Bochum-Wattenscheid. Die evangelische Kreuzkirche in Wattenscheid-Leithe wird geschlossen und aufgegeben. Wie die Gemeinde weitermacht und was auf dem Gelände folgt.
Nach fast 94 Jahren endet ein Kapitel der evangelischen Gemeindegeschichte in Wattenscheid. Die Kreuzkirche im westlichsten Zipfel der Stadt wird außer Dienst gestellt, geschlossen und soll abgerissen werden. Das gesamte Gelände an der Gelsenkirchener Straße mit Kirche, Gemeindehaus, Kita und Pfarrhaus will die Diakonie Ruhr mit einem Seniorenzentrum neu nutzen.
„Es ist eine lange Verlustgeschichte für die Wattenscheider Gemeinde“, fasst Pfarrerin Monika Vogt nachdenklich zusammen. Nach dem Zusammenschluss der vorher zeitweise vier einzelnen Bezirke im Altstadtbereich, in Günnigfeld und Höntrop hatte sich die Gemeinde entschlossen, das Albert-Schweitzer-Haus an der Alten Kirche aufzugeben.
Gemeinde in Bochum-Wattenscheid konzentriert sich in der Mitte
Direkt am Marktplatz entstand dann das neue Gemeindezentrum, seit 2015 auch architektonisch deutlich mit der kleinen, historischen Kirche durch eine große Tür verbunden. Aufgegeben wurde in diesem Zusammenhang auch das Ludwig-Steil-Haus an der gleichnamigen Straße. Dort ist dann ein Seniorenheim eingerichtet worden.
Ähnliches sieht die Gemeindekonzeption auch für den Bezirk Leithe vor. Das Konzept, die Kirche zu einem Mutter/Vater-Kind-Zentrum umzubauen, scheiterte. Allerdings will, bestätigt Vogt nickend, die Diakonie Ruhr in Leithe nun „eine Wohn- und Pflegeimmobilie mit quartiersorientiertem Charakter“ neu bauen, also etwa mit einem Café. „Leben und Wohnen im Alter“ sei der Oberbegriff.
Sie lächelt, denn diese Ausrichtung passt zum Vorhaben der katholischen Nachbarn, die St. Johannes-Kirche – in Sichtweite schräg gegenüber – zur „Bürgerkirche“ umzuwandeln. „Es ist für die Zukunft der gemeindlichen Arbeit in Leithe wichtig, dass wir mit der ökumenischen Zusammenarbeit, die Gemeindereferentin Anke Wolf in St. Johannes und ich in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, in St. Johannes weitermachen.“
Ökumenische Zusammenarbeit und Quartierskonzept
Am 7. Dezember 1930, dem zweiten Advent, wurde die Kreuzkirche mit einem Gottesdienst eröffnet. An diesem Sonntag, den 10. März 2024, feiert die Gemeinde dort ihren letzten Gottesdienst. Dazwischen liegen beinahe 100 Jahre Gemeindearbeit, mit Aufbrüchen und Festen, mit Frauenhilfe, Chor und vielen anderen Gemeindegruppen, mit Gottesdiensten, die in Erinnerung geblieben sind.
„Die Entwidmung der Gottesdienststätte ist beantragt, die neue Gebäudekonzeption vom Landeskirchenamt bereits genehmigt“, nennt Vogt die formellen Schritte.
„Ökumenische Veranstaltungen und Gottesdienste soll es im Wechsel in der Kreuzkirche und in St. Johannes geben. Beide Gemeinden haben großes Interesse an der Zusammenarbeit, und die katholische Gemeinde gibt dafür nun die Räume. Am Sonntag wird sogar der Gottesdienst in St. Johannes nicht gefeiert, die Gemeinde nimmt am Abschiedsgottesdienst in Leithe teil.“
Inventar wird eingelagert oder an anderer Stelle genutzt
Bis Ende März soll das Gemeindehaus noch offen sein, unter anderem für die Treffen von Handarbeitsgruppe und Awo-Kreis. Das kirchliche Inventar soll entweder eingelagert oder umgehend an neuer Stelle genutzt werden. „Etwa das Abendmahlsgeschirr, das wird in der Friedenskirche schon bei der Einführung des neuen Presbyteriums genutzt“, blickt die Pfarrerin nach vorn. „Es ist nicht verloren, sondern ein Teil der Gemeindegeschichte.“
„Das muss aber erst geputzt werden“, merkt Ruth Rogalla an. Die inzwischen 82-Jährige hat in der Gemeinde lange unter anderem in der Bücherbörse mitgearbeitet. Sie erinnert exemplarisch neben vielem anderen daran, dass zur Zeit der Naziherrschaft evangelische Christinnen und Christen in Leithe Widerstand leisteten. Und in der jüngeren Geschichte die Gemeinde in Leithe innovativ und vorbildlich im Umwelt-und Klimaschutz gewesen ist.
Nachhaltige Technik ausgezeichnet mit dem „Grünen Hahn“
Für die Ausstattung mit einer Photovoltaik-Anlage und begrünten Dachbereichen wurde ihr die Auszeichnung „Grüner Hahn“ verliehen. Allerdings hatte 2013 der Kirchenkreis für die Landeskirche eine Liste der gemeindlich genutzten Gebäuden eingefordert, die gehalten werden sollen.
In Wattenscheid bedeutete das die Konzentration in den Zentren im Norden mit dem Wichernhaus an der Christuskirche in Günnigfeld, in der Mitte mit der Friedenskirche und dem Neubau an der Alten Kirche sowie im Süden mit dem an der Erlöserkirche, Preins Feld, und der Kapelle an der Höntroper Straße.
Dabei zählte auch, dass die Kreuzkirche nicht unter Denkmalschutz steht, das Gelände also angesichts sinkender Gemeindemitgliederzahlen und damit Steuereinnahmen einfacher zu vermarkten wäre. Das Zentrum an der Alten Kirche liegt dazu auch relativ nah.
Gemeinde feiert Abschied am Wochenende
Beim Abschiedswochenende am Samstag und Sonntag, 9. und 10. März, ist es möglich, das Gemeindezentrum zu besuchen und noch einmal durch die Räume zu gehen. Es gibt Tische mit kleinen Erinnerungsstücken zum Mitnehmen. Eine Ausstellung in den Räumen lädt dazu ein, sich die Geschichte des Hauses noch einmal zu vergegenwärtigen.
Am Samstag, 9. März, ist das Haus ab 15.30 Uhr geöffnet. Ab 17 Uhr gib es Getränke und Gegrilltes. Das Ende ist für 19 Uhr vorgesehen. Am Sonntag, 10. März, hält Heiner Montanus, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Wattenscheid/Gelsenkirchen, um 11.15 Uhr im Abschiedsgottesdienst für die ganze Gemeinde die Predigt. Anschließend wird zum Kirch-Café im großen Saal unten im Gemeindezentrum eingeladen.