Wattenscheid-Mitte. Seit fünf Jahren gibt es den Jugendtreff Heroes in Wattenscheids City. Nicht alle Ziele wurden bisher erreicht. Ein Interview mit Leiter Roth.
Das Ludwig-Steil-Haus – seit Ende 2014 geschlossen – bildete als Zentrum mit integrierter Jugendarbeit im Wattenscheider Osten über Jahrzehnte einen Mittelpunkt der Ev. Gemeinde. Sie baute am Alten Markt ein neues Gemeindehaus, die Offene Kinder- und Jugendarbeit verteilte sich danach auf drei neue Standorte im Stadtgebiet.
Die Jugendlichen bezogen vor fünf Jahren ihr neues Domizil „Heroes“ (Helden) in der Innenstadt. Karl-Wilhelm Roth (64), Leiter der Jugendeinrichtungen, berichtet über seine Erfahrungen seit Umzug des Jugendbereichs zur City.
WAZ: Zunächst einmal zur aktuellen Situation: Die Einrichtung ist derzeit geschlossen.
Roth: Ja, seit dem 16. März. Laut Erlass des NRW-Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes noch bis zum 19. April. Vermutlich aber auch darüber hinaus, ich gehe von einer Verlängerung aus.
Wie halten Sie jetzt Kontakt zu Ihren Besuchern?
Roth: Wir haben aktuell ein Kontaktangebot per Telefon und E-Mail eingerichtet, welches wir zunächst an zwei Tagen in der Woche anbieten.
Was hat sich im Vergleich zum alten Standort an der Ludwig-Steil-Straße verändert?
Roth: Die Arbeit und das Angebot stellen sich völlig unterschiedlich dar, man kann sie nicht miteinander vergleichen. Der Jugendtreff ist der erste seiner Art in einer Einkaufsstraße. Wir hatten von Anfang an eine gute Akzeptanz, Das zieht sich über die gesamten fünf Jahre. Die Jugendlichen kommen gerne zu uns!
Veränderte sich auch der Kreis der Besucherinnen und Besucher?
Roth: Ja. Wir haben mit einer aus 15 Jugendlichen bestehenden Projektgruppe einige konzeptionelle Grundlagen für die Einrichtung gelegt. Fast zehn Monate lang, vorrangig mit Jugendlichen, die das Steilhaus besuchten. Diese Gruppe löste sich dann relativ schnell vom Jugendtreff.
Welchen Besucherkreis könnten wir hier aktuell antreffen?
Roth: : Zu Beginn waren wir, sagen wir mal, stärker mittelschichtsorientiert. Wattenscheid ist ein sozialer Brennpunkt. Das spiegelt sich auch in unserer Besucherstruktur wieder. Aktuell haben rund 95 Prozent der Besucher einen Migrationshintergrund. Die größte Gruppe bilden im Moment syrische Jugendliche.
Wie bewerten Sie diese Tatsachen?
Roth: Wir haben jetzt ausschließlich ein offenes, niederschwelliges Angebot mit viel Laufkundschaft. Wie Passanten kommen die Besucher „auf einen Sprung“ zu uns. Sie kickern beispielsweise oder spielen Billard. Die Jugendlichen lieben die Unverbindlichkeit, das „Chillen“. Anders gesagt ist es uns nicht gelungen, die Jugendlichen für Gruppenangebote zu interessieren. Hauptsächlich wird unsere Einrichtung von Jungen besucht. Der Mädchenanteil ist nach wie vor sehr gering. Wir haben jedoch auch eine hohe Anzahl an Stammbesuchern.
Stellen diese doch gravierenden Unterschiede im Vergleich zu den Angeboten im Ludwig-Steil-Haus also eher einen Qualitätsverlust dar?
Roth: Nein. Die derzeitige Arbeit ist eine völlig andere als früher, sie hat aber für die aktuelle Zielgruppe die gleiche Bedeutung. Beides hat oder hatte seine Berechtigung.
Was ist Ihnen heute in Ihrer Arbeit wichtig?
Roth: Wichtig ist mir, dass wir als Evangelische Kirche unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Besonders in diesem Arbeitsbereich, der Kinder und Jugendliche in den Blick nimmt. Und zwar für alle, eben als offenes Angebot.
Kann man Ihr Angebot als Integrationsarbeit bezeichnen?
Roth: Ja, ich glaube schon. Wenngleich die Offene Arbeit sicher nur einen kleinen Beitrag leisten kann und wir nicht bei allen Jugendlichen eine Weiterentwicklung erkennen können.
Was verstehen Sie unter „nicht weiterentwickelt“?
Roth: Nicht weiterentwickelt heißt, dass die Jugendlichen immer noch in der Luft hängen, noch keinen Boden unter den Füßen gefunden haben. Viele verfügen nur über unzureichende Deutschkenntnisse. Sie schaffen keinen Schulabschluss. Erfolgreiche Integration zeigt sich, wenn Menschen ihre gesteckten Ziele erreichen, beispielsweise eine Ausbildung beginnen. Wir können an dieser Stelle nicht mehr als unsere Unterstützung anbieten.
Wie lauten Ihre Wünsche für die nächsten fünf Jahre?
Roth: Dass die Einrichtung in Hinblick auf den neuen Jugendförderplan im gleichen Umfang gefördert wird und erhalten bleibt. Die Stadt Bochum stemmt die Hauptfinanzierung unserer Einrichtung. Die guten Besucherzahlen sprechen auf jeden Fall dafür. Der Jugendtreff ist für Wattenscheid ein wesentlicher Bestandteil des Freizeitangebotes. Wir werden unser Angebot in Zukunft um eine Samstagsöffnung erweitern.
>>>> Als Zukunftsprojekt gefördert
Der Jugendtreff Heroes wird am 24. April fünf Jahre alt und wurde im ersten Jahr von den Stadtwerken Bochum als Zukunftsprojekt finanziell gefördert. Als offener Treff für die Zielgruppe der 14 bis 21-Jährigen konzipiert öffnet er montags, mittwochs und freitags von 17 bis 21 Uhr, dienstags und donnerstags von 16 bis 21 Uhr.
Zwischen Spielhalle, Wettbüro und Shisha-Bar bildet das Heroes im Stadtteil Wattenscheid-Mitte ein sinnvolles, präventives und nicht kommerzielles Angebot für Jugendliche. Betreut wird die Einrichtung in Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid von Sozialarbeiter Karl-Wilhelm Roth und der Sozialwissenschaftlerin Kerstin Schümann. Darüber hinaus unterstützen drei Honorarkräfte und zwei ehrenamtliche Mitarbeiter die Hauptamtlichen.
>>>> Rückblick: Über 60 Jahre Jugendarbeit
Die offene Kinder- und Jugendarbeit im Ludwig-Steil-Haus kann auf eine über 40-jährige Tradition zurückblicken. Alles begann mit der Bootsbau- und Segelgruppe im Rahmen der „Jungen Gemeinde“ im Ludwig-Steil-Haus und im Albert-Schweitzer-Haus am Alten Markt. Ein erfolgreicher Dauerbrenner des Steil-Hauses in den vergangenen vier Jahrzehnten: Freizeiten für Kinder und Jugendliche. Dabei wurden auch weit entfernte Ziele wie die Türkei, Kroatien und Frankreich bereist. Nicht immer bleibt es bei einem reinen Freizeitangebot. Die Fahrten nach Südfrankreich und Korsika in den 70er und 80er Jahren standen regelmäßig unter dem Schirm des Deutsch-Französischen Jugendwerkes (DFJW).
Gemeinsam mit einer französischen Partnergruppe gestalteten bis zu 50 deutsche Jugendliche ein Bildungs- und Freizeitprogramm unter südlicher Sonne. Das Jugendwerk hilft dabei, damals wie heute die Aufgaben, Beziehungen zwischen Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Verantwortlichen der Jugendarbeit in beiden Ländern zu vertiefen und neue Kontakte zu knüpfen. Evangelische Ferienfreizeiten der Wattenscheider Gemeinde waren traditionell sehr speziell.
Und so begann die „neuzeitliche“ evangelische Freizeit-Ära bereits vor über 60 Jahren. Die von Pfarrer Hans-Gerd Heidsiek 1959 gegründete Bootsbau- und Segelgruppe sorgte im Rahmen der „Jungen Gemeinde“ für exklusiven Freizeitspaß im Ludwig-Steil-Haus. Mit der Einweihung des Albert-Schweitzer-Hauses 1968 zog die Segelgruppe an den Alten Markt um.
Aus einem Teil der „Jungen Gemeinde“ im Ludwig-Steil-Haus entwickelte sich Anfang der siebziger Jahre die Offene Evangelische Jugendarbeit mit dem „Haus der Offenen Tür“. Das Kinder- und Jugendfreizeitzentrum setzte die alten Freizeit-Traditionen fort. Generationen von Kindern und Jugendlichen besuchten die Einrichtung.