August sind Siegfried Leonhardt und seine Frau Ellen mit ihrem Quelle-Shop umgezogen – aus Kostengründen.
Während das ehemalige Ladenlokal am Alten Markt auf zwei Etagen 250 Quadratmeter hatte, stehen den Leonhardt im neuen Domizil Old Wattsche 9 a nur 100 Quadratmeter zur Verfügung. Dort betreiben sie auch ein Reisebüro. Als zweites Standbein sieht Leonhardt das aber nicht: „Bis sich das rechnet, dauert es ein, zwei Jahre.”
In Sachen Weihnachtsgeschäft werde sich aber noch einiges bewegen. Leonhardt will bei Quelle noch Ware ordern, „so lange die Lager das leisten können”. Trotz Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent während der Insolvenzphase von Arcandor, bleibt er optimistisch: „Für mich gibt's nur den Weg nach vorne; es hat keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken. Aber fragen Sie mal meinen Sohn.” Den musste Leonhardt wegen der Umsatzeinbrüche im Juni entlassen. Einen neuen Job hat der 23-Jährige noch nicht gefunden.