Vest. . Die Migrationssoziologin Marion Lillig hilft Flüchtlingen, die keinen Pass und keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben, in Deutschland Fuß zu fassen. Immer wieder stößt sie dabei an bürokratische Hürden.

Miriam (31, Name von der Redaktion geändert) reiste vor über 30 Jahren mit ihren Eltern aus dem Libanon ein. Die Familie flüchtete vor dem Bürgerkrieg und suchte in Deutschland Asyl. Miriam stürzte sich voller Ehrgeiz auf eine Schulbildung, lernte perfekt Deutsch, absolvierte die Fachoberschulreife mit Qualifikation – und musste bald feststellen, dass sie gerade erst den Startblock verlassen hatte und ein schier unüberwindbarer Hindernisparcours vor ihr lag. Denn Miriams Aufenthalt in der Bundesrepublik ist seit über 30 Jahren ungesichert. Auch das ihrer Kinder (13,12, 7), die in Deutschland geboren sind und zur Real- bzw. Grundschule in Dorsten gehen. Miriams Familie ist nur geduldet und wer unter dem Damoklesschwert einer Abschiebung steht, hat keine Chance auf Arbeit, geschweige denn einen Ausbildungsplatz.

750 Menschen nehmen an dem Projekt aktuell teil

Dass die 31-Jährige heute eine Ausbildung zur Büro- und Einzelhandelskauffrau absolviert, hat sie ELNet zu verdanken. Das Integrationsprojekt für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge im Emscher-Lippe-Raum ist ein Programm, das mit Mitteln des europäischen Sozialfonds und des Bundesarbeitsministeriums Flüchtlinge an den Arbeitsmarkt heranführt. ELNet (früher Jobnet) ist für die zehn Städte im Kreis sowie Bottrop und Gelsenkirchen zuständig. Aktuell nehmen 750 Menschen teil.

Viele von ihnen hat Dr. Marion Lillig beraten – und ihre Schicksale kennengelernt. An die Migrationssoziologin, die ihr Büro an der Kemnastraße in Recklinghausen hat, aber meistens Hausbesuche macht, weil sich die Bewerber die Fahrkarte nach Recklinghausen nicht leisten können, kann sich wenden: wer keinen deutschen oder einen EU-Pass hat; wer eine befristetet Aufenthaltsgenehmigung hat; wer eine Arbeitserlaubnis besitzt oder länger als zwölf Monate in Deutschland lebt; wer eine Qualifizierung, Ausbildung oder Arbeit sucht.

Ohne Pass gibt es keine Arbeit

Letzteres hilft Lillig zu vermitteln – und stößt gegen bürokratische Hürden. Denn ein Asylbewerber, so sieht es die deutsche Gesetzgebung vor, darf nur einen Job annehmen, den wirklich kein Deutscher, kein EU-Ausländer, kein Flüchtling mit gesichertem Aufenthaltsstatus machen will oder kann. Selbst wer mit einem Arbeitsangebot hoffnungsvoll zur Ausländerbehörde des Kreises geht, scheitert, wenn er keinen Pass hat. Ohne Pass keine Arbeit. Und ohne Arbeit gibt es kein Bleiberecht. Es ist dieser Teufelskreis, in dem Marion Lillig versucht, zu vermitteln.

„Flüchtlinge verfügen oft notgedrungen nicht über entsprechende Papiere“, weiß Lillig. So verließ Miriams Familie Hals über Kopf ihr Land – ohne ihr Hab und Gut und ohne Papiere. Jetzt hat die Familie große Schwierigkeiten, einen Staatsangehörigkeitsnachweis zu erbringen. Von der Ausländerbehörde des Kreises Recklinghausen wird gleichwohl die aktive Mitwirkung bei der Pass-Beschaffung erwartet. Oder es drohen wirtschaftliche Sanktionen wie die Streichung des monatlichen Taschengeldes – 40,90 Euro sind dies in bar.

Fahrgeld zum Bewerbungstraining wurde gespendet

Als das Bildungszentrum des Handels in Recklinghausen kürzlich ein 14-tägiges Bewerbungstraining anbot, konnten sechs Teilnehmer aus den Kommunen, in denen die Bleibeberechtigten und Flüchtlinge Gutscheine statt Bargeld erhalten, nur teilnehmen, weil die 86 Euro Fahrgeld gespendet wurden. Dabei ist Lillig sicher, „dass alle sechs Teilnehmer nach dem Training eine Arbeit bekommen“.