Wattenscheid-Leithe. Die Sportler an der Langhantel im Kraftsportverein Bochum 1898 gehen gemeinsam auf Erfolgskurs. Für einen ist es ein Comeback, wegen einer Wette.
Heutzutage ist es normal, dass auch Frauen Gewichte heben. Dennoch: Wie die 31-jährige Janice Ruppel oder die 20-jährige Wibke Wehmer die Langhantel über den Kopf reißen und dann donnernd zu Boden fallen lassen, ist doch überraschend. Immerhin hat es ja auch hundert Jahre gedauert, bis Frauen offiziell als Gewichtheberinnen anerkannt waren. Während sich das Gewichtheben mit den Disziplinen Reißen und Stoßen seit Ende des 19. Jahrhundert als Sportart verbreitete, gab es die erste Frauen-Weltmeisterschaft erst 1987, Olympia folgte 2000 in Sydney. Die jungen Damen vom Kraftsportverein Bochum 1898 haben Muskeln, aber sind keine Muskelpakete.
„Eigentlich habe ich mich direkt ins Gewichtheben verliebt. Du konzentrierst dich dabei sehr auf dich selbst, bist trotzdem im Team und es ist technisch sehr anspruchsvoll“, sagt die angehende Physiotherapeutin Wehmer. Ihr Trainingsraum im Keller der Grundschule Leithe darf als historischer Ort bezeichnet werden. Er erzählt die Geschichte des Gewichthebens in Bochum und verweist gleichzeitig auf die Anfänge der Schwerathletik allgemein.
Alles begann 1898 im Bochumer Griesenbruch
Alles fing Ende des 19. Jahrhunderts im Bochumer Griesenbruch mit Gründung der „Athleten-Gesellschaft Deutsche Eiche 1898“ an. Auf dem Programm standen klassische Disziplinen: Ringen, Gewichtheben und das Jonglieren mit schweren, eisernen Rundgewichten. Die bewegte Entwicklung des Vereins schrieb zuletzt Isolde Arends 1998 in einer Chronik zum 100-jährigen Bestehen nieder. Dort ist auch zu entnehmen, dass der Verein vor allem in den 1920-Jahren mit dem Ringen und ab 1969 im Gewichtheben große Blütezeiten mit Erfolgen in Stadt- und Landesmeisterschaften sowie der Regionalliga erlebte.
Zum Verein gehört ein weiterer Standort in Harpen für den Kraftdreikampf mit Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben. Auch in dieser Sportart verzeichnete der Verein ab den 1980er-Jahren große Erfolge.
Für die Gewichtheber im Verein bleibt der Name Hermann Imig unvergessen. Er übernahm ab 1976 die Förderung der Jugend und als Hausmeister der Grundschule in Leithe organisierte er auch den Trainingsort. Rolf Bornemann (77) und Wolfgang Schubert (72), die sich bis heute hier fit halten, kannten ihn noch. „Wenn sich Kinder auf dem Schulhof gezankt haben, ist er zu ihnen hin und sagte: Komm zu uns trainieren!“, so Bornemann.
Tochter pokerte mit der ruhmreichen Geschichte des Vaters
Auch Udo Derfert kennt die Trainingsstätte schon lange. Seine große Zeit als Gewichtheber fiel in die 1990er-Jahre. Der heute 54-Jährige wurde Landesmeister, aber klinkte sich beruflich bedingt aus dem Vereinssport aus. Anfang dieses Jahres katapultierte ihn eine Wette um die größte Kraft seiner Tochter Paula zurück in die Vergangenheit. Sie pokerte mit der ruhmreichen Geschichte des Vaters, der dann den Beweis erbringen sollte.
Derfert suchte also im Februar dieses Jahres seine alte Wirkstätte im Keller der Leither Grundschule auf. „Ich bin hier ‘reingegangen und es hat sofort wieder gekribbelt in den Händen“, schildert er. Bereits am Wochenende nimmt er an einem Qualifikationswettkampf teil mit dem Ziel: 80 Kilo reißen, 100 stoßen und das Ticket zur Europa Meisterschaft.
Generell ist die Abteilung Olympisches Gewichtheben des Kraftsportvereins derzeit im Aufbau. „Als ich 2014 anfing, habe ich hier alleine gehoben“, schildert der zweite Vorsitzende Adnan Köklü. Bis heute haben sich etwa 20 Mitstreiter und Mitstreiterinnen dazu gesellt. Ziel der neuen Generation Gewichtheber ist es nun, mit einer Mannschaft wieder mitzuspielen im Wettkampfbetrieb.
Steckbrief: Kraftsportverein Bochum 1898. Gründung: 1898 als „Athleten-Gesellschaft Deutsche Eiche Bochum 1898“. Mitglieder: 150. Kontakt: Separate Telefonnummern und E-Mail-Adressen für Olympisches Gewichtheben in Wattenscheid und Kraftdreikampf in Harpen sind auf der Webseite des Vereins hinterlegt: www.ksv-bochum.de