Velbert/Heiligenhaus. 60 Menschen stehen bei „Pro Mobil“ auf der Warteliste für barrierefreien Wohnraum. Darauf – und noch viel mehr – zielt eine Demo des Vereins ab.

„Wo ist unser Wohnraum?“, „Wir für Barrierefreiheit!“, „Wir brauchen Platz!“ und ähnliches mehr wird auf den Plakaten und Bannern stehen, wenn sich an diesem Freitag, 28. April, am Velberter Rathaus ein außergewöhnlicher Demonstrationszug in Bewegung setzt und ins Rollen kommt: Der Verein für Menschen mit Behinderung „Pro Mobil“ beteiligt sich vor Ort jetzt schon wiederholt, aber erstmals mit einer Demo an der bundesweiten Aktionswoche der „Aktion Mensch“ rund um den Monatswechsel.

In Heiligenhaus gibt’s dazu ein Fest in der Kita „Kleine Robbeninsel“. Ein zentraler Punkt der Demo ist die Forderung nach geeignetem, wirklich barrierefreien Wohnraum. Dafür stehen aktuell allein bei „Pro Mobil“ 60 Menschen als Interessenten auf der Warteliste.

Bedarf in Velbert nicht bekannt

Manfred Bachmann (vorne) und Daniel Deppner von „Pro Mobil“ wollen, dass die Lebenslage von Menschen mit Behinderung gehört, gesehen und in jeder Hinsicht beachtet wird.
Manfred Bachmann (vorne) und Daniel Deppner von „Pro Mobil“ wollen, dass die Lebenslage von Menschen mit Behinderung gehört, gesehen und in jeder Hinsicht beachtet wird. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Diese Zahl nannte Manfred Bachmann im Gespräch mit der WAZ. Der absolute Bedarf, etwa in Velbert, sagt der Vorstandsvorsitzende, sei allerdings nicht bekannt, weil er gar nicht erhoben werde: „Es mangelt aber natürlich prinzipiell an Wohnungen.“ Die Demo sei grundsätzlich dafür gedacht und notwendig, weil die Lebenslage von Menschen mit Behinderung „gehört und gesehen“ werden solle und müsse. Denn noch immer stoßen Menschen mit einer Beeinträchtigung regelmäßig auf Barrieren. Vielerorts und in vielfältiger Form. Für Menschen ohne Beeinträchtigung sind diese im Alltag jedoch oft kaum erkenntlich. Das zu ändern, ist „Pro Mobil“ ebenfalls ein Anliegen.

Handfeste Gründe und Interessen

Man habe viele Menschen aus der Eingliederungshilfe angeschrieben – auch anderer Anbieter –, berichtet Mira Deutz, und es würden auch Menschen in Rollstühlen teilnehmen. Bei der Beantragung der Demo, so die Koordinatorin Ambulant unterstütztes Wohnen, habe man 100 Personen angegeben. Inhaltlich hätten nach Überzeugung von „Pro Mobil“ allerdings wesentlich mehr Menschen handfeste Gründe und Interessen, sich ebenfalls einzureihen.

Hürden und Barrieren im Alltag

Ein wichtiger Beitrag zum barrierefreien Wohnen: Griffe in geringerer Höhe und damit in bequemer Reichweite.
Ein wichtiger Beitrag zum barrierefreien Wohnen: Griffe in geringerer Höhe und damit in bequemer Reichweite. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Eigentlich profitiert doch jeder Mensch von einer barrierefreien Stadt“, argumentiert Daniel Deppner und fügt hinzu, dass ältere Menschen ja auch häufig ein Handicap hätten. Nach Auskunft des Bereichsleiters Ambulant unterstütztes Wohnen wurden bei einem Vortreffen zur Demo über das Wohnen hinaus noch ganz andere, alltägliche Themen angesprochen. Es sei um barrierefreie Zugänge bei Veranstaltungen, zu Ärzten, Therapeuten, Geschäften, bei der Stadtverwaltung etc. gegangen, um fehlende Fahrstühle und solche, die für schwere Rollstühle mit E-Motor nicht ausgelegt seien. Oder um mühevolle Umwege, wenn – etwa infolge einer Baustelle – der Weg für Rollstuhl bzw. Rollator plötzlich vor einer hohen Kante ende. Rollstuhlfahrer könnten die Fußgängerzone Friedrichstraße wegen ihres Gefälles eigentlich nicht ohne Assistenz oder Motorhilfe bewältigen, berichtet Mira Deutz.

Platz zum Rangieren mit dem Rolli

Was eine barrierefreie Wohnung ausmacht, zeigt die Koordinatorin anhand eines 52 qm großen Einzel-Appartements Am Kostenberg und führt u. a. folgende Kriterien auf: barrierefreier Zugang mit ausreichend leistungsfähigem Fahrstuhl, unterfahrbare Küchen-Arbeitsflächen, ein ausreichend großes Bad, ebenerdige Dusche, rutschhemmende Fliesen, Haltegriffe an Dusche, Waschbecken und WC, zwischen den Zimmern Schiebetüren, niedrigere Griffe und Lichtschalter sowie ein Notruf. „Pro Mobil“ hat Am Kostenberg zwei Wohngemeinschaften und mehrere Einzel-Appartements – insgesamt gibt’s dort Wohnraum für 16 Menschen.

Belange immer im Fokus haben

Bei „Pro Mobil“ wünscht man sich, bei sämtlichen Planungen Behinderte mit ihren Belangen im Blick zu haben. Und dass eigentlich jeder Antrag, z. B. bei einem Stadtfest oder einer Sperrung, dahingehend überprüft werden müsse. Mietverträge kämen oft nicht zum Abschluss, erzählt Daniel Deppner, weil man die Zusagen von zwei Behörden – Sozialamt und Landschaftsverband – abwarten müsse und das leider häufig zu lange dauere und weil es mitunter „generelle Vorbehalte von Vermietern“ gegen Bewerber gebe, die unter gesetzlicher Betreuung stünden. Da drohe dann schnell eine Abwärtsspirale.

>>> #Wir brauchen Platz!

Die Demonstration beginnt am 28. April um 13.40 Uhr vor dem Velberter Rathaus mit einer kleinen Ansprache. Anschließend geht’s nach Veranstalter-Angaben über eine Strecke von insgesamt etwa 1,2 Kilometern durch die Innenstadt und dann über die Friedrich-Ebert-Straße wieder zurück zum Ausgangspunkt.

Laut „Pro Mobil“ wird die Friedrich-Ebert-Straße für die Teilnehmer vorübergehend gegen 14.40 Uhr halbseitig in Fahrtrichtung Essen gesperrt. Die Veranstaltung werde ca. gegen 16.30 Uhr beendet sein. Die Demo steht unter dem Motto „#Wir brauchen Platz!“.