Dorsten. .

Das Konzept hat Charme: Man nehme zwei Gruppen von Fotografien aus zwei früheren Ausstellungen, füge sie mit neuen Bildern zusammen – und die Zusammenschau vermittelt ganz neue Einsichten. „Gesichter der Einwanderung“ zeigt die Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen, je zur Hälfte mit Arbeiten der Marlerin Nevin Toy-Unkel und des Dortmunders Dirk Vogel.

Je 15 Aufnahmen zeigen Angehörige der größten und einer der kleinsten Einwanderer-Gruppen: Deutsch-Türken und die vor 20 Jahren so genannten jüdischen „Kontingent-Flüchtlinge“ aus Russland und anderen Ländern der einstigen Sowjetunion. Außerdem, sagt Thomas Ridder, der Kurator des Museums, „ist es ein Trostpflaster für Dirk Vogel“: Das (nach wie vor als Wanderausstellung erhältliche) Kulturhauptstadtprojekt „Angekommen?!“ zeigt seine Porträts aus den Jüdischen Kultusgemeinden von Recklinghausen bis Duisburg nur im Kleinformat.

Nevin Toy-Unkel, die 42-jährige Fotografenmeisterin, zeigte einen Teil ihres Bilder-Beitrages bereits in der „Angekommen im Vest“-Schau auf Auguste Victoria. Damals waren Doppel-Porträts gefragt. „Ich suchte Leute, die angekommen sind“, sagt die in Istanbul geborene Marlerin. Sie fand einen Zahnarzt in Recklinghausen („den müssen sie kennenlernen“), eine Korsagen-Schneiderin in Marl, ein streng gläubiges Ehepaar – Bauingenieur und Architektin, „für die ein Leben in der Türkei nie in Frage käme“.

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Thomas Ridder – der im Jüdischen Museum erstmals eine Ausstellung kuratiert, die „über unser jüdisches Thema hinaus“ reicht – fasziniert die Melange aus Trennendem und überraschenden Übereinstimmungen. In den Synagogen-Gemeinden „fremdeln“ die älteren Zuwanderer, die teils erst im Rentenalter die GUS-Staaten verließen. In der jungen Generation dagegen scheint sich die steile Aufstiegs-Karriere zu wiederholen, die das deutsche Judentum bereits in den rund hundert Jahren bis 1933 ausgezeichnet hatte. Dirk Vogels Bilder zeigen selbstbewusste junge Menschen, die vor einer großen Menora posieren – oder sogar in einem T-Shirt der israelischen Streitkräfte.

Auf den querformatigen Fotos von Nevin Toy-Unkel zeigen sich Stolz und Selbstbewusstsein weniger auftrumpfend. Die Lebens-Situation der zweiten und dritten Generation der Deutsch-Türken zeigt sich eben zwiespältiger.

„40 000 Akademiker sind im letzten Jahr in die Türkei eingewandert“, sagt die Marlerin. „Ja, auch für mich wäre es ein Option. Ich bin gerne in Istanbul.“ Während sie in Marl aufwuchs, erzählt die 42-Jährige, „hat sich die Frage der Rückkehr nie gestellt“. Den Knacks in der respektvollen Annäherung früherer Jahre sieht sie in der Zeit nach den Terror-Anschlägen des 11. September 2001. „Vor zehn Jahren musste ich mich nicht so rechtfertigen wie heute. Wir haben viel versäumt.“

Die Menschen, die sie oft über Freunde kennen lernte, um sie zu fotografieren und die natürlich auch Gesprächspartner für biografische Interviews waren (wie bei Dirk Vogel für die jüdischen Lebenswege), machen deutlich: Um die Integration könnte es schon viel besser stehen. Hakky Özer, der Zahnarzt, sagte, er fühle, denke und handle deutsch. „Aber wir werden nicht so wahrgenommen.“

Den Begriff „Parallel-Gesellschaft“ wählt Thomas Ridder. Aber er meint jene kleineren Synagogen-Gemeinden, in denen die älteren Zuwanderer ihre Clubs finden, ihre Bücher bestellen, Schach spielen – alles in russischer Sprache. Dirk Vogel betont: „Die jungen Leute sind ganz anders.“