Wattenscheid. Carina Hußmann wird ihren 18. Geburtstag nicht so schnell vergessen. Denn für das Mädchen aus Wattenscheid erfüllte sich ein Herzenswunsch: Carina durfte Auto fahren, obwohl sie mit nur drei Prozent Sehvermögen fast blind ist.
Ihren 18. Geburtstag wird Carina Hußmann wohl so schnell nicht vergessen. Denn am Freitag hat sich einer ihrer größten Wünsche erfüllt: Zum ersten Mal in ihrem Leben durfte Carina Auto fahren. Etwas ganz Normales mit 18 Jahren? Nicht für Carina: Das Mädchen ist fast blind.
„Oh nein!”, war Carinas erste Reaktion, als Fahrlehrer Michael Mankel an ihren Geburtstagstisch im Höntroper Cafe´ de Cafe´ kam und ihr eröffnete, dass für sie gleich eine Fahrstunde auf dem Programm stehe. „Ein bisschen Pipi hat sie auch in den Augen gehabt”, sagt ihre Mutter, die selbst die Tränen kaum zurückhalten kann. Zu gerührt ist Susanne Hußmann, dass sie ihrer Tochter einen Herzenswunsch erfüllen konnte.
„Ich bin einfach zur Fahrschule Mankel gegangen und habe Herrn Mankel vom Wunsch meiner Tochter erzählt – und er hat sofort gesagt: Ja, dann machen wir das”, erzählt sie. Wie – dann machen wir das? habe sie ihn gefragt. „Und er hat nur gefragt, wann wir denn fahren sollen”, kann Susanne Hußmann die Zusage kaum fassen.
Nur noch drei Prozent Sehvermögen
Mit einem weißen BMW X3 hat der Fahrlehrer das Geburtstagskind am Freitagnachmittag in Höntrop abgeholt. Viel sehen kann Carina von dem schicken Auto und der Fahrt zum Holland-Gelände nicht: Nur noch drei Prozent Sehvermögen und einen Tunnelblick hat das Mädchen, das an einer seltenen Erbkrankheit leidet.
Und doch sieht alles so aus wie bei jeder „normalen” ersten Fahrstunde, als sich Carina auf dem Holland-Gelände zum ersten Mal hinters Steuer setzt. Mankel erklärt die Pedale, lässt sie ein wenig lenken und fordert das Mädchen dann auf, Gas zu geben. „Du hörst das schon, wenn's zu viel ist.” Und schon geht's los zur ersten Runde.
Mit hochroten Wangen
„Es ist fantastisch, dass er sich sofort bereit erklärt hat, das zu machen”, freut sich auch Carinas Opa Karl-Heinz Hußmann, der zum Zuschauen gekommen ist. Carina fährt währenddessen schon in deutlich schnellerem Tempo die zweite Runde ums Gelände – und strahlt übers ganze Gesicht. „So gut bin ich in meiner ersten Fahrstunde nicht gefahren”, staunt Dirk Neumann, der Lebensgefährte von Susanne Hußmann. In Runde drei darf Carina dann richtig Gas geben und rauscht mit hochroten Wangen an den Zuschauern vorbei.
„Boah, war das geil”, ruft ihre Mutter, die im Fond des BMW Platz genommen hatte, nach der Fahrstunde. „Sie hat immer nur gefragt, ob sie nochmal Gas geben kann. Ich glaube, ich nenne meine Tochter demnächst Michaela – Michaela Schumacher.”
Das schönste Gefühl: Gas geben
Seltene Erbkrankheit
Das Bardet-Biedl-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die bis heute unheilbar ist. Die Symptome sind unterschiedlich.
Unter anderem können die Nasenwurzeln verbreitert, weniger Zähne als normal vorhanden und die Netzhaut so stark beschädigt sein, dass die Betroffenen erblindet. Außerdem kann die Krankheit Übergewicht und Bluthochdruck zur Folge haben.
Und Carina selbst? „War ganz gut – nur zu langsam”, sagt das Geburtstagskind trocken. Das schönste Gefühl? „Gas geben.” Ist die 18-Jährige denn ein Autofan? „Nein, aber Achterbahn-Fan – das ist noch viel geiler.” Das Autofahren sei zwar nicht so schnell, aber anstrengender gewesen: „Für die Augen.” Doch dann strahlt Carina wieder: „Der Lehrer hat gesagt: Wenn du Lust hast, kannst du nochmal kommen und eine Runde drehen.”
Auch für Michael Mankel war diese Fahrstunde der besonderen Art ein erstes Mal. „Da war nicht viel Unterschied zu ganz normalen Fahranfängern”, sagt er trocken. „Die haben auch einen Tunnelblick.” Spaß gemacht habe es ihm auf jeden Fall – und daraus, dass er sich die Fahrstunde partout nicht bezahlen lassen, will er keine Staatsaffäre machen. „Wenn man eine Freude machen kann – warum nicht?”