Velbert. .
Ein Mann setzt sich auf die Theater-Bühne im Forum. Genauer setzt er sich auf einen Schreibtischstuhl neben einen Flügel. Er fläzt sich auf dem Drehstuhl, wirkt müde und wenig motiviert.
Hagen Rether heißt der Mann, ist Anfang 40 und hat etwas ganz besonderes – die beste Gute-Nacht-Geschichte-Vorlese-Stimme. Sie umschmeichelt das Ohr und lässt den Alltag vergessen. Allerdings nur kurz. Seine Worte fesseln von Beginn an, mehr noch, sie wühlen auf verschiedenen Ebenen auf.
„Willkommen Velberter Kulturelite. Ich freue mich, dass ich für Sie heute Abend spielen will!“ Hmm, lacht das Publikum oder ist es beleidigt? Rethers Gäste applaudieren. Für ein zu spät zur Aufführung kommendes Paar lässt er das Saallicht anknipsen und begleitet sie in die Reihenmitte – mit Loungemusik am Klavier. Dabei sitzt er aufrecht auf seinem Schreibtischstuhl.
Mobilität in den Gedankenspielen
Dieser Stuhl scheint zu ihm zu gehören wie der Flügel und das Glas Wasser am Bein des Instruments. Er stöhnt erschöpft, wenn er sich im Sitzen bückt. Rether wirkt bei seinen Bewegungen lethargisch.
Seine Mobilität beweist er in seinen Gedankenspielen. Dabei reist er durch die ganze Welt und spricht über die „Widersprüchlichkeit und Komplexität des Miteinanders“.
Das Papamobil beispielsweise bezeichnet er als Monty-Python-Nummer: „Der Papst sitzt im Panzerglaskasten und predigt Gottvertrauen.“ Ob er Angst vor seinen Schäfchen habe, fragt der 41-Jährige. Und was wohl geschehe, wenn der Wolf mal käme?
Er macht auch nicht Halt vor der Integrationspolitik, definiert sie gar: „Integration findet zwischen Herz und Bauch statt.“ Und weiter: „95 Prozent beschimpfen 5 Prozent, weil sie sich nicht integriert haben.“ Mehmet Özil, gibt er ein Beispiel, sei integriert, in Deutland geboren, versemmle aber „jedes Dativ“. „Wenn du Erfolg hast, kannst du reden wie er.“ Nur wenige hätten aber Erfolg.
Die Töne sind entscheidend
Rether reist gedanklich nach Amerika und China, benennt einen Unterschied der großen Staaten. „China foltert sein eigenes Volk.“ Bin Laden titelt er als Terrorist a.D., aber es gebe schon die Al Qaida Zwei Punkt Null.
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Das Haus von George Orwell, säuselt er, sei heute ein Museum und von Kameras überwacht ... Das Publikum wisse das, „klar, die Klugscheißer müssen sich ja auch irgendwo treffen!“ Brillant, amüsant, witzig, fesselnd, intelligent, gebildet, wertend und überblickend zeigt sich Hagen Rether im Forum. Dabei klimpert er auf dem Klavier rum, das genauso wenig die Intonation nötig hat, wie der Kabarettist selber. Die Töne sind entscheidend.
„Wir haben Hornhaut auf der medialen Seele“, behauptet er und reduziert sich auf seine feine und gewählte Wortwahl. Zustimmend nimmt das Publikum seine Gedanken auf. Hochachtung vor dem Mann, der nur mit seinen Formulierungen ein ausverkauftes Forum zwei Mal 90 Minuten fesseln kann.
Der Abend gestaltet sich zu einem allumfassenden Tritt in das Gesäß des Hirns der Gäste. Rethers Essenz und sein Appell: „Demut vor der Schöpfung und Nächstenliebe – fertig.“