Velbert. Seit sechs Jahren findet sich kein Käufer für die ehemalige Friedenskirche. An Abriss ist nicht zu denken. Weshalb das Gebäude ein Sorgenkind ist
Die Autos, die an der viel befahrenen Straße vorbeifahren, hört man nur noch leise. Durch die bunten Glasfenster dringt warmes Licht, es ist angenehm kühl und vor allem herrlich still.
Es riecht nach Holz, ein wenig nach den dicken Betonwänden und vielleicht ein klein wenig nach Staub. Die silbernen Orgelpfeifen ragen hinter dem Abendmahltisch hervor. Lediglich ein Kreuz fehlt, dazu das Läuten der Glocken, ein paar Gläubige und ein Pfarrer. Doch in der Friedenskirche in Velbert werden schon seit sechs Jahren keine Gottesdienste mehr abgehalten.
Velberter Friedenskirche steht seit sechs Jahren leer
„Wir haben die Kirche entwidmet“, erklärt Presbyter Wilfried Schwalfenberg, „das Kreuz hängt nun im Gemeindehaus“. Er ist der Mann, der immer noch den Schlüssel zu der Kirche und somit auch ein Auge auf das Gebäude hat. Denn seit 2018 ist es still im ehemaligen Gotteshaus geworden.
„Der Beschluss, eine Kirche aufzugeben, fällt nicht vom Himmel“, erklärt der Presbyter. „Immerhin haben hier alle Höhepunkte des Lebens stattgefunden“. Er zählt auf: „Taufe, Konfirmation, Hochzeit und ja, auch mal eine Beerdigung“. Drei Kirchen hat die evangelische Kirchengemeinde aufgegeben. Auch die Johanneskirche. Sie wurde bereits abgerissen. „Und ich wünschte mir, der Bagger würde hier auch anrollen“, sagt Wilfried Schwalfenberg.
Denkmalschutz macht neue Nutzung der alten Kirche schwierig
Denn die Kirche – obwohl: man müsste eigentlich sagen, das frühere Kirchengebäude, das an der Kreuzung zwischen der Nevigeser- und der Schmalenhofer Straße liegt – wurde nahezu zeitgleich mit der Standortaufgabe zum Denkmal erklärt.
Dass dies zu einem großen Problem werden würde, war der Gemeinde damals noch nicht klar. Denn wer sich für das Gebäude interessiert, das die Kirchengemeinde durchaus gern veräußern würde, muss nicht nur eine Umnutzungsgenehmigung beantragen, sondern sich auch bei Renovierung und Nutzung an die Auflagen der Denkmalbehörde halten. Und da stoßen die meisten Interessenten an ihre Grenzen: „Bei einer Anfrage kam der Wunsch auf, die Betonwände weiß zu streichen“, erinnert sich Wilfried Schwalfenberg, „hat die Denkmalbehörde abgelehnt.“ Und es geht weiter: Auch die Orgel und die Sitzbänke, die ja als Zubehör im eigentlichen Sinne nicht zum denkmalgeschützten Gebäude gehören, müssen an Ort und Stelle bleiben. Äußerst ärgerlich, denn für die Orgel gab es auch schon einmal einen Kaufinteressenten.
Tisch für Abendmahl statt Altar
Und so steht Wilfried Schwalfenberg, im leeren ehemaligen Gotteshaus, das zugegebenermaßen mit seinem ganz persönlichen Charme besticht. Nackter Beton wechselt sich mit bunten, verspielten Glasfenstern. Die Decke ist mit Holz vertäfelt und die Bänke, auf denen einst bis zu 440 Menschen Platz fanden, sind dem schräg nach unten verlaufenden Boden millimetergenau angepasst.
Am tiefsten Punkt der Kirche befindet sich der Tisch für das Abendmahl. Kein Altar, „da hat der Architekt sich damals schon was bei gedacht“, erklärt der Velberter Presbyter nicht ohne Stolz. „Denn Altar, da steckt das Wort oben drin, soll die Opfergaben näher an Gott bringen.“
Für „seine“ ehemalige Kirche hat der Velberter schon viele Anfragen bekommen und auch selbst viele Nutzungsideen gehabt. „Ich habe 20 Punkte auf meiner Liste“, sagt er und erinnert sich: „Da gab es auch schon verrückte Anfragen: Ein Ehepaar wollte das Gebäude als Alterswohnsitz mit Kirchhalle nutzen oder aber jemand fragte mal für einen Indoor-Kletterpark an.“ Doch Leben hat der Friedenskirche dann doch bislang niemand mehr eingehaucht.
Viele Fotos: Friedenskirche in Velbert ist seit 2018 Lost Place
„Die Kirche wurde 1967 eröffnet“, erinnert sich der Velberter. Nachdem der Bau-Beschluss etwa zehn Jahre zuvor getroffen wurde. Die Prognosen standen gut, viele christliche Flüchtlinge kamen nach Velbert, es war sogar einst geplant, dass der Standort an der Friedenskirche eine eigene Gemeinde werden sollte. Doch kurz nach Eröffnung der Kirche kam alles anders. „Es waren die 68er und es gab massive Kirchenaustritte.“ Und so schrumpften 20.000 Mitglieder zu 8000 (in der gesamten evangelischen Kirchengemeinde), als beschlossen wurde, dass der Standort geschlossen wird.
Heizkosten für Kirchengebäude nicht bezahlbar
Ohnehin war vor 60 Jahren alles anders: „Damals kostete ein Liter Heizöl vielleicht sieben Pfennig“. Vor dem 30 Zentimeter dicken Stahlbeton gibt es keine Isolierung, lediglich eine Schieferplatte. „So eine Bude bekommen Sie nicht warm“. Im Keller steht die schon lange stillgelegte Heizung. „Das ist schon ein kleines, ganzes Kraftwerk“, befindet Wilfried Schwalfenberg. Und auch wem die Kälte nichts ausmacht: „Wenn man über einen kulturellen Nutzen nachdenkt, fehlen hier einfach die Parkplätze.“ Und auch der Architekt hätte immer noch ein Wörtchen mitzureden, oder auch der Glasbauer. Denn 70 Jahre lang besteht für sie das Urheberrecht. Für kulturelle Veranstaltungen gibt es ebenfalls Hürden, wie Brandschutzbestimmungen.
Mittlerweile ist vor dem Haupteingang ein Bauzaun errichtet. Plakate weisen Passanten auf die Gefahr hin, die vom Kirchturm ausgeht. Immer wieder bröckelt hier etwas vom Beton ab. Und so wünscht sich Schwalfenberg, „dass hier endlich mal die Bagger anrollen würden.“ Doch da macht die Denkmalbehörde nicht mit. „Da ist man als Eigentümer nahezu rechtlos“, bedauert der Presbyter. „Doch so wie es ist, kann es nicht bleiben“, weiß er und hofft darauf, dass eine Neufassung des Denkmalschutzgesetzes aus dem vergangenen Jahr irgendwann einmal Erleichterung bringt. Denn: „Es heißt nun, dass die weitere Benutzbarkeit eines Gebäudes im Vordergrund steht. Und so wie das Haus hier steht, ist es eben nicht nutzbar.“