Langenberg. Warum guter Schlaf so wichtig für das Wohlbefinden ist, erläutert Dr. Reinhold Beckmann. Er betreibt in Langenberg eine Praxis für Psychotherapie
Diesen Sonntag ist der „Mach-Dein-Bett-Tag“. Dabei geht es aber nicht ums Aufräumen oder um ordentlich gefaltetes Bettzeug – sondern um die so genannte Schlafhygiene, also alle Faktoren die dafür sorgen, dass der Schlaf auch wirklich erholsam wird.
Einer, der sich damit schon lange beschäftigt, ist Dr. Reinhold Beckmann. Er betreibt in Langenberg eine Praxis für Psychotherapie und ist begeistert davon, was das menschliche Hirn im Schlaf alles leistet. Ganz zentral sei daher ein guter Schlaf für die Befindlichkeit am Tag, sagt er. Zumal er davon überzeugt ist, dass der Schlaf „in unglaublichem Ausmaß“ auch die menschliche Persönlichkeit forme.
Das Hirn ist auch nachts aktiv
„Der Schlaf dient dazu, Ordnung im Kopf zu schaffen, neue Ideen zu entwickeln, körperliche und geistige Frische wieder herzustellen, Probleme zu sortieren“, zählt er auf. Der Spruch „der Tod ist des Schlafes Bruder“, sagt er, „ist völlig falsch“. Denn: „Das Hirn ist auch in der Nacht aktiv, vergleichbar zur Aktivität am Tag. Es sind nur andere Regionen aktiv.“
Der Schlaf ist ein anderer Bewusstseinszustand: Tagsüber kontrolliere das Großhirn „ständig irgendetwas“, sagt er. Die menschliche Steuerzentrale plane voraus, kontrolliere, „was die nächste Stunde bringen könnte.“ Aber sie steuert auch, an was wir uns erinnern und was wir jetzt in diesem Augenblick tun. Der Maßstab des Tagesbewusstseins sei die Realität.
Steuerzentrale wird heruntergefahren
Ganz anders der Schlaf. Die Steuerzentrale des Wachbewusstseins wird heruntergefahren, sämtliche Sinne funktionieren nur noch in einer Art Basiseinstellung. Ganz ausgeschaltet sind sie nicht. Das Gehör funktioniert weiter, auch riechen, schmecken, fühlen wir weiterhin. Daher ist auch die Schlafumgebung sehr wichtig, doch dazu später mehr.
Dass das Gehirn auch nachts aktiv ist, Erlebtes sortiert, einordnet, das machen sich auch Profimusiker oder -sportler zu Nutzen. Da die Sinne auch nachts funktionieren, „bindet man bestimmte Abläufe, etwa Bewegungsmuster, an einen angenehmen Geruch“, erläutert Reinhold Beckmann.
Vor dem Schlafengehen stelle man dann Duftstäbchen mit genau diesem Geruch auf. „Das machen zum Beispiel Stabhochspringer, da deren Abläufe sehr komplex sind“, erläutert der Fachmann. Im Schlaf verfestige sich das zuvor Gelernte dann.
Träume haben eine Bedeutung
Gleichzeitig, beschreibt es Reinhold Beckmann, beginne das Gehirn in der Nacht zu fantasieren, „aber nicht einfach so“, sagt er. „Wir sehen Bilder, können sie aber nicht beeinflussen“. Erlebnisse, Gedanken, Gefühle werden verarbeitet, sortiert, geordnet. 80 Prozent der Menschen träumen, erinnern können wir uns aber nur selten, meist dann, wenn die Träume kurz vor dem Erwachen aufgetreten sind.
Und diese Träume haben auch tatsächlich eine Bedeutung, sagt der Psychotherapeut. „Aber nicht die Bilder an sich“, ist er überzeugt. Anders als bei Sigmund Freud seien nicht die Bilder entscheidend, „sondern das Gefühl, das diese Bilder begleitet“, sagt er. „Freud ist sicherlich von großer Bedeutung für die Erforschung des Unbewussten“, führt Beckmann weiter aus, „aber Neurowissenschaft und Schlafforschung sind inzwischen deutlich weiter entwickelt.“
Tiefschlaf ist wichtigste Phase
Damit der Schlaf erholsam wird, lohnt ein Blick auf die so genannte Schlafarchitektur. Manche Forschenden unterteilen die Zeit in vier, manche in fünf Phasen. „Wichtig ist“, sagt Reinhold Beckmann, „dass man sehr schnell von der Einschlaf- in die erste Tiefschlafphase kommt“.
Diese Phase sei entscheidend für die Qualität des Schlafes, im Optimalfall durchläuft man fünf davon pro Nacht – wobei die erste mit etwa 90 Minuten Dauer im Schnitt die längste ist, die folgenden werden kürzer.
Zur Erläuterung: Schlaf verläuft in Wellen, von der Einschlaf- geht es über die REM-Phase (Rapid Eye Movement, etwa schnelle Augenbewegung) in den Leicht- und dann in den Tiefschlaf. Während der Nacht geht es immer wieder vom Tiefschlaf bis in die REM-Phase und wieder zurück, bis schließlich das Aufwachen folgt.
Apnoe ist eine Volkskrankheit
Gar nicht gut ist es, wenn der Schlaf gestört wird, hat das doch zahlreiche negative Konsequenzen. Eine der Hauptursachen dafür ist die Apnoe. „Das ist noch immer nicht bekannt genug“, sagt Dr. Reinhold Beckmann, dem es ein großes Anliegen ist, das zu ändern.
Es gebe mehrere Ursachen von Atemstillständen im Schlaf, zwei davon hebt der Psychotherapeut hervor: Die zentrale Atemlähmung, die durch Störungen im Stammhirn ausgelöst, wird betrifft rund zehn Prozent aller Diagnosen – und die obstruktive Schlafapnoe, kurz OSA.
Jeder zweite Mann betroffen
„In der Altersgruppe der 40- bis 80-Jährigen sind bei den Frauen rund 25 Prozent, bei den Männern sogar 50 Prozent betroffen“, sagt er. Bei der OSA erschlafft die Schlundmuskulatur mit dem Gaumensegel und verengt dadurch die oberen Atemwege. Das wiederum führt zu Atemaussetzern, die wiederum zu einer Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff führen.
Ist die Sauerstoffsättigung im Blut gut, liegt der Wert bei 90 Prozent oder höher, „bei Menschen mit einer schweren Apnoe kann dieser Wert unter 70 Prozent sinken“, erläutert Reinhold Beckmann. Das bedeute Stress für den Körper was wiederum dazu führe, dass die Tiefschlafphase nicht erreicht werde. „Dadurch ist der Schlaf nicht erholsam und das hat erhebliche Auswirkungen auf den Körper, das kardio-vaskuläre System und die Psyche.“
Tagesmüdigkeit, erhöhtes Schlaganfallrisiko, häufigere Herz-Rhythmus-Störungen zählt Beckmann als Beispiele für körperliche Folgen auf, psychische Störungen wiederum umfassen „etwa die Verstärkung von Angstzuständen oder einer Depression“.
Therapie früh beginnen
Eine Therapie, rät der Fachmann, sollte daher möglichst früh beginnen. Bei einer leichten Apnoe (5-15 Atemaussetzer pro Stunde) könne schon helfen, das Körpergewicht zu reduzieren, auf der Seite zu schlafen oder keinen Alkohol mehr zu trinken.
In schweren Fällen (ab 30 Aussetzern pro Stunde) komme eine Beatmungsmaske zum Einsatz. „Da hat sich die Technik inzwischen erheblich verbessert“, sagt Reinhold Beckmann, die Geräte sind kleiner, smarter geworden und deren Einsatz könne die Situation für Betroffene „erheblich verbessern“, sagt er.
Leichter in den Schlafmodus finden
Um gut zu schlafen, ist zunächst die richtige Umgebung wichtig: Das Schlafzimmer soll ein sicherer Wohlfühlort sein, das heißt: „Kühl, dunkel, ruhig.“. Diese Umgebung unterstütze das so wichtige Herunterfahren der Sinne. Auch sollte dieses Zimmer ausschließlich zum Schlafen dienen, „der Arbeitsplatz hat dort nichts zu suchen“.
Außerdem könne jeder den Körper dabei unterstützen, leichter in den Schlafmodus zu wechseln. Dazu hat der Langenberger Psychotherapeut einen Handzettel mit einfachen Tipps zusammengestellt. Ein paar Beispiele:
Sonne tanken und abends entschleunigen
„Tagsüber Sonne tanken, egal wie“, rät er. Denn das fördere die Bildung von Serotonin, das nachts zum Schlafhormon Melatonin umgewandelt werde. Die Formel sei einfach: Je mehr Serotonin der Körper am Tag bilde, desto mehr Melatonin stehe zur Verfügung, wenn es dunkel wird.
„Zum Abend hin bewusst entschleunigen“, lautet ein weiterer Ratschlag. Also Sport eher am Nachmittag ausüben, nach dem Duschen nur noch entspannenden Tätigkeiten nachgehen. Keine größeren Mahlzeiten mehr in den letzten drei Stunden vor dem Zubettgehen. „Was nicht heißt, dass man nicht mehr feiern sollte“, sagt Reinhold Beckmann lachend, es komme wie bei allem auf das richtige Maß an.
Alkohol verschlechtere die Schlafqualität, genauso wie spätes Fernsehen. Das blaue Licht von Computermonitoren, Smartphone- oder Tabletdisplays verhindere die Bildung von Melatonin, „das Blaulicht also am besten herausfiltern“ – was bei den meisten Geräten über die Einstellungen problemlos möglich ist. Schlafrituale – etwa ein Spaziergang, ein Tee oder Entspannungsübungen könnten auch helfen.
Wer oft abends und vor dem Schlafen grübelt, könne bewusst üben, diese Gedanken zu verschieben, „den Tag gedanklich abzuschließen, Probleme zu verlagern.“ Manchen helfe es, ein so genanntes Dankbarkeits-Tagebuch zu führen, also abends aufzuschreiben, was gut war, wofür sich Dank lohnt, „den Tag also positiv abschließen.“