Recklinghausen. . Mit einer autobiografischen Solo-Comedy-Show gastiert die deutsch-amerikanische Schauspielerin Lucie Pohl erstmals bei den Ruhrfestspielen.
Der Titel lässt aufhorchen. Soll er auch. Doch wenn Lucie Pohl Ende Mai bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen an fünf Abenden "Hi Hitler" ruft, geht es um ein Missverständnis - und mehr. Die 32-jährige Schauspielerin ist mit einer Solo-Comedy-Show zu Gast, die unter anderem in New York, London und beim legendären Fringe-Theaterfestival in Edinburgh für ausverkaufte Theater sorgte.
Lucie Pohl? Klingt nach US-Amerikanerin, sie hat aber einen deutschen Pass. Und schon ist man in ihrem Lebens-Thema: Kann man da trennen? Geboren in Hamburg, kam sie als Achtjährige mit ihren Eltern nach New York. Später machte sie in Berlin ihre Schauspielausbildung. Drüben war sie die Deutsche, hier dann 'ein Ami'. Als sie später wieder in den USA leben wollte, stellten sich die dortigen Einwanderungsbehörden quer. Schließlich erkämpft sie sich ein Visum. Eines, das sie als "Alien" klassifiziert - mit "besonderen (künstlerischen) Befähigungen".
"Hi Hitler" ist eine autobiografische Solo-Comedy-Show
Von denen kann man sich nun vom 19. bis 23. Mai in Recklinghausen beim Fringe-Festival im Rahmen der Ruhrfestspiele überzeugen. "Hi Hitler" ist ein Comedy-Programmtitel der irritiert, möglicherweise sogar schockiert - und einen vielleicht deshalb in die Geschichte zieht. Die erzählt Lucie Pohl "hoch energetisch", wie sie beschreibt, und im atemberaubenden Wechsel von Deutsch und Englisch. Es geht um ihre Suche nach Heimat. Hitler ist da letztlich nur eine Randfigur in der Show.
Lucie Pohl erzählt davon, wie es sie geprägt hat, sich immer wieder fremd zu fühlen. Und wie sie schließlich eine Stärke daraus gemacht hat und dem inneren Drang nach dem sich-Anpassen trotzte. Sie will ihr Publikum zum Lachen bringen. Aber auch Mut machen, "das, was man als Manko an sich entdeckt, als Stärke zu werten". Nicht zuletzt das Hickhack um ihr USA-Visum hat sie dazu gebracht, "mein eigenes Ding zu machen, meine eigenen Stücke zu schreiben". "Hi Hitler" ist ihr erstes eigenes Bühnenprogramm, daneben ist sie auf Theaterbühnen aktiv, ist Kino- und Fernsehschauspielerin, Sprecherin für Synchron, Trickfilm, Werbung, Sprachsoftware - und die deutsche Stimme der "Audio Guides" im weltberühmten MOMA in New York.
Vom Leben im und mit dem "Pohl-Zirkus"
Geboren wurde sie in eine deutsch-jüdische Künstler-Familie, die unter den Nazis 1933 entwurzelt und zur Flucht nach Rumänien gezwungen wurde, später nach Bayern kam und dort - tja - sich fremd fühlte und dagegen ankämpfte. Dies sollte auch Lucie Pohls Schicksal werden, für die das Jüdische "ein fester Bestandteil von mir und meiner Familie" ist.
Die US-Kritik lobte Pohls Show wortspielreich als "German-jews heil-arious solo Blitzcomedy". Innerhalb von 60 Minuten erweckt Pohl in ihrer Comedy-Show gut 30 Charaktere auf der Bühne zum Leben; Menschen, die in ihrer bisherigen Biografie eine wichtige Rolle spielten. Auch Hitler; als Typ mit ulkigem Bart und komischer Sprache. Und "der Pohl-Zirkus", wie sie ihre Familie nennt; ihre Mutter ist die rumänische Sängerin Sanda Weigl, ihr Vater Autor und Schauspieler Klaus Pohl. Brecht-Witwe Helene Weigel gehörte zum Familienkreis, Schauspielerin Anna Thalbach ist eine Cousine von Lucie Pohl, Theaterregisseur und Intendant Jürgen Flimm ihr Patenonkel.
Lucie Pohl ist auf das deutsche Publikum gespannt
Ob ihre Show auch in Deutschland funktioniert? Die 32-Jährige ist "gespannt", sagt sie. Als sie "Hi Hitler" im vergangenen Jahr erstmals in New York an Off-Broadway-Theatern aufführte, lehnte die Deutsche Botschaft jedenfalls ihren Wunsch auf einen Eintrag in den Veranstaltungskalender ab: "Der Titel sei 'zu nah am Original'", habe man ihr geantwortet. "Ich war auch ziemlich naiv", meint Pohl rückblickend und lacht.
"Offen, freundlich, witzig, flink und 'street smart': so beschreibt sie ihre amerikanische Seite. Als deutsche Eigenschaften nennt sie ihren Hang zur Pünktlichkeit, gutem Frühstück - und die Liebe zu David Hasselhoff. Dass sie als Vierjährige ein Faible für Adolf Hitler entwickelte - es war ein kindlicher Spleen: "Ich fand ihn einfach lustig, ich hatte ja auch keine Vorstellung vom Bösen". Und den Nazi-Gruß "Heil" verstand sie als Kind als "Hi - so, wie man eben zu jemandem Hallo sagt".
Lucie Pohl, "Hi Hitler", vom 19. bis 23. Mai, jeweils 20.30 Uhr im "Drübbelken", Münsterstraße 5, Recklinghausen; Karten kann man online buchen oder am Telefon unter 0 23 61/92 18-0.