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Die Liste ist lang. 228 Namen lang. Sie nennt die Todesopfer der Euthanasie aus dem Kreis Recklinghausen in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft.

228 Vornamen, 228 Anfangsbuchstaben der Nachnamen, 228 Geburts- und Todesdaten. Mehr ist aus Gründen des Datenschutzes nicht bekannt. Hinter jeder diese dürren Daten steht eine Geschichte, ein Leid und ein Mensch. Sie aus der Anonymität nackter Listen zu holen und ihnen ein Gesicht zu geben, hat sich die Kreisvereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) zur Aufgabe gemacht.

Eine mühsame Aufgabe. Mit Aktenstudium, Bücherwälzen und der schwachen Hoffnung auf einen Glücksfund und vor allem darauf, dass sich Nachfahren der Opfer finden lassen, die die Geschichte ihres Vaters, Onkels, ihrer Schwester, Mutter, Geschwister oder Tante erzählen möchten. „Das Thema ist sehr sensibel“, sagt VVN-Kreisvorsitzender Detlev Beyer-Peters.

Aus Scham, aus Furcht, aus dem Wunsch zu verdrängen, oder weil kein Angehöriger mehr lebt, ist es schwer, Menschen zu finden, die von jenen 228 Ermordeten erzählen. „Wir wollen“, so Beyer-Peters, „die Schicksale von Opfern, die unter Zwangsmaßnahmen und Verboten gelitten haben oder ihres Lebens beraubt wurden, aufarbeiten und der Vergessenheit entreißen.“

Hoffungsschimmer

Dabei gibt es den ersten kleinen Hoffnungsschimmer. Der hiesige VVN hat die Erlaubnis der Angehörigen erhalten, die Geschichte eines der Opfer aus Recklinghausen zu recherchieren. „Und vielleicht bekommen wir auch die ‚Gelegenheit, sie öffentlich zu machen“, so Beyer-Peters.

Gegen das Vergessen. Dieses Motto schwebt über allen Anstrengungen von Beyer-Peters und seinen Mitstreitern wie Manfred Schwirske oder von Annika Althaus und Melanie Queck, die Awo-Wohnstätten in Herten und Marl leiten. Die Bewohner der Marler Awo-Wohnstätte möchten ihrer Einrichtung in diesem Jahr, in der sie zehn Jahre alt wird, einen Namen mit Bedeutung geben. Das Haus an der Kaiserstraße in Herten sucht seit geraumer Zeit nach einem Namen für seine Einrichtung. „Es soll sich aber nicht anhören wie ein Kindergarten“, sagt Annika Althaus. Vielmehr sei es der Wunsch der Bewohner, den Namen einer Person zu finden, die in der NS-Zeit verfolgt wurde. Möglicherweise eines Euthanasieopfers. Auch deshalb arbeitet Althaus im „Hertener Arbeitskreises gegen Vergessen“ mit.

Am Freitag, 27. Januar, will die Gruppe mit einer Mahnaktion auf ihr Ziel aufmerksam machen. Sie will öffentlich erinnern. Mit einer Videoinstallation vor der Wohnstätte an der Kaiserstraße von 17 bis 19 Uhr, wo außerdem Lichter aufgestellt werden mit den Vornamen und abgekürzten Nachnamen der 29 ermordeten Euthanasieopfer aus Herten. Beides soll dazu beitragen, Licht ins Dunkel zu bringen.