Marl. Der gefährliche Sexualstraftäter, der Anfang des Jahres wegen einer Justiz-Panne aus der Haft entlassen werden musste, lebt in Marl. Die Stadt erfuhr erst am Dienstagmorgen vom Hintergrund des 62-Jährigen. Er war in der Nähe einer Grundschule untergebracht.
Es gebe richtig gute Tage in dem Job. „Das heute ist keiner”, sagt der Bürgermeister der Stadt Marl. Der Blick von Werner Arndt (49, SPD) senkt sich immer wieder. Seine Stimme ist nicht nur durch eine Erkältung gestresst, auch durch die Ereignisse. Die Dezernenten Dr. Barbara Duka und Dr. Michael Gläseker hören nachdenklich zu als Arndt den versammelten Journalisten am Dienstagnachmittag mitteilt: „Der Sextäter, der durch eine Fristversäumnis auf freien Fuß gelangt ist, er ist in Marl...”
Damit sind die ärgsten Befürchtungen der Staatsanwaltschaft Essen, die sie tags zuvor formuliert hatte, prompt eingetroffen. Der Aufenthaltsort eines 62-jährigen Sextäters, der durch eine peinliche Justiz-Panne, durch eine versäumte Frist, am 5. Januar auf freien Fuß, statt in Sicherungsverwahrung gekommen war, wurde gerade mal 24 Stunden später bekannt. Es ist Marl – und der Bürgermeister der Stadt informierte die Öffentlichkeit nur wenige Stunden, nachdem die Verwaltung davon erfahren hatte.
Seit dem 25. Januar in Marl gemeldet
Demnach ist Hans H., der laut Gutachter als „gefährlich” gilt und unter anderem wegen Mordversuchs und sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde, seit dem 25. Januar in der Chemiestadt gemeldet. Er habe sich, so Arndt, im Rathaus als Wohnungsloser vorgestellt und um eine Unterkunft gebeten, die er zugewiesen bekam: „Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihm als Wohnungslosem eine Unterkunft zu stellen und wir kannten den Hintergrund des Mannes nicht.”
Die Polizei
Die Polizei wusste seit dem 19. Januar davon, dass sich Hans H. in Marl aufhält. Das bestätigte Sprecher Bernd Tekotte. "Wir haben seinen Aufenthaltsort zunächst aber nicht ermitteln können." Zeugen brachten die Beamten auf die Spur. Tekotte: "Wir haben dann mit dem Mann gesprochen, der rechtlich betrachtet ein freier Mann ist." Trotzdem habe die Behörde seither ein wachsames Auge auf den 62-Jährigen und halte ständigen Kontakt zu ihm.
Hans H. wurde in einer Sammelunterkunft am Lipper Weg untergebracht. Diese Quartiere hat die Stadt extra nicht dezentral angelegt, um Wohnungslosen die Gelegenheit zu geben am Leben teilzunehmen. In diesem Fall aber. . . Direkt gegenüber, gerade mal hundert Meter entfernt, befindet sich die Harkort-Grundschule, ein paar Meter weiter die Straße herunter die Sportanlage des Fußballvereins VfL Drewer. „Heute Morgen, nachdem wir es erfahren hatten, haben wir umgehend reagiert”, sagt Werner Arndt, sichtlich bedrückt angesichts der Ereignisse.
Die Polizei hält ihn ständig im Auge
Der Verwaltungsvorstand beriet sich und reagierte schnell: Hans H. wurde umquartiert. Mehr könne man als Stadt nicht tun, so Arndt. „Wir haben ihn an einer Stelle untergebracht, die aus unserer Sicht unkritischer ist.” Wo, das verrät Arndt nicht. Aber die Polizei, sagt ihr Sprecher Hans-Bernd Tekotte, habe ein wachsames Auge auf den Mann und halte ständigen Kontakt. Der Verwaltungsvorstand fürchtet ein zweites Heinsberg. Und der Bürgermeister erinnert sich nur zu gut an die zum Teil heftigen Reaktionen in der Bevölkerung, als vor Jahren die Diskussion um den Bau einer Forensik im Ortsteil Sinsen geführt wurde.
Der Marler Bürgermeister bezeichnet diesen Tag widerholt als keinen guten und bringt es auf den Punkt, was unasgesprochen blieb bis zu diesem Moment: „Ich bin selbst Vater von drei Kindern und kann mir vorstellen, welche Sorgen sich die Menschen machen. Und es wäre schön gewesen, wenn wir an dieser Stelle von einem Frühwarnsystem hätten profitieren können.” Aber Arndt appelliert auch an alle: „Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen.” Die Stadt habe zudem keine Handhabe gegen einen vom rechtlichen Standpunkt betrachtet freien Mann, der laut Sozialdezernentin Dr. Barbara Duka, gerade Leistungen bei der Arge beantragt habe.
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