Haltern am See. Nach dem Einsturz eines 239 Meter hohen Windrads in Haltern wurde jetzt eine Datenbox geborgen. Gibt sie Hinweise auf die Einsturz-Ursache?
Eine Woche nach dem Einsturz eines 239 Meter hohen Windrads in Haltern am See wurde nun die sogenannte "Bottom Box" geborgen. Experten hoffen, dass sich aus der Datenbox Hinweise zur Einsturz-Ursache ergeben.
Gegen 18.30 Uhr hatte am Mittwoch, 29. September, ein Förster das umgestürzte Windrad in einem Wald am Lembecker Weg in Haltern entdeckt. Nur noch ein etwa 40 Meter hoher Torso des Turms stand; der restliche Turm, die Turbinen-Kanzel und die je über 100 Meter langen Flügel lagen in Trümmern am Boden. Hinweise auf eine Straftat gebe es nicht, teilte die Polizei mit.
Einsturz von Windrad: Ermittlungen dauern noch Wochen
Von der Datenbox erhoffen sich Fachleute nun Aufklärung über den Grund des Einsturzes. Die Ursachenermittlung werde wohl Wochen, wenn nicht Monate dauern, erklärte ein Sprecher des Windkraftanlagenbauers Nordex aus Hamburg. Unter anderem würden die Reste des zerstörten Stahlrohrturms und der Rotorblätter untersucht und Proben entnommen, sagte er.
„Wir sind geschockt“, sagte Stadtwerke-Sprecher Thomas Liedtke am Morgen nach dem Einsturz auf Anfrage. Das fünf Millionen Euro teure Windrad war erst im März diesen Jahres in Betrieb gegangen. Ein baugleiches zweites Windrad steht 450 Meter entfernt, sagte Liedtke. „Die Anlage wurde noch am Mittwochabend vorläufig außer Betrieb genommen.“ Auch 22 weitere baugleiche Anlagen sind in zwischen vorsorglich abgeschaltet, teilte Nordex mit. Darunter auch ein Windpark in Jüchen.
Windkraftanlage kurz vor Eröffnungsfeier eingestürzt
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Von Glück im Unglück war zudem die Rede: Denn an der zweiten Anlage wäre am Donnerstag nach dem Einsturz die feierliche Einweihung der beiden Windkraftanlagen gewesen. Für 15 Uhr hatten Stadtwerke und die RAG Montan Immobilien GmbH zu einer Feier vor Ort eingeladen. Unter anderem geplant war eine Ansprache von Halterns Bürgermeister Andreas Stegemann. Die Einweihungsfeier, zu der mehrere Dutzend Gäste eingeladen worden waren, wurde abgesagt.
Nach Auskunft der Stadtwerke stand die Windkraftanlage auf einem Betonturm. Dies sei, hieß es am Donnerstag in Fachkreisen, eine typische Bauweise für derartige Groß-Anlagen. Vor Ort aber war zu hören, dass das betreffende Bauunternehmen angeblich insolvent sei. Die Stadtwerke konnten dies auf Nachfrage am Donnerstag nicht bestätigen.
Zweite, baugleiche Anlage wurde abgeschaltet
Übermäßig starken Wind habe es am Mittwochabend laut Stadtwerken in der Gegend nicht gegeben. Zudem seien derartige Windkraftanlagen so ausgelegt, „dass sie auch Orkane überstehen“, sagte der Sprecher.
Inwieweit der Einsturz der Anlage auch Auswirkungen auf den Betrieb des zweiten baugleichen Windkraftrades haben wird, sei noch nicht absehbar, sagte Stadtwerke-Sprecher Liedtke. Der Betrieb wurde bis auf weiteres eingestellt. Inzwischen haben Gutachter ihre Arbeit aufgenommen.
Windkraftanlage steht an einem ehemaligen Zechengelände
Eigentümer der beiden Windkraftanlagen ist die Windpark Haltern AV9 GmbH, eine Kooperation von RAG Montan Immobilien GmbH und den Stadtwerken Haltern am See. Nach Aussage eins RAG-Sprechers sei die Anlage vor dem Einsturz einwandfrei gelaufen. Die Windräder stehen in einem Wald südliche der ehemaligen Zechenanlage Auguste Victoria 9 der RAG. (externer Link)
Bei der betroffenen Anlage handelt es sich laut dem Bundesverband Windenergie um das Modell N-149 des Herstellers Nordex. Das Modell hat eine Nabenhöhe von bis zu 164 Metern, die je drei Rotoren sind 149 Meter lang. Das betreffende Windrad zählt zu den derzeit größten sogenannten Onshore-Windrädern (auf Land) in Deutschland und kann vier bis 4,5 Megawatt Leistung erzielen.
Laut der RAG-Tochter seien in den Bau der beiden Windkraftanlagen insgesamt 10,8 Millionen Euro investiert worden. Die Anlagen sollen je nach Wind im Jahr bis zu 23 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen und können damit etwa 6600 Drei-Personen-Haushalte mit ‘grünem’ Strom versorgen. Nordex hat die Herstellung dieses Modells vorerst eingestellt.
„Glück, dass keine Personen zu Schaden kamen“
„Wir haben Glück, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind“, sagte Stadtwerkesprecher Liedtke. Der direkte Bereich des Windrades sei als Betriebsgelände abgesperrt, im weiteren Umfeld jedoch können sich auch Spaziergänger aufhalten.
Im April 2020 gab es in Haltern ebenfalls einen Windrad-Unfall. Damals knickte ein Tonnen-schwerer Flügel von einem gut 200 Meter hohen Windrad ab. Das 114 Meter lange Rotorblatt stürzte auf die nahe Bundesstraße B58, die gesperrt werden musste. Als Ursache wurde ein Produktionsfehler festgestellt, hieß es am Donnerstag auf Nachfrage beim Betreiber. Die betreffende Anlage war fünfeinhalb Jahre alt. Seit Dezember 2020 läuft sie wieder. Es wurden drei neue Rotorblätter montiert.
Zahl von Havarien bei Windkraftanlagen ist verschwindend gering
Dass Windkraftanlagen havarieren, ist nach Angaben des Bundesverbands Windenergie „die große Ausnahme“: Bundesweit wurden Ende Juni dieses Jahres insgesamt 29.715 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 55.772 Megawatt gezählt. Dem Verband sind nach eigenen Angaben sechs Fälle von Komplett-Einstürzen seit 2005 bekannt. „Erweitert man die Art des Schadens auf Abstürze von Rotorblättern, Rotor-Teilen oder der gesamten Gondel, ergibt sich bislang eine Gesamtzahl von 34 Schadensereignissen“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. „Für 2021 sind uns bisher keine Zwischenfälle dieser Art bekannt. Unsere interne Statistik erfasst Zwischenfälle seit 2005.“
Standtürme würden zumeist von spezialisierten Zulieferern bezogen, sagte ein Anlagenbetreiber am Donnerstag auf Anfrage. Windenergieanlagen bestehen aus einem Betonfundament, erklärt dazu der Bundesverband Windenergie: „Der Turm wird, je nach Art der Anlage, aus Stahlbeton oder Stahlrohren gebaut. Türme aus Stahlrohren sind die am weitesten verbreitete und gängigste Konstruktionsart.“