Recklinghausen/ Gladbeck. . Den Verbleib von 21 Menschen – 19 Erwachsene, zwei Jugendliche – konnte die für den Kreis Recklinghausen und Bottrop zuständige Polizeibehörde bislang nicht aufklären. Dazu zählt auch der Fall des vermissten Pierre Pahlke, dessen Familie in Gladbeck lebt.
Der Anruf ging kurz nach Mitternacht im Polizeipräsidium ein. Ein demenzkranker Senior war aus einer Recklinghäuser Klinik verschwunden. Ein Routinefall für die Beamten. Mit sage und schreibe 1300 Vermisstenmeldungen wird die Kreispolizeibehörde Jahr für Jahr konfrontiert.
Die meisten Angelegenheiten erledigen sich von selbst – im Guten. Auch der Senior kehrte von seinem „Spaziergang“ zurück. Manche Fälle nehmen jedoch ein schlimmes Ende oder bleiben ein Rätsel. Den Verbleib von 21 Menschen – 19 Erwachsene, zwei Jugendliche – konnte die für den Kreis RE und Bottrop zuständige Polizeibehörde bislang nicht aufklären.
Die Fälle liegen teilweise viele Jahre zurück: 2004 steigt in Castrop-Rauxel ein demenzkranker Mann in einen Linienbus. Niemand weiß, wo er abgeblieben ist. 1993 verschwindet in Bottrop ein 15-jähriges Mädchen. Trotz intensiver Suche ergeben sich keine Hinweise. Aktueller Fall aus Gladbeck, der zum Glück gut ausgegangen ist: Vor wenigen Wochen verschwand eine 16-Jährige aus Gladbeck nach einem heftigen Streit in der Familie. Auf Facebook und Twitter verbreitete sich ihr Verschwinden wie ein Lauffeuer. Einige Tage später meldete sich das junge Mädchen dann bei der Polizei. Doch nicht alle Fälle können so schnell zu den Akten gelegt werden.
„Die Kollegen schleppen solch einen Fall ihr ganzes Berufsleben mit sich herum“, sagt Polizeisprecher Hans-Bernd Tekotte. Immer wieder würden die Akten hervorgeholt in der Hoffnung, dass sich neue Anhaltspunkte ergäben. Früher leitete Tekotte selbst eine Mordkommission, wurde mit Vermisstenfällen konfrontiert. Die Beamten, sagt er, haben ein Gespür dafür, wenn Gefahr im Verzug ist.
Die Polizei befragt Familie und Freunde
Fall Pierre bei Aktenzeichen XY
Ermittlungen laufen routinemäßig an. Die Polizei befragt Familie und Freunde, recherchiert mögliche Aufenthaltsorte. Manchmal verlangen die Umstände jedoch nach Hubschrauber und Hundertschaft. Etwa dann, wenn ein Unglücksfall vermutet wird. So war es zuletzt bei dem 19-jährigen Dattelner, der zu Karneval auf dem Weg von Olfen nach Hause zunächst spurlos verschwand. Seine Leiche wurde später aus dem Kanal geborgen.
Mehr Glück hatte ein 22-jähriger Student, der Ende 2013 in Datteln von einer Vorabi-Feier nicht nach Hause kam. Er war durch ein Hallendach gebrochen. „Wir hätten ihn nicht gefunden, wenn der Hubschrauberpilot nicht das Loch im Dach entdeckt hätte“, so Tekotte.
Bei Verdacht auf ein Kapitaldelikt übernimmt das KK 11
Vier Kommissariate bearbeiten bei der Kreisbehörde die Vermisstenfälle. Ist die Person länger als 28 Tage verschwunden oder besteht der Verdacht eines Kapitaldelikts, übernimmt sofort das für schwere Verbrechen zuständige KK 11. Es ermittelte auch im Fall der 18-jährigen Recklinghäuserin. Aus der Vermisstensuche wurde ein aufsehenerregender Kriminalfall. Die junge Frau war drei Tage lang eingesperrt und missbraucht worden, konnte sich dann selbst befreien. Ihr Peiniger steht zurzeit vor Gericht.
Der Fall Pierre Pahlke
Seit dem 17. September 2013 fehlt von dem geistig behinderten Pierre Pahlke jede Spur. Die „Aktenzeichen XY“-Sondersendung „Wo ist mein Kind?“ greift den erschütternden Kriminalfall am 21. Mai auf. Ein Team drehte für die Sendung eine Woche lang in Essen – und hofft auf neue Hinweise.
Schon seit bald sieben Monaten suchen sie fieberhaft nach Pierre Pahlke aus Gladbeck . Nach dem sympathischen Blondschopf, der spurlos verschwunden ist und schlimmstenfalls Opfer eines schrecklichen Kapitalverbrechens geworden ist. Hubschrauber haben sie an den Himmel und Hundertschaften in Büsche geschickt, Spürhunde schnüffelten sogar im Amsterdamer Rotlichtviertel, doch die ersehnte heiße Spur fanden sie nicht. Die letzte Hoffnung der Eltern und der Fahnder ist jetzt die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“, die am 21. Mai das Spezial „Wo ist mein Kind?“ ausstrahlt und den erschütternden Kriminalfall Pierre aufgreift.
Donnerstagabend, der „Klosterberghof“ des Franz-Sales-Hauses in Essen: Es ist der vierte und vorletzte Drehtag des Aktenzeichen-Teams in Essen. „Wir hoffen, neue Hinweise und Ermittlungsansätze im Fall Pierre Pahlke zu erhalten“, sagt Bianka Schneider, die Autorin des aufwändigen 10-Minuten-Films.
„Wo ist eigentlich Pierre?“, fragt Markus beim Abendessen
Eigentlich müssten sie in der „Heimstatt Engelbert“ drehen , in jenem Haus, in dem der geistig behinderte 21-Jährige bis zum 17. September 2013 lebte. Doch um erneute Unruhe unter den Bewohnern zu vermeiden, haben sie den Dreh in eine Wohngruppe in Horst verlegt. „Wo ist eigentlich Pierre?“, fragt Markus, der in Wirklichkeit Christian Holthaus heißt, kaufmännischer Angestellter ist und Pierres Betreuer spielt. Er fragt in die Runde, die gerade das Abendessen einnimmt. Denn an dem großen Tisch fehlt an diesem Abend einer.