Wattenscheid. Wattenscheids Migrationshelfer bringen Flüchtlingsfamilien zusammen oder helfen Asylbewerbern im Alltag. So sieht ihre tägliche Arbeit aus.
Kamal Oso lebt seit drei Jahren in Wattenscheid. Er flieht aus Syrien, sein Asylantrag wird schnell genehmigt. Bis er seine Ehefrau und zwei Söhne wieder in die Arme schließen kann, dauert es zwei Jahre. Die beiden Töchter und ein weiterer Sohn leben nach ihrer Flucht noch immer im Nordirak.
Sie sind volljährig – und dürfen nicht zu ihrer Familie. Dass er einen Teil seiner Familie bei sich hat, hat er Mustafa Calikoglu zu verdanken. Er ist Migrationsberater bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Wattenscheid.
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„Es war ein schwerer Schritt, sie zu verlassen. Ich weiß nicht, wann ich den Rest meiner Familie wiedersehe“, sagt Sohn Mustafa (16). Sich zu erinnern, wie er einen Teil seiner Familie verließ, um bei seinem Vater zu sein, macht ihn traurig.
„Ich sehe immer wieder, wie Menschen an so etwas zugrunde gehen.“
Von Schicksalen wie dem der Osos hört Khadija Delbaz oft, viel zu oft. Die junge Frau kümmert sich um junge Flüchtlinge zwischen zwölf und 27 Jahren: „Ich sehe immer wieder, wie Menschen an so etwas zugrunde gehen. Sie brechen vor mir in Tränen aus.“ Dann versuchen sie und Calikoglu zu helfen. Indem sie beim Ausfüllen der Anträge unterstützen oder erklären, was der nächste Schritt sein kann. So ist es Calikoglu gelungen, Mustafa Oso, seinen Bruder Nejirvan (15) und die Mutter der Familie nach Wattenscheid zu holen. Ob auch der Rest der Familie nachkommen kann, wird ein Rechtsstreit entscheiden.
Kontakt zu den Migrationshelfern
Junge Migranten, die zwischen zwölf und 27 Jahren alt sind und Fragen oder Probleme haben, können sich an Khadija Delbaz von der Awo wenden. Die Sprechstunden ist mittwochs von 14 bis 16 Uhr im „Centrum Cultur“, August Bebel-Platz 2a.
Mustafa Calikoglu und Asiye Yildrim beraten dienstags und donnerstags von 10 bis 12 Uhr Erwachsene ab 27 Jahren.
Die beiden Berater der Awo tun ihr Möglichstes, mit einem großen Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe. Zum Beispiel durch niederschwellige Angebote wie Computerkurse, bei denen junge Menschen lernen, wie sie eine Bewerbung schreiben. Delbaz: „Es ist ganz wichtig, dass die Menschen eigenständig werden, nur so kann die Integration gelingen.“
Beratung für tausend Menschen pro Jahr
Deutschlandweit gibt es seit 2005 das bundesgeförderte Beratungsangebot „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ (MBE). Insgesamt gibt es 1300 Einrichtungen in der Bundesrepublik, eine davon ist in Wattenscheid im „Centrum Cultur“ am August-Bebel-Platz. Delbaz und Calikoglu beraten hier rund 1000 Menschen pro Jahr. Das Projekt ist erfolgreich. Die Quote der Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, ist laut Awo von 64 auf 44 Prozent gesunken.
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Ein Ziel der Migrationsberatung ist die Integration. Beispiele zeigen, dass das gelingt. Seit zwei Jahren gibt es den Verein „Ronak“, gegründet von Khosnao Sulaiman. Der Kurde kam 2015 aus Syrien und wollte sich engagieren. Bei der Gründung des Vereins unterstütze ihn die Awo, mittlerweile gehören rund 300 Familien dazu. Im Verein wollen die Mitglieder die Kultur eines Volkes bewahren, das keinen eigenen Staat hat. Sechs Lehrer bieten Kurdischkurse an, sodass Kinder zweisprachig aufwachsen können – deutsch und kurdisch. An den Kursen nehmen aber nicht nur die kurdisch-stämmigen Menschen teil, es gibt auch Deutsche, die die andere Sprache lernen. Salaiman sagt: „Wir wurden herzlich in Deutschland aufgenommen. Um so wichtiger ist es uns, dass wir die Menschen hier mindestens zweimal herzlich in unserer Kultur aufnehmen.“
Integration klappt – das zeige ein Gang durch Wattenscheid
Khadija Delbaz und Mustafa Calikoglu wollen durch positive Beispiele zeigen, dass Integration funktioniert und wertvoll ist. „Natürlich braucht es Zeit und Unterstützung, aber dann klappt es auch.“ Das sehe man beim Gang durch Wattenscheid immer wieder. Einige Leerstände konnten gefüllt werden, mit Bäckereien, Friseursalons oder Restaurants von Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kamen.