Wattenscheid. Wattenscheiderinnen beteiligten sich an der bundesweiten Aktion der Initiative „Maria 2.0“. Auf originelle Weise greifen sie die Kirche an.

Die Reformbewegung „Maria 2.0“ hat am Sonntagvormittag (21. Februar) ihre Thesen über ihre Sicht einer lebendigen Kirche an Dom- und Kirchentüren gehängt und damit bundesweit für Aufsehen gesorgt. Daran beteiligt war auch die Wattenscheider Initiative. Elisabeth Hartmann-Kulla von der örtlichen Gruppe wertet die Aktion als vollen Erfolg.

Wie einst Martin Luther: Katholische Frauen aus Wattenscheid schlagen ihre Thesen an Kirchentüren

An nahezu allen Kirchen und kirchlichen Gebäuden in Wattenscheid sei man früh morgens gewesen, um die Plakate mit den insgesamt sieben Thesen (siehe Zweittext) anzubringen: am Kolumbarium St. Pius ebenso wie in St. Theresia Eppendorf, St. Marien Höntrop, St. Maria Magdalena Höntrop, Herz Mariä Günnigfeld und St. Joseph sowie in der Propstei St. Gertrud. Die Resonanz, so Elisabeth Hartmann-Kulla sei größtenteils positiv gewesen. Viele Wattenscheider hätten sich auch an den Info-Zetteln bedient, die mit ausgelegt worden waren.

Sie sieben Thesen in Kurzform

Die sieben Thesen der Initiative „Marie 2.0“ – in gekürzter Form:

1. Unsere Kirche ist eine gerechte Kirche, in der alle Menschen die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben und damit Zugang zu allen Ämtern.

2. Unsere Kirche ist partizipativ. Alle haben gemeinsam Verantwortung am Sendungsauftrag, Macht wird geteilt.

3. Unsere Kirche ist glaubwürdig, geprägt durch respektvollen Umgang und Transparenz. Taten sexualisierter Gewalt werden umfassend aufgeklärt und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen. Die Ursachen werden konsequent bekämpft.

4. Unsere Kirche ist bunt. Sie zeigt eine wertschätzende Haltung und Anerkennung gegenüber selbstbestimmter, achtsamer Sexualität und Partnerschaft.

5. Unserer Kirche ist lebensnah; in ihr ist die zölibatäre Lebensform keine Voraussetzung für die Ausübung eines Weiheamtes.

6. Unsere Kirche wirtschaftet verantwortungsvoll und nachhaltig. Sie verwaltet das ihr anvertraute Vermögen nach christlichen Prinzipien.

7. Unsere Kirche ist relevant für Menschen, Gesellschaft und Umwelt. Unser Auftrag ist die Botschaft Jesu Christi. Wir handeln danach und stellen uns dem gesellschaftlichen Diskurs.

Mit dem Thesenanschlag 2.0 an Dom- und Kirchentüren im gesamten Bundesgebiet weist die Frauen der Reformbewegung „Maria 2.0“ auf die aus ihrer Sicht eklatanten Missstände in der katholischen Kirche hin und untermauert damit ihre Forderungen nach Reformen hin zu einer zukunftsfähigen Kirche. Angemahnt wird eine geschlechtergerechte Kirche mit dem Zugang für alle Menschen zu allen Ämtern sowie die Aufklärung, Verfolgung und Bekämpfung der Ursachen von sexualisierter Gewalt. Darüber hinaus wird eine wertschätzende Haltung gegenüber selbstbestimmter, achtsamer Sexualität eingefordert – und die Aufhebung des Pflichtzölibats.

Wattenscheider Gruppe sieht sich als „Stachel im Fleisch der Amtskirche“

Am Wochenende vor der virtuellen Vollversammlung der Deutschen Bischöfe (23. bis 25. Februar) wendet sich die Reformbewegung „Maria 2.0“ mit ihren Forderungen nach Veränderungen in der Kirche erneut an die Öffentlichkeit. Dass Luther seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben soll, sei wohl eher eine Legende, „aber seine Thesen haben etwas Großes in Bewegung gesetzt, das wollen auch die Mitstreiter/innen von ,Maria 2.0“, stellt Elisabeth Hartmann-Kulla klar.

So reagiert das Bistum Essen

Als ein „Zeichen von großer Wucht“ bezeichnet der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer den bundesweiten „Thesenanschlag“ der katholischen Reform-Initiative Maria 2.0 an zahlreichen Dom- und Kirchentüren. „Die Thesen der Frauen von Maria 2.0 machen in ihrer Schärfe unmissverständlich klar, wie sehr sich die Konfliktlage in unserer Kirche inzwischen zugespitzt hat“, sagt Pfeffer, „dieser Protest muss sehr ernst genommen werden, weil er aus der Mitte unserer Kirche kommt und einer breiten Mehrheit der Gläubigen aus dem Herzen spricht.“

Das Bistum Essen setze sich seit einigen Jahren offensiv damit auseinander, wie die Kirche erneuert werden kann. Pfeffers Eindruck: „Das reicht aber nicht mehr aus. Eine immer größer werdende Zahl von katholischen Gläubigen in Deutschland – selbst die treuesten der Treuen – ist nicht mehr bereit, unsere Kirche zu unterstützen, wenn es keine sehr grundsätzlichen Veränderungen gibt, die die Ursachen vieler trauriger Leidensgeschichten beseitigen.“

Aus Sicht auch der Wattenscheider Gruppe, der rund 25 Sympathisantinnen angehören, sei es notwendig, dass die Deutsche Bischofskonferenz endlich beginne, sich ernsthaft mit den in der katholischen Kirche notwendigen Reformen auseinanderzusetzen, und den Willen zu Veränderungen durch Taten zu bezeugen.

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Elisabeth Hartmann-Kulla freut sich, durch Aktionen wie diese immer wieder für Aufmerksamkeit und das Interesse an den Inhalten der Initiative zu sorgen. „So viele Frauen in Bewegung – das kann man nicht ignorieren.“ Sie bezeichnet „Maria 2.0“ als „Stachel im Fleisch der Amtskirche“. man sei „klein und unangenehm und müsse immer wieder piksen“, damit sich etwas ändert. „Wir haben eine Menge in Bewegung gesetzt“, sagt Hartmann-Kulla stolz und verspricht: „Das wird so weiter gehen.“

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Die Bewegung „Maria 2.0“ tritt für Reformen in der katholischen Kirche ein. Sie bezeichnet sich selbst als eine bundesweit vernetzte „Graswurzelbewegung“. Zahlreiche Maria-2.0-Gruppen in verschiedenen Orten machen seit Mai 2019 immer wieder mit unterschiedlichen Aktionen in Kirchengemeinden, Bistümern und häufig auch bundesweit gemeinsam auf ihre Forderungen aufmerksam.