Marl. Dass Stefan H. noch lebt und sich bei dem schweren Bahnunglück auf der Marler Straße nur einen Finger brach, ist ein doppeltes Wunder. Sein Passat Kombi wurde auf dem Bahnübergang zwischen Marl und Hamm-Bossendorf von gleich zwei Zügen vollkommen zerfetzt. Jetzt stand er vor Gericht.

Am Montag musste sich der 40-jährige Kraftfahrer wegen des Unfalls vor dem Marler Schöffengericht verantworten. Die Anklage wirft dem Berufskraftfahrer aus Recklinghausen einen fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr vor.

Stefan H. hat das spektakuläre Bahnunglück erstaunlicherweise gut überstanden. Mit ruhiger Stimme erzählt er dem Gericht, was am Abend des 10. Januar geschehen ist. "Ich war bei einem Freund in Sickingmühle und fuhr nach Hause", sagt der 40-Jährige, der an diesem Abend auch seine drei Hunde im Auto hat.

"Ich sah nur noch drei Scheinwerfer"

Ein Spitzmischling und der West-Highland-Terrier sitzen im Kofferraum, die gerade ein Jahr alte italienische Antik-Dogge (Stockmaß circa 70 Zentimeter) liegt ungesichert auf der Rückbank, die durch ein Netz vom Kofferraum abgetrennt ist. Plötzlich wird es hinten unruhig. "Der Wessie muss wohl durch eine Lücke im Netz auf den Rücksitz gesprungen sein. Es hörte sich an, als ob sich die Dogge in den kleinen Hund verbissen hat. Ich wollte mit meiner Hand dazwischen gehen", erzählt der Angeklagte.

Als sich Stefan H. während der Fahrt nach hinten umdreht, um die Hunde voneinander zu trennen, sei er schon zwischen die beiden Halbschranken geraten. Dann geht alles blitzschnell: Die heran nahende Regionalbahn erwischt den Kombi vorne rechts, der auf das zweite Gleisbett geschleudert wird. Stefan H.: "Ich sah nur noch die drei Scheinwerfer des entgegen kommenden Zuges vor mir...."

Zug schleift Autowrack mehrere hundert Meter weit

Stefan H. gelingt es im letzten Moment, aus seinem Auto zu klettern: "Es gab einen Knall, mein Auto war weg, und dann war Ruhe."

Der Zug schleift das Wrack mehrere hundert Meter weit. Zwei Hunde kommen ums Leben, der Wolfsspitz überlebt wie durch ein Wunder unverletzt. Den bei dem Unglück entstandenen Sachschaden in Höhe von rund 400 000 Euro hat die Versicherung des Angeklagten beglichen. Seinen eigenen Schaden (circa 5 000 Euro) muss er selbst bezahlen.

Grob fahrlässig gehandelt

Grob fahrlässig sei es gewesen, dass der Angeklagte seine Hunde im Auto nicht richtig gesichert und nicht sofort angehalten hat, als die Hunde auf der Rückbank aneinander gerieten, stellt das Schöffengericht fest.

Es verurteilt den geständigen, nicht vorbestraften Angeklagten wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45 Euro. Seinen Führerschein darf der Recklinghäuser behalten.