Wattenscheid-Leithe. Aus der letzten der drei Bronze-Glocken der Kreuzeskirche in Wattenscheid-Leithe wurde das Taufbecken gestaltet. Zuvor läutete sie zum Alarm.
Auf eine ganz eigene, stille und zurückhaltende Art erinnert ein Element in der evangelischen Kreuzkirche in der Leither Gemeinde an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Denn das heutige Taufbecken war ursprünglich eine der drei Glocken im Turm im westlichsten Zipfel der Stadt. Und bei genauem Hinsehen richtet es seitdem eine Mahnung aus den Geschehnissen dieser Zeit und aus den Schatten der Vergangenheit.
Metall für die Kriegswirtschaft
Die drei bronzenen Glocken im Turm der Kreuzkirche an der Gelsenkirchener Straße wurden jedenfalls im Jahre 1930 gegossen, die Kirche selbst wurde im selben Jahr eingeweiht. Die Entstehen und Verwendung erläutert der Mantel des heutigen Taufbeckens, in den eine schlichte Inschrift geprägt ist. Zwei von ihnen „wurden am 8. Januar 1942 an die Kriegswirtschaft ausgeliehen“, setzt sie sich zurückhaltend fort. Und dann reißt dieses metallene Dokument die lokale Geschichte der
Kriegs- und Nachkriegszeit in der nahen Umgebung
Die Denkmalliste nimmt die Anlage an der Bergener Straße in ihrer dokumentarischen Funktion auf. Außer dieser Zwangsarbeitersiedlung sind in Westfalen, wahrscheinlich sogar in den alten Bundesländern, nur noch zwei weitere dieser Art bekannt.
Bedeutung gewinnt sie für die Geschichte der Zwangsarbeit und auch für die Migrationsgeschichte als erste Heimstatt für ausländische Arbeitskräfte.
an.
„Aus dem Material der letzten Glocke, die bis Juni 1943 allein den Dienst versah, vor allem auch als Alarmglocke bei den Polenüberfällen 1945, wurde dieses Taufbecken 1952 gegossen.“ Andere Überlieferungen weisen darauf hin, dass die Glocke tatsächlich noch bis Juni 1947 genutzt wurde. Denn seit dem 13. Juli 1947 wurde dann das Geläut im Turm von drei Stahlglocken wieder komplettiert und dauerhaft ersetzt.
Einweihung zum Advent
Die drei Bronzeglocken, von Anfang an schon elektrisch in Gang gesetzt, wurden am 2. Advent 1930 erstmals nach ihrer Übergabe geläutet. Mit dem Jahrestag am Nikolaustag 2020, am Sonntag, 6. Dezember, kann das 90-jährige Bestehen begangen werden. Die kleinste der drei Glocken blieb, als die beiden anderen wenig mehr als elf Jahre später zum Einschmelzen abtransportiert wurden und nur noch Grundstoff für die Kriegswirtschaft bildeten.
Unter dem Friedenssymbol, der Taube auf dem Deckel des kupfernen Taufbeckens, verweist eine weitere eingeschlagene Inschrift, dass für die Umgestaltung der vormaligen Glocke Hubert Nietsch aus der Künstlersiedlung Halfmannshof unweit hinter der Bahnlinie und damit auf Gelsenkirchen-Ückendorfer Seite die Ausführung übernommen hatte.
In seiner Bestandsaufnahme kommt das Baureferat der Evangelischen Kirche von Westfalen in Paderborn zu dem Schluss, dass es sich bei dem Taufbecken um ein „bedeutsames gemeinde- und kirchengeschichtliches Zeugnis neben dem Abendmahlsgerät von 1940“ handelt, das in seiner ungewöhnlichen, heutigen Form „wohl einzigartig“ sei.
Station für Glocke „Auguste“
Eine ungewöhnliche Geschichte unter dem Aspekt der Glocken hat die Kreuzkirchen-Gemeinde auf jeden
Fall auch noch auf andere Weise erlebt. 20 Jahre war nämlich eine weitere Glocke vor dem Gotteshaus in Leithe zu sehen. „Auguste“ war der letzten deutschen Kaiserin Auguste Victoria gewidmet und wurde 1892 vom Bochumer Verein als mittlere Glocke von dreien für die Gnadenkirche in Berlin-Mitte gegossen. Doch zunächst wurde das Ensemble als Dokument vollendeter Gießkunst auf der Weltausstellung in Chicago 1893 ausgestellt, bevor sie nach Berlin kam.
Der WAZ-Chronist vermerkte, als „Auguste“ wieder an ihren alten Standort in Berlin zurück geschickt wurde: „Im Krieg wurde die Gnadenkirche zerstört, 1967 die Ruine auf Anordnung des DDR-Regimes gesprengt. Während die anderen beiden Glocken Risse davon trugen, blieb „Auguste“ ohne sichtbare Schäden. Im Zuge der Aufräumarbeiten landete sie auf dem Schrottplatz. Dort entdeckte sie ein Pfarrer aus Berlin-Malchow, kaufte sie und stellte sie in den Pfarrgarten. Bei einem Stellenwechsel nahm er die Glocke mit nach Thüringen.
Gemeinde ausgezeichnet
Im Januar 2008 hatte die Evangelische Kirchengemeinde Leithe das Umweltzertifikat „Grüner Hahn“ verliehen bekommen. „Gustav“ hieß der Hahn fortan gemeindeintern. Andreas Chaikowski zeigte sich als Beauftragter für das Umweltmanagement der Gemeinde rundum zufrieden: „Im Umweltschutz engagiert sich die Gemeinde ja schon lange, etwa mit Gründächern, unserer Solaranlage, Grünem Strom.“
Überzeugend an dieser Zertifizierung sei vor allem, dass das System, dazu diszipliniere, konsequent und zielorientiert zu arbeiten. Und reizvoll war es, dass dieser Prozess dann von außen begutachtet wurde, nach Normen, die genauso auch für Wirtschafts-, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen galten. „Dann das Zertifikat tatsächlich zu erhalten, darauf kann das Gemeinde-Umweltteam richtig stolz sein.“
Sie wurde in Bochum restauriert und vor der Kreuzkirche aufgestellt.“ Dabei war vereinbart worden, sie zurück zu geben, sobald die Berliner Gemeinde einen Läuteort für „Auguste“ finde, was dann 2011 tatsächlich geschah.
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