Kreis Mettmann. Im Kreis Mettmann sind 2850 Menschen mit Fluchthintergrund als Arbeitssuchende gemeldet. Bisher werden erst 15 Ukraine-Kriegsvertriebene betreut.

Offiziellen Angaben zufolge halten sich momentan etwa 3400 Kriegsvertriebene aus der Ukraine im Kreis Mettmann auf. Seit Kriegsbeginn haben sich 15 ukrainische Bürger gemeldet, die vom Team des gemeinsamen „Integration Point“ der Agentur für Arbeit Mettmann und des Jobcenters „ME-aktiv“ betreut werden. Eine Diskrepanz? Darauf gibt es ein klares und prompt einleuchtendes Nein von Nathalie Schöndorf. Die Menschen hätten einfach viel nahe liegendere Sorgen und Dinge im Kopf, müssten sich z. B. ums Deutschlernen oder die Kinderbetreuung kümmern, so die Jobcenter-Geschäftsführerin: „Ihr Fokus liegt erst einmal auf dem Alltag.“ „Aber wir stehen parat, sie zu unterstützen“, bekräftigt Eva Walgenbach, Geschäftsführerin Operativ der Agentur, Und die Bilanz beider Einrichtungen zeigt, dass es in puncto Integration im Arbeitsmarkt in jüngster Vergangenheit messbare Fortschritte gegeben hat.

Flüchtlinge im Kreis Mettmann stammen hauptsächlich aus fünf Ländern

Sprachen mit der WAZ über die Situation und die Chancen der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Mettmann: (v. li.) Manuela Schülpen und Nathalie Schöndorf vom Jobcenter sowie Eva Walgenbach und Theresa Nitsche von der Arbeitsagentur.
Sprachen mit der WAZ über die Situation und die Chancen der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Mettmann: (v. li.) Manuela Schülpen und Nathalie Schöndorf vom Jobcenter sowie Eva Walgenbach und Theresa Nitsche von der Arbeitsagentur. © Carolin Krause / Jobcenter „ME-aktiv“

„Wir haben heute 2670 Menschen mit Fluchtkontext in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen“, resümiert Walgenbach, „das sind mehr als zehn Mal so viele wie 2014.“ Es gebe acht definierte Herkunftsländer, die vom Aufkommen her wichtigsten seien Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Afghanistan, erläutert Manuela Schülpen, Bereichsleiterin im Jobcenter. Im Kreisgebiet sind aktuell 2850 Menschen mit Fluchthintergrund als Arbeitssuchende gemeldet.

Praktikum hat seinen Wert

„Die Vorkenntnisse sind sehr vielfältig“, berichtet Schülpen. Vordringlich gehe es um Spracherwerb und Beratung hinsichtlich der Anerkennung von Schul- und Bildungsabschlüssen. Ansonsten habe man das Repertoire des gesamten Leistungsportfolios zur Verfügung, „wie es jedem Kunden offensteht“.

Oftmals ist ein Praktikum der Türöffner oder bewahrt zumindest vor einer falschen Berufswahl. Ersteres trifft auf den Iraner zu, der 2018 eingereist war, einen Integrationskurs besucht und berufsbezogen die deutsche Sprache gelernt hat. Aufgrund des im Iran begonnenen Mechanik-Studiums wollte der junge Mann von Anfang 30 „gerne im technischen Bereich bleiben“, schildert Theresa Nitsche (Teamleiterin „Integration Point“) den Ablauf. Er absolvierte u. a. ein Praktikum in einem Betrieb für Sanitär, Heizung und Klima, ist dort seit zwei Jahren in der Lehre und steht jetzt unmittelbar in verkürzter Zeit vor seinem Gesellen-Abschluss.

Aufgaben und Organisation vom „Integration Point“

Das Team vom „Integration Point“ ist für ratsuchende Menschen mit Migrationshintergrund/Fluchtkontext da. Die Agentur für Arbeit Mettmann und das Jobcenter „ME-aktiv“ unterstützen in den Bereichen Spracherwerb, Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen und klären Fragen rund um das Thema Migration. Je nach Art des Leistungsbezugs ist die Agentur oder das Jobcenter zuständig. In der Region Niederberg ist die Geschäftsstelle Velbert (Velbert, Heiligenhaus, Wülfrath) die richtige Anlaufstelle.

Die Jobcenter-Fachkräfte sind unter 02051 4192333 erreichbar, E-Mail an Jobcenter-ME-aktiv.Integration-Point@jobcenter-ge.de. Kontakt zur Agentur per Mail an Mettmann.224-Integration-Point@arbeitsagentur.de sowie unter 0800 4555500 oder 02104 929 310 (lokale Rufnummer).

„Das klappt nicht immer so super, aber so etwas freut uns alle natürlich“, sagt Nitsche und kommt zum Fallbeispiel einer Libanesin, Anfang 20. Sie kam 2019 mit dem Abi in der Tasche, erhielt dafür die Fachoberschulreife anerkannt. Beim Praktikum im Pflegebereich stellte sich allerdings recht fix heraus, dass ihr im medizinisch-pflegerischen Bereich angesiedelter Berufswunsch auf völlig falschen Vorstellungen beruhte. Die Berufsberater, die die Frau zusammen mit dem „Integration Point“ betreuten, fingen noch einmal bei Null an: Im Herbst beginnt die Kundin nun eine Ausbildung zur Erzieherin.

Seltener in Büroberufen

Nach Auskunft von Jobcenter und Agentur haben relativ viele Flüchtlinge, die – nicht zuletzt mit Unterstützung beider Behörden – Ausbildung und Integration gewuppt haben, im Pflegebereich Fuß gefasst, gefolgt von handwerklichen und technischen Berufen. Manche hätten auch Helfertätigkeiten ergriffen, hingegen seien Büroberufe „eher unterrepräsentiert“, heißt es.

Nicht um jeden Preis in den Job

Für die Menschen aus der Ukraine steht derzeit in der Regel vor allem humanitäre Unterstützung im Vordergrund. Man habe noch keinerlei Erkenntnisse über Strukturen etc., sagt Nathalie Schöndorf. Man könne zumindest nicht einfach davon ausgehen, „dass alle um jeden Preis in den Arbeitsmarkt wollen“, fügt Eva Walgenbach hinzu, schließlich wollten viele einfach nur zurück in ihr Land. Sie ist auf jeden Fall froh, dass – im Gegensatz zu manch anderer Kommune – hier im Neanderland der mittlerweile dezentralisierte „Integration Point“ nicht aufgelöst worden ist.

Für kriegsgeflüchtete Ukrainer, die sich über den Arbeitsmarkt in Deutschland informieren wollen, hat die Agentur Beratungs- und Unterstützungsangebote: von einer zentralen Hotline in Ukrainisch und Russisch bis zur Beratung ggf. mit Telefondolmetscher. Infos gibt’s auf https://www.arbeitsagentur.de/ukraine.