Velbert. Mit 24 Jahren ist sie plötzlich die Chefin im Familienunternehmen: Nach dem Tod ihres Vaters Uwe hat Lynn Meckenstock Schrauben Figge übernommen.

Es ist eine Situation, die wohl jeder Hobby-Heimwerker so oder ähnlich schon einmal erlebt hat: Man steht vor dem langen Regal im Baumarkt und ist sich plötzlich doch unsicher, welche Schraube für das aktuelle Projekt die richtige Wahl ist. Nach einigen Minuten ist zwar ein Mitarbeiter gefunden, der aber nur aushilfsweise in der Schrauben-Abteilung eingesetzt ist. Der kundige Kollege? Gerade zu Tisch. Der Schrauben-Laie ist sich nach kurzer Bedenkzeit aber „ziemlich sicher“: Das müsste eigentlich diese hier sein – die passt bestimmt. Die Ernüchterung kommt dann zu Hause: „Müsste“ und „eigentlich“ reicht nicht immer.

In Velbert gibt es eine Alternative: Begonnen hat alles bereits 1939 mit landwirtschaftlichen Geräten, die Fritz Figge – damals noch in Sprockhövel – anbot. Nach Kriegsende ging es dann in Langenberg weiter: Zunächst wurden Spiralbohrer, Schneideisen und Werkzeuge ins Sortiment aufgenommen, später dann auch Schrauben, Muttern, Schüppen und Kleineisen.

Früher gab es die Schrauben in einer alten Scheune

Schraube ist nicht gleich Schraube: Das wird bei einem Rundgang durch die rund 350 Quadratmeter großen Firmenräume schnell klar.
Schraube ist nicht gleich Schraube: Das wird bei einem Rundgang durch die rund 350 Quadratmeter großen Firmenräume schnell klar. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

1978 starb Firmengründer Fritz Figge. Sein Sohn Karl-Friedrich übernahm – und verlegte den Geschäftssitz in eine alte Scheune auf der Wilhelmshöhe. „Daran kann ich mich noch gut erinnern“, sagt Lynn Meckenstock, die als junges Mädchen ihren Vater Uwe – „der immer viel gebastelt und gewerkelt hat“ – häufig dorthin begleitete. „In der Scheune stapelten sich Paletten auf zwei Ebenen.“ Für Außenstehende das pure Chaos – doch Karl-Friedrich Figge wusste stets, wo das Gewünschte zu finden war. „Und es gab zumindest gefühlt keine Schraube, die er nicht hatte oder zumindest besorgen konnte“, erinnert sich Lynn Meckenstock. „Ein genialer Laden.“

Uwe Meckenstock kaufte Figge im Jahr 2014

Als Karl-Friedrich Figge in den wohlverdienten Ruhestand gehen wollte, fand sich innerhalb der Familie kein Nachfolger. Uwe Meckenstock – eigentlich mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Familienunternehmens H+R Meckenstock in Wülfrath gut ausgelastet – hörte davon und überlegte nicht lange. „Mein Papa war immer ein extremer Bauchmensch“, sagt seine Tochter Lynn. Und so kaufte Meckenstock 2014, zunächst per Handschlag besiegelt, kurzerhand die Fritz Figge GmbH – verbunden mit einem Umzug auf das alte Meckenstock-Firmengelände an der Mettmanner Straße 222. Aus euphorisch kalkulierten drei bis vier Tagen bis zur Wiedereröffnung am neuen Standort wurden dann doch einige Wochen, bis alle Schrauben umgezogen und sortiert waren. „Wir Kinder mussten fleißig mithelfen“, sagt Lynns älterer Bruder Kevin Meckenstock.

Auch riesige Unterlegscheiben sind im Sortiment der Fritz Figge GmbH in Velbert.
Auch riesige Unterlegscheiben sind im Sortiment der Fritz Figge GmbH in Velbert. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Mittlerweile hat das Velberter Unternehmen wieder einen guten Ruf

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Die kommenden Jahre sollten rückblickend die schwierigsten in der Unternehmensgeschichte werden – eine externe Geschäftsführerin, die Uwe Meckenstock eingesetzt hatte, „missbrauchte das ihr entgegengebrachte Vertrauen massiv“, so Lynn Meckenstock – was erst auffiel, als plötzlich Rechnungen nicht mehr gezahlt werden konnten. Das traditionsreiche Unternehmen stand kurz vor der Insolvenz. Ein Desaster. Lynn Meckenstock studierte zu dieser Zeit Jura in Kiel, war mit dem Lernen von Paragrafen aber nicht wirklich glücklich. „So habe ich mich 2018 entschieden, zurück nach Hause zu ziehen und mit ins Unternehmen einzusteigen. Sie machte eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement, aktuell büffelt sie an der Abendschule für den Betriebswirt. Gemeinsam mit ihrem Vater führte sie das Unternehmen zurück in die Erfolgsspur. „Heute haben wir zum Glück wieder einen guten Ruf als verlässlicher Partner unter den privaten und gewerblichen Kunden.“

Geschäftsführerin Lynn Meckenstock kennt sich mit ihren mehr als 10.000 unterschiedlichen Produkten aus.
Geschäftsführerin Lynn Meckenstock kennt sich mit ihren mehr als 10.000 unterschiedlichen Produkten aus. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Mehr als 10.000 gelistete Produkte im Bestand

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Im Februar dieses Jahres starb Uwe Meckenstock. Gesellschafter der Firma sind nun seine drei Kinder – Tochter Lynn führt seither mit gerade einmal 24 Jahren das Unternehmen. „Ich hätte gern noch etwas mehr Zeit zum üben gehabt“, sagt sie. Aber sie hat die Herausforderung angenommen – und meistert diese mit Bravour, wie ihr Bruder Kevin meint. Ihre Haupttätigkeit ist am Schreibtisch – bei Bedarf hilft sie aber auch im Verkauf und beweist dort, dass sie sich mit den mehr als 10.000 gelisteten Produkten auskennt. Gerade benötigt ein Kunde einen Linsensenkkopf mit Schlitz und eine Zylinderschraube mit Schlüsselführung. Zielsicher greift Lynn Meckenstock in die richtigen Kartons und der Kunde verlässt zufrieden den Verkauf.

Schrauben gibt es bei Figge auch einzeln

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„Früher dachte ich: Schraube ist gleich Schraube“, sagt sie. „Heute kenne ich die Unterschiede und Besonderheiten, weiß, worauf man achten muss.“ Beispielsweise wenn der Besitzer eines US-amerikanischen Motorrads auf den Hof rollt. „Der benötigt dann Zoll-Schrauben, metrische Schrauben passen nicht ins Gewinde.“ Kunden schätzen, sagt Lynn Meckenstock, die gute Beratung – „und dass sie bei uns einzelne Schrauben bekommen und nicht gleich einen ganzen Karton kaufen müssen“.

Aktuell denkt Lynn Meckenstock – gemeinsam mit ihren Brüdern – intensiv über die Einrichtung eines Online-Shops nach, wägt Investitionen gegen das mögliche Potenzial ab. Nicht mit ganz so viel Bauchgefühl wie der Papa – aber mit ganz viel Leidenschaft für das Familienunternehmen.

>>> Schrauben Figge

Der Verkauf von Schrauben Figge an der Mettmanner Straße 222 ist montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr geöffnet.

Neben Schrauben und Muttern in allen Größen und unterschiedlichsten Materialien gibt es im Sortiment unter anderem auch Unterlegscheiben bis 58 Zentimeter Durchmesser, Gewindestangen und -bolzen, Keilanker, Ketten, Drahtseile, Lochplatten und einige hochwertige Werkzeuge.

Mehr Informationen unter www.schrauben-figge.de