Velbert. Seine Geschichte begann mit „Stoff Müller“ im Marktzentrum, jetzt schließt „Der Stoff“-Laden in der Kolpingstraße. Der Einbruch begann mit Corona

Drei Tuniken, eine Tasche und aus den Resten noch Utensilos will die Kundin nähen, die heute zum ersten Mal hier an der Kolpingstraße einkauft und auf der Suche nach Baumwollstoffen ist. „Auf jeden Fall farbenfroh.“ Die Dame aus Essen-Werden, die ihren Namen nicht in der Zeitung haben möchte, gibt sich jetzt nach 30 Jahren wieder ans Nähen und hat die Velberter „Der Stoff“-Filiale per Google entdeckt. Gerade noch rechtzeitig – denn Ende September ist hier Schluss.

„Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ verkünden großflächige Plakate in den Schaufenstern. Und drinnen, da hängt der Spruch „Nähen macht glücklich“.

Bis zuletzt im Marktzentrum Velbert ausgeharrt

Klemens Niehoff ist der Geschäftsführer und auch Mitinhaber der Kette.
Klemens Niehoff ist der Geschäftsführer und auch Mitinhaber der Kette. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Die Zeiten des Vorgängers „Stoff Müller“, der schließlich aus Altersgründen aufgehört hat, wie es heißt, sind bei vielen Velbertern unvergessen und eindrücklich. War der Kaufmann mit seinem Geschäft zur Corbygasse hin doch der allerletzte Nutzer, der in dem später abgerissenen Marktzentrum – dort steht heute die „Stadtgalerie Velbert“ – einsam bis auf den letzten Drücker ausharrte. „Stoff Müller“ hatte noch ein zweites Standbein in Mülheim.

Corona, Inflation und Mindestlohn

„Ich würde ja schon eher schließen, aber der Mietvertrag läuft noch so lange“, erzählt Klemens Niehoff und kündigt an: „Es kommen noch Riesenangebote. Wolfgang Müller hat uns damals angesprochen“, blickt der Geschäftsführer und Mitinhaber der Kette auf die Übernahme zurück. „Wir hatten aber nicht mehr lange eine gute Zeit vor Corona, dann kam schon der Einbruch. Danach hat es sich nicht mehr bekrabbelt und gut entwickelt.“ Der 60-Jährige nennt als Faktoren u. a. Inflation und Mindestlohnentwicklung. „Es fehlen auch Fachverkäuferinnen im Nähbereich. Das hat uns alles sehr geschadet.“

Umsatz um mehr als die Hälfte geschrumpft

Ende September ist hier in der Kolpingstraße Schluss. Der Räumungsverkauf ist bereits angelaufen, Geschäftsführer Klemens Niehoff kündigt darüber hinaus noch „Riesenangebote“ an.
Ende September ist hier in der Kolpingstraße Schluss. Der Räumungsverkauf ist bereits angelaufen, Geschäftsführer Klemens Niehoff kündigt darüber hinaus noch „Riesenangebote“ an. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Der Umsatz habe sich mehr als halbiert, „das reicht einfach nicht mehr“. Die anderen Filialen müssten mit ihren Erträgen Velbert stützen. Von den drei Mitarbeiterinnen machten zwei am Essener Standort weiter. Spielten die Mitbewerber vor Ort eine Rolle? „Die beiden Konkurrenten sind kein Thema; schließlich sind wir die einzigen in Lauflage und in der Innenstadt.“

Künftig mehr Zeit für den Garten

„Noch vor zwei Jahren wäre mir das schwer gefallen. Aber jetzt höre ich ganz auf und habe eben mehr Zeit für den Garten.“ Hannelore Machel ist gelernte Schneiderin und mit ihren 67 Jahren nur noch dienstags im Laden. Als sich Lieferprobleme eingestellt hätten und viele Kunden weggeblieben seien, „da machte es mir nicht mehr Spaß“. Machel ist seit den Anfängen mit Wolfgang Müller dabei: „Montags war in der Corbygasse die Eröffnung und am Dienstag mein erster Arbeitstag. 2001 muss das gewesen sein, im Mai.“

Auch für Velbert schade

Christin Gutschmidt geht in die Filiale Essen zurück. „Ich mag den Standort hier; ist schon ein bisschen schade, dass wir schließen. Auch für Velbert“, erklärt die 32-Jährige, die zumeist vier Tage im Geschäft ist. Sie hat in 2020 bei „Der Stoff“ angeheuert, „als die Nähkurse Verstärkung brauchten“. Vor dem zweiten Lockdown sei an der Kolpingstraße „noch richtig gut zu tun“ gewesen, „danach hat es nie wieder so richtig Fahrt aufgenommen“.

Früher mal d i e Einkaufsstraße

Die gute Nachricht: Peter Willwoll ist zuversichtlich, das Ladenlokal bald wieder neu zu vermieten. Der Hausbesitzer hat dort selbst über lange Zeit Einzelhandel betrieben: Spielwaren und Babyausstattung. „Das war hier früher mal die Einkaufsstraße von Velbert“, erzählt Willwoll und weckt Erinnerungen: z. B. an den Schneider, an Lederwaren, Werkzeug, Haushaltswaren, Sanitätsartikel und Drogerie. „Und dann noch der Mode-Friseur. Da rannte damals ganz Velbert hin.“

>>> Geschäfte sind hauptsächlich im Ruhrgebiet

Die Kette „Der Stoff“, vormals „Stoffzentrale“, existiert seit nunmehr 51 Jahren. Hauptsitz ist Nordhorn/Niedersachsen. Die aktuell 42 Geschäfte befinden sich schwerpunktmäßig im Ruhrgebiet und dessen Umgebung.

„Wir sind hier in Deutschland die größte Kette für Stoffe – nach Karstadt“, sagt der Geschäftsführer und Mitinhaber Klemens Niehoff. Die nächstgelegene Filiale ist in Essen an der Rottstraße.