Kreis Mettmann. Um die Transformation der Arbeitswelt ging es in einer Gesprächsrunde der Arbeitsagentur im Kreis Mettmann. Die Herausforderungen sind vielfältig
Die Arbeitswelt – nicht nur – im Kreis Mettmann steht vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen: demografischer Wandel, Digitalisierung, De-Globalisierung, Klimakrise, Energiekrise. Damit umzugehen, Strategien zu entwickeln, um am Markt zu bleiben, darum ging es in einer Gesprächsrunde, zu der die Agentur für Arbeit nach Langenfeld eingeladen hatte.
Dort sitzt seit rund 25 Jahren die IGH Infotec AG, ein Unternehmen, das „im SAP-Umfeld Software entwickelt“, erläutert deren Vorstand Andre Hörmandinger. Dass sein Unternehmen als Gastgeber ausgewählt wurde, liegt an Madysen Baker.
Arbeitsagentur unterstützt bei Weiterbildung
Die 23-jährige gebürtige US-Amerikanerin ist gerade mit Unterstützung der Agentur für Arbeit zur Social-Media-Expertin weitergebildet worden. „Ich bin überzeugt“, sagt Karl Tymister, „dass die Qualifikation von Madysen eine gute Sache für jedes Unternehmen im Kreis wäre.“ Denn in diesem Bereich, so der Chef der Arbeitsagentur Mettmann, liege viel Potenzial.
„Richtig“, stimmt ihm Andre Hörmandinger zu und nennt ein Beispiel: Stellengesuche. „Die laufen inzwischen auf Plattformen wie Xing oder Linkedin.“ Und müssen entsprechend präsentiert werden. Auch die Außendarstellung des Unternehmens etwa auf Instagram gehöre mittlerweile zum guten Ton. Und nur so sei die jüngere Generation zu erreichen.
Nachwuchs fehlt überall
Denn Nachwuchs, der ist überall gesucht. Was die nächste Herausforderung, den demografischen Wandel ins Spiel bringt. Im Kreis Mettmann sieht es da gar nicht so gut aus: Der so genannte Altenquotient – also das Verhältnis von Menschen im Rentenalter zu denen im erwerbsfähigen Alter – liegt hier bei 33,5 Prozent und damit deutlich über dem NRW-Schnitt. Dieser Quotient gibt an, wie viele Menschen im Rentenalter auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter entfallen.
Eine Folge daraus: Bis 2039 befürchtet die Agentur für Arbeit einen Rückgang der Erwerbsfähigen im Kreis um fast zehn Prozent – und das, obwohl trotz Automatisierung mehr Jobs zur Verfügung stehen. Was also tun?
Es gibt Ideen für die Zukunft
Gleich mehrere Ideen kreisen in der Runde: „Wir müssen die berufliche Erst-Ausbildung so aufstellen, dass die Leute wissen: Das ist nur die erste Qualifikation“, sagt etwa Guido Grüning, Sekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes der Region Düsseldorf-Bergisch Land.
Stete Weiterbildung müsse selbstverständlich werden. „Wir müssen Inhalte anpassen und die Rahmenbedingungen auch“, fährt er fort. Manche Gesetze stammten noch aus den 1970er Jahren, „da müssen wir jetzt schnell sein.“
Weiterbildung in den Fokus rücken
Gleichzeitig, sagt Guido Grüning, müsse die Weiterbildung im laufenden Betrieb mehr in den Fokus rücken. „Wir müssen Arbeitnehmer früher aus der Produktion holen und weiter qualifizieren, bevor die Entwicklungen uns überrollen.“ Derzeit, ergänzt Karl Tymister, gebe es immer noch Unternehmen, die nach dem Motto „keine Zeit, die Säge zu schärfen, ich muss einen Baum fällen“, handeln würden.
Außerdem, ergänzt Infotec-Vorstand Andre Hörmandinger, müsse „der Stellenwert einer Ausbildung“ wieder deutlicher herausgestrichen werden. Und dazu müsse man früher ansetzen, also schon in der Schule. „Wir müssen uns die Frage stellen“, sagt Guido Grüning, „was ist sexy, was nicht?“
Was er meint: Präsentiert sich etwa ein Dachdecker mit seinem überkommenden Bild vom Handwerker auf der Baustelle oder als Hightech-Arbeiter, der auch Steuerungen von Energiegewinnungssystemen baut. „Es kommt darauf an, sich und sein Berufsfeld besser zu verkaufen.“
Automatisierung ist „kein Schreckgespenst“
Gut hingegen sehe es im Kreis und auch in Deutschland beim Stichwort Automatisierung aus: Platz vier weltweit, Platz eins im europäischen Vergleich. „Aber das ist kein Schreckgespenst“, sagt Karl Tymister dazu, „sondern eine Entwicklung, die wir brauchen.“ Es seien auch keine Arbeitsplätze weggefallen, im Gegenteil, „es gibt sogar noch mehr als vorher.“
Neue Jobs schafft auch der Weg hin zur De-Globalisierung, der durch die Corona-Krise nun deutlich schneller gegangen werde. „Dadurch steigt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften.“ Der könne nicht allein durch Ausbildung gedeckt werden, auch Zuwanderung sei nötig, unterstreicht Michael Schwunk, Geschäftsführer der Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände.
Mitarbeiter ans Unternehmen binden
Und, das ist Andre Hörmandinger von Infotec wichtig, „wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Mitarbeitenden wohl fühlen, um sie langfristig ans Unternehmen zu binden.“ In vielen Branchen gebe es mehr offene Stellen als Bewerber, „unsere Leute bekommen wöchentlich ein bis zwei Anfragen von Headhuntern“, sagt der Infotec-Chef. Um unter den Bedingungen Leute zu halten, sei mehr nötig, „als ein guter Gehalts-Scheck“.
Zumindest bei ihm im Unternehmen scheint das aber gut zu funktionieren, viele der 65 Mitarbeitenden am Standort sind schon lange dabei. „Unser Entwicklungsleiter etwa hat hier als Praktikant angefangen.“
Der Erfolg des Standortes Deutschland „entscheidet sich daran, ob wir genügend Fachkräfte bekommen“, sagt Michael Schwunk. Das gehe nur, „wenn wir Universitäten und Gemeinschaftslehrwerkstätten einbeziehen, Firmen sensibilisieren und attraktive Angebote schaffen.“ Gemeinsam, davon sei er überzeugt, „schaffen wir das“.
Arbeitsagentur fördert Weiterbildung
Karl Tymister hat in der Gesprächsrunde noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass die Agentur für Arbeit Weiterbildung und Qualifikation fördert – so etwa die Qualifizierung von Madysen Baker.
„Wir übernehmen zum Beispiel Lehrgangskosten“, sagt der Chef der Agentur für Arbeit im Kreis Mettmann. Qualifikationen wie die von Madysen Baker nennt er einen „Joker“.
Zur Transformation sagt er: Das sei ein Thema, was nicht mehr verschwinden werde, „die Arbeitswelt ändert sich laufend“ und immer schneller. „Ich setze darauf, dass nun auch der Allerletzte merkt, dass wir etwas tun müssen.“