Kreis Mettmann. Die IHK hat Unternehmen im Neanderland zu dem geschäftlichen Ist-Zustand und ihren Erwartungen befragt. Das Ergebnis: Die Firmen sind besorgt.
Dass ein Konjunkturbericht nach gerade einmal drei Monaten schon völlig überholt sein kann, diese Erfahrung machen derzeit Marcus Stimler, Zweigstellenleiter der Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer (IHK) in Velbert, und Chefvolkswirt Gerd Helmut Diestler, der die Konjunktur im Kreis Mettmann für die IHK seit vielen Jahren analysiert.
Waren die aktuelle Stimmung und vor allem auch die Erwartungen bei den Unternehmen zu Jahresbeginn noch recht gut – man glaubte, die Corona-Pandemie weitgehend überwunden zu haben –, gibt es im nun vorgelegten Konjunkturklimaindex eine rasante Talfahrt – zwar (noch) nicht beim Ist-Zustand (Lageindex), den 235 Betriebe aus dem Kreis Mettmann überwiegend mit „gut“ bewertet haben, wohl aber beim so genannten „Erwartungsindikator“. Hierfür geben die Unternehmen eine Einschätzung ab, wie sich die Lage aus ihrer Sicht in den kommenden Monaten entwickeln wird. Dieser Wert ist nun aus dem soliden Plus-Bereich deutlich ins Minus gerutscht – ähnlich tief wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Heißt: Deutlich mehr Firmen im Kreis Mettmann glauben, dass sich die Geschäftslage verschlechtern wird.
Lage und Erwartungen: Die Differenz zwischen den beiden Kurven ist ungewöhnlich
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Dass Lageeinschätzung und Erwartungen so weit voneinander abweichen, habe er in diesem Ausmaß noch nicht erlebt, so Konjunkturexperte Diestler. Normalerweise würden sich diese beiden Kurven recht parallel nach oben und unten bewegen. „Es gibt aktuell noch volle Auftragsbücher in vielen Unternehmen“, analysiert Diestler. Es gebe aber vielerorts bereits jetzt Probleme, die Aufträge auch bearbeiten zu können, weil Bauteile fehlen würden oder aber nicht ausreichend Transportkapazitäten vorhanden seien. Mit sehr großer Sorge würden die Unternehmen die Energiepreis-Entwicklung verfolgen, so der Chefvolkswirt weiter – gepaart mit der Angst, dass es zu Versorgungsstopps oder -engpässen kommen könnte. „Es werden von den Unternehmen also Risiken bewertet, die eintreten können, aber nicht eintreten müssen“, ordnet Diestler ein. Es gebe derzeit also große Belastungen – und noch größere Risiken.
Auch in der zuletzt boomenden Baubranche ist man pessimistisch
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Die aktuellen Entwicklungen sorgen auch für Veränderungen in den einzelnen Branchen. So beispielsweise in der Bau-Branche, die zuletzt einen regelrechten Boom erlebt hat. „Die Bauwirtschaft spürt immer mehr steigende Preise und Engpässe bei den Baustoffen“, erklärt Gerd Helmut Diestler, warum auch in der Bauwirtschaft bei den Erwartungen aktuell die Pessimisten überwiegen.
Noch drastischer fällt die Einschätzung unter den befragten Einzelhändlern aus. Diese hatten im Kreis Mettmann zuletzt – so die Bewertung der IHK – davon profitiert, „dass die Menschen in Corona-Zeiten lieber „vor der Haustür“ einkauften und auch Geld dafür zur Verfügung hatten“, weil viele kostenintensive Freizeitaktivitäten in den Lockdowns nicht möglich waren. „Nun aber schmälern hohe Energiepreise und Inflation den Spielraum für Anschaffungen und Ausgaben des täglichen Lebens“, weiß Diestler: Da ein Ende der Preisspirale nicht in Sicht sei und die Konsumlaune so niedrig wie noch nie seit dem Start der Erfassung im Jahr 1991, sei nachvollziehbar, dass sich die Erwartungen der Einzelhändler massiv in den negativen Bereich gedreht hätten.
IHK-Chefvolkswirt rechnet mit weiter steigenden Preisen
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Dass die Preise weiter steigen dürften, macht Diestler auch an dem Ergebnis der IHK-Umfrage fest: Nur neun Prozent der Unternehmen im Kreis haben bisher selbst keine nennenswerten Preissteigerungen bei Energie, Rohstoffen und Vorprodukten verzeichnet. Durch den entstandenen Preisdruck hat laut Umfrage jeder zweite Betrieb seinerseits die Preise erhöht, ein weiteres Drittel sieht sich dazu in Kürze gezwungen. „Mittelfristig ist also kaum mit einem Ende der Inflation zu rechnen“, meint der IHK-Chefvolkswirt.
>>> Die Konjunkturumfrage der IHK
Die aktuelle Konjunkturumfrage fand im April statt. Aus dem Kreis Mettmann haben sich 235 Betriebe mit 22.400 Beschäftigten beteiligt.
Die Unternehmen geben unter anderem eine Bewertung der aktuellen Geschäftslage und der Erwartungen ab.
Aus der Differenz der „gut“- und „schlecht“-Meldungen ergibt sich ein Lageindex (dieser liegt aktuell bei 20,2 noch im deutlich positiven Bereich) und ein Erwartungsindikator. Letzterer ist von plus 16 im Februar auf minus 21 abgestürzt.