Velbert/Hattingen. Eine Hattingerin wollte ihr Kind im Velberter Krankenhaus behandeln lassen. Was sie dort erlebt hat und warum sie sogar Anzeige erstattet hat.
Es ist einer der letzten warmen Herbsttage im Oktober. Der sechsjährige Milan tobt mit seinem Cousin auf dem Trampolin, fällt und verletzt sich am Arm. Seine Mutter Bettina Haase packt das kreidebleiche Kind ins Auto und fährt in die Notaufnahme. Und zwar nach Velbert, „da hatte ich bislang immer gute Erfahrungen gemacht“, berichtet die Hattingerin. Aber dann habe man sie und ihren Sohn dort nach ihrer Ansicht „ganz furchtbar“ behandelt.
Das Erlebnis in der Klinik war für die Mutter so erschreckend, dass sie sogar Anzeige erstattet hat. Was das Helios Klinikum zu den Vorwürfen sagt.
In der Velberter Notaufnahme gewartet – und dann war der Arzt wieder weg
„Als ich mit meinem unter Schock stehenden Sohn in die Notaufnahme kam, mussten wir zuerst 15 Minuten lang sämtlichen Papierkram erledigen“, erklärt Bettina Haase. Im Behandlungszimmer habe man noch einmal rund 20 Minuten warten müssen. Sie habe dann darum gebeten, dem Kind doch ein Schmerzmittel zu geben. Daraufhin sei ein junger Mann gekommen und habe dem Kind einen kleinen Becher gereicht. Erst auf Nachfrage der Mutter habe er erklärt, dass es sich um „Ibuflam“ handele.
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Das Kind soll den Pullover trotz Schmerzen über den Kopf ausziehen
Dann sei der Mann, offenbar der Arzt, erst einmal wieder weg gewesen. „Nun sollte ich meinem Sohn den Pullover über den Kopf ausziehen. Ich sagte, dass er hat starke Schmerzen hat und es kein Problem wäre, wenn wir den Pullover zerschneiden würden. Daraufhin verschwand der Mann erneut kommentarlos für zehn Minuten. Als er mit einer Schere in der Hand zurückkam, bat mein Sohn, dass er bitte ganz vorsichtig sein solle. In einem ruhigen Ton. Der Arzt gab mir dann die Schere und verschwand“.
„Minutenlang auf dem Arm herumgedrückt“
Als er zurück war, habe der Arzt „minutenlang“ an dem gebrochenen Arm „herumgedrückt“. Milan habe angefangen zu weinen und zu bitten, doch bitte vorsichtig zu sein, da es ihm sehr großen Schmerz bereiten würde. Darauf habe der Arzt dem Sechsjährigen gesagt: „Mach mal nicht so einen Stress!“
Er habe dann weiter am Arm herumgezogen, obwohl das Kind bitterlich geweint habe. Ob er nicht röntgen könne, habe die Mutter gefragt. „Sie sind ja kein Arzt“, hieß es. Und er müsse schauen, wo genau er röntgen muss, da Röntgenstrahlen Krebs verursachen würden. „Ob ich denn wolle, dass mein Sohn Krebs bekommt,“ berichtet sie weiter.
Ein anderes Krankenhaus suchen
Der Arzt sei irgendwann aufgestanden, mit den Worten, dass er das Kind nicht behandeln werde. So schildert zumindest Bettina Haase die Situation: „Wir sollten uns ein anderes Krankenhaus suchen. Ich fing an zu weinen und er ging. Fassungslos verließen wir das Krankenhaus.“
In der Hattinger Klinik angekommen, sei das Kind sofort behandelt worden. 30 Minuten später sei der dreifache Bruch operiert worden. Dort sei ihr zu einer Anzeige geraten worden, so die Mutter.
„Arzt muss feststellen, wo der Hauptschmerz ist“
Das Helios Klinikum hat auf Anfrage der WAZ ausführlich Stellung zu dem Fall bezogen und gesteht auch einige Versäumnisse ein. Der erste Kontakt zum Arzt habe nach den Aufzeichnungen der Klinik bereits nach sechs Minuten stattgefunden. Das Helios Klinikum schildert die Abläufe so: „Ziel des Anamnesegesprächs ist es, festzustellen, was genau passiert ist und wo der Patient den Hauptschmerz beklagt. Daran schließt eine obligate körperliche Untersuchung an. Diese umfasst auch ein gezieltes Abtasten und spezielle Bewegungstests des Handgelenks, der Hand und Finger, aber auch des Ellenbogens und der Schulter. Diese Untersuchung erfolgt so vorsichtig wie möglich. Der behandelnde Arzt untersucht grundsätzlich die beteiligten Gelenke und Kochen mit, um anhand von Schmerzangabe oder Bewegungseinschränkung gezielt die bildgebende Diagnostik anfertigen zu können und Verletzungen der Nerven und/oder Blutgefäße auszuschließen. Erst nach einer solchen Untersuchung darf eine Röntgenuntersuchung erfolgen“ – um die Strahlenbelastung so gering wie nötig zu halten.
Ärzte sollen sensibilisiert werden
Und Helios weiter: „Es tut uns sehr leid, wenn diese Untersuchung als zu grob empfunden wurde. So sollte es nicht sein! […] Gleichwohl möchten wir noch einmal betonen, dass der behandelnde Arzt ausschließlich zum Wohle des Kindes gehandelt hat. Den von Frau Haase als zu wenig feinfühlig und zu langwierig empfundenen Ablauf und die dahingehend offenkundig unzureichende Erläuterung der Behandlungsschritte und Notwendigkeiten haben wir zum Anlass genommen, unsere Kolleginnen und Kollegen dahingehend weiter zu sensibilisieren.“
„Aussagen lassen sich nicht rekapitulieren“
Dass der Arzt die Mutter weggeschickt habe, sei differenzierter zu sehen, so die Klinik. Frau Haase habe dem Arzt mehrfach ungeduldig die Behandlungskompetenz abgesprochen und schließlich die Notaufnahme verlassen. Einzelne Aussagen beiderseits seien in der Rückschau leider nicht mehr in Gänze zu rekapitulieren.
Dem Kind geht es wieder gut
Bettina Haase bleibt aber dabei, dass der Arzt das Kind nicht mehr behandeln wollte. Milan geht es nach der OP inzwischen wieder gut, ein Gips erinnert ihn noch an sein Erlebnis im Krankenhaus.