Velbert. Trotz der Ferien macht die GLW Velbert nicht völlig Pause. Die Umschulungen laufen weiter. In Berufe, die längst nicht mehr nur Männersache sind.

Vom Hauptzugang, also von der Poststraße, aus, macht die „Gemeinschaftslehrwerkstatt der Industrie von Velbert und Umgebung“ (GLW) in diesen Tagen – so inmitten der Sommerferien – einen eher verwaisten Eindruck. Auf dem vorderen Parkplatz steht lediglich ein einsamer Pkw; die Azubis aus der überbetrieblichen Ausbildung sind schon vor Wochen mit dem obligatorischen Grillfest verabschiedet worden und in die Ferien gegangen. Doch der äußere Eindruck täuscht. Drinnen geht’s nämlich zur Sache. Denn die Umschulungen, die laufen hier auch während der Ferienwochen weiter.

Zwei Gruppen in der Velberter Werkstatt

Tim Rinkemacher kommt jeden Tag von Solingen nach Velbert.
Tim Rinkemacher kommt jeden Tag von Solingen nach Velbert. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Im gesamten Haus gebe es gut und gerne 70 Umschüler und Umschülerinnen, berichtet Waltraud Reindl. Sie sind „ab 40 aufwärts“, werden künftig als Industrie-, Zerspanungs-, Werkzeugmechaniker oder als Maschinen- und Anlagenführer arbeiten. Die Dauer betrage 28 bzw. im Fall des Maschinen- und Anlagenführers 16 Monate, erklärt die GLW-Geschäftsführerin (seit 2019), darin seien neun Monate Betriebspraktikum inbegriffen, während der die Teilnehmer kostenlos zu den Unternehmen kämen. Die Umschüler an der Poststraße – es sind immer zwei Gruppen – beginnen im März oder September, absolvieren nach dem Start zunächst eine Art „Grundausbildung“ und spezialisieren sich dann anschließend.

Das Praktikum rückt näher

Die Berufe sind längst nicht mehr nur reine Männersache: Galina Kolesnitschenko zum Beispiel ist gelernte Damenschneiderin, hat zuletzt am Empfang in einem Seniorenheim gearbeitet – und bekam den final entscheidenden Stupser bzw. Impuls von ihrem Mann. Der ist Industriemechaniker. „Werkzeugmechanikerin, das ist das, was ich will“, sagt die Velberterin (40) jetzt und strahlt dabei ziemlich überzeugend. Anfang 2023 steht ihr Praktikum an; nach den Sommerferien beginnt die Suche nach einem Platz.

Schichtarbeit und Familie passten nicht zusammen

Andreas Lipperheide (re.) ist Ausbilder und Maßnahmen-Koordinator. Er gehört schon seit 2004 zur GLW.
Andreas Lipperheide (re.) ist Ausbilder und Maßnahmen-Koordinator. Er gehört schon seit 2004 zur GLW. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Alles schick hier, ich komm gut klar“, beteuert Tim Rinkemacher. Der 43-Jährige sattelt um: vom Konstruktionsmechaniker zum Industriemechaniker Instandhaltung, die frühere Bezeichnung dafür lautet Maschinenschlosser. Der Solinger hat so wie auch Galina Kolesnitschenko im Spätsommer 2021 angefangen, war zuvor in der Produktion eines Unternehmens in Hilden beschäftigt, „die Schichtarbeit ließ sich aber mit dem Familienleben nicht vereinbaren“, erzählt er. „Ich kann mich hier nicht beschweren“, sagt er zur GLW-Umschulung und versichert auf Nachfrage grinsend, dass er das nicht etwa deshalb sage, weil die Geschäftsführerin und Andreas Lipperheide, der Maßnahmen-Koordinator und Ausbilder, dabei sind.

Überdurchschnittlich hohe Erfolgsquoten

Der Maschinenbautechniker gehört schon seit 2004 zum Team der Lehrwerkstatt und erläutert, dass für eine Umschulung zunächst der Kontakt mit der Arbeitsagentur wichtig sei und die Klärung der Kosten-Übernahme. Entgegen landläufiger Meinung müsse man jedoch nicht unbedingt eine Berufsausbildung vorweisen; auch Menschen mit „entsprechenden Branchenkenntnissen“ sowie „Branchenfremde mit Motivation“ könnten zum Zuge kommen. Die Bestehens- und die Vermittlungsquote der GLW-Umschüler, betont Lipperheide, seien „überdurchschnittlich hoch“.

Ungelernt langt auf Dauer nicht

Waltraud Reindl führt die Geschäfte der Gemeinschaftslehrwerkstatt.
Waltraud Reindl führt die Geschäfte der Gemeinschaftslehrwerkstatt. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

„Ich wollte nicht länger ungelernter Arbeiter bleiben“, berichtet Marvin Strohmeyer (26), der „über Leihfirmen in der Produktion“ gearbeitet hat. Die Arbeitsagentur habe ihm drei Bildungsträger genannt bzw. vorgeschlagen, so der Wuppertaler weiter. Er griff bei der GLW zu und will nun Industriemechaniker werden.

Nachdenken über neue Angebote

Die Lehrwerkstatt hat übrigens Galina Kolesnitschenko kurzerhand aus der Bredouille geholfen. Sie und ihr Mann hatten zwei Wochen lang keine Betreuung für die drei Kinder, und die durften deshalb einfach mit in die GLW, wurden u. a. mit 3-D-Lampenbasteln beschäftigt, derweil Mama an der Werkbank stand. „Wir überlegen jetzt, ob wir Kinderkurse anbieten“, sagt Waltraud Reindl, „und vielleicht auch eine Teilzeitumschulung für Alleinerziehende. Dafür müsste allerdings das entsprechende Interesse da sein.“

Werkstatt verfügt über 240 Plätze

Die GLW arbeitet bei der Ausbildung eng mit der heimischen Metall- und Elektroindustrie zusammen. Sie kümmert sich um junge Auszubildende und Umschüler und bietet insgesamt 240 Ausbildungsplätze.

Die Ausbildung gliedert sich in die Bereiche Metall mit Industrie-, Werkzeug-, Zerspanungsmechaniker sowie Maschinen- und Anlagenführer und Elektronik mit Mechatroniker (KIA/KIS), Elektroniker (Geräte & Systeme), Elektroniker (Betriebstechnik), Elektroniker (Informations- und Systemtechnik), Elektroniker (Automatisierungstechnik) und Elektriker (Gebäude- und Infrastruktursysteme).

Die Gemeinschaftslehrwerkstatt beginnt demnächst einen zwölfmonatigen Lehrgang als externe Qualifikation für künftige Maschinen- und Anlagenführer, die schon im Job sind. Außerdem starten ab September wieder Meisterkurse in Präsenz. Über insgesamt 24 Monate; freitags am Nachmittag und samstags ganztägig. Lipperheide: „Dafür wird Meister-Bafög gewährt.“