Velbert. Die Auftragslage beim Handwerk im Kreis Mettmann ist bombig, aber die Preise explodieren und Engpässe nehmen zu. Und der Branche fehlen Leute.

Betrachtet man die aktuelle Lage im heimischen Handwerk, so gibt es dort sowohl Licht als auch Schatten. „Die Auftragslage ist Bombe“, beschreibt Torben Viehl die Situation. „Das Problem ist allerdings, dass die Preise explodieren und die Engpässe zunehmen“, fügte der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft (KH) Mettmann auf WAZ-Nachfrage hinzu. Fakt ist ebenfalls: Die Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung in diesem Jahr sind auch im Handwerk zerstoben. Das wiederum wird aus der jüngsten Umfrage der Handwerkskammer (HWK) Düsseldorf zur Frühjahrskonjunktur deutlich.

Geschäftsklima im Kreis Mettmann liegt höher

Geht von einer Schrumpfung aus: Andreas Ehlert ist Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf.
Geht von einer Schrumpfung aus: Andreas Ehlert ist Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Der zufolge ging das Geschäftsklima um vier Prozentpunkte zurück und liegt nun bei 118 Punkten. Dass der Dämpfer insgesamt noch relativ glimpflich ausfällt, ist entscheidend dem Bauhaupt- und dem Ausbaugewerbe zu verdanken, die sich nach wie vor einer außerordentlich hohen Nachfrage erfreuen und die mangels Fachkräften längst an Kapazitätsgrenzen stoßen. Die Auslastungsquote liegt in beiden Branchengruppen mit 89 bzw. 85 Prozent mittlerweile deutlich jenseits der Vollauslastungsgrenze von 80 Prozent und die Auftragsreichweite bei knapp 16 bzw. elf Wochen. Kritischer sieht die Lage im Lebensmittelgewerbe, im Gesundheitsgewerbe und bei den personenbezogenen Dienstleistungen aus, in denen das Geschäftsklima deutlich zurückgegangen ist.

Erfolgreiche Ausbildungsquote

Hier im Kreis Mettmann liegt das Konjunktur-Barometer mit 122 Punkten höher als in der Landeshauptstadt und als der HWK-Schnitt. Die Auftragsweite im Neanderland beträgt quer durch alle Branchen achteinhalb Wochen; die durchschnittliche Auslastung rangiert bei 78 Prozent. Und 38 Prozent der befragten Betriebe melden derzeit unbesetzte Stellen. Fachkräftemangel und Nachwuchsprobleme, sagt Viehl, seien ein Dauerbrenner-Thema. Die Möglichkeiten im Handwerk würden heillos unterschätzt, das gelte definitiv auch für den Verdienst. Zuletzt habe die KH eine bemerkenswerte Ausbildungsquote in Höhe von 84 Prozent bei den Gesellen-Prüfungen verzeichnet. Das sei, so Viehl, sowohl mit Blick auf den Kammerbezirk als auch im Vergleich mit den zurückliegenden Jahren eine „wirklich erfolgreiche“ Quote.

Babyboomer geben Betriebe ab

5400 Handwerksbetriebe im Kreis Mettmann

„Bei uns zählt nicht, wo man herkommt. Sondern wo man hin will“, erklärt die Kreishandwerkerschaft (KH) Mettmann. „Wer vorankommen will, kommt zum Handwerk. Die Herkunft spielt dabei keine Rolle.“

Im Neanderland erwirt­schaften alles in allem mehr als 5400 Handwerksbetriebe mit ca. 28.000 Beschäftig­ten und mehr als 1800 Auszubildenden einen Jahresumsatz von fast 3,2 Milliarden Euro.

„Das Handwerk bietet eine solide Ausbildung fürs das ganze Leben“, erklärt der KH-Geschäftsführer – der Dipl. Kaufmann (47) stammt selbst aus einer Handwerker-Familie. Erschwerend komme nunmehr noch der Umstand hinzu, dass viele Babyboomer ihren Betrieb abgeben würden. „Und es gibt eben keinen Automatismus, dass aus der Familie jemand nachwächst.“

Ausbau der Zusammenarbeit mit Schulen

Weitere Kooperationen mit Schulen aufbauen: Torben Viehl ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mettmann.
Weitere Kooperationen mit Schulen aufbauen: Torben Viehl ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mettmann. © KH Mettmann | Carsten Paul

Die KH bemühe sich kreisweit, auch in anderen Kommunen Kooperationen nach dem Velberter Vorbild mit der Martin-Luther-King-Hauptschule zu initiieren, berichtet Torben Viehl zum Thema Nachwuchs-Förderung und -Akquise. Übrigens auch in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer und mit der Gemeinschaftslehrwerkstatt (GLW Velbert). In Mettmann gibt es schon ein konkret vereinbartes Vorgehen mit dem Berufskolleg Neandertal und der städtischen Realschule, in Erkrath besteht eine Kooperation mit der Realschule in Hochdahl und dem Handwerkerkreis Erkrath e. V..

Inflation frisst Wachstum auf

„Alle Branchen zusammengenommen, rechnen wir im Kammerbezirk anstelle des angepeilten Wachstums nur mit schwachen nominalen Wachstumsraten in 2022, die hinter den gut drei Prozent Wachstum aus dem Vorjahr zurückbleiben werden. Bei einer Inflation von aktuell sieben Prozent wird das real eine Schrumpfung bedeuten,“ kündigt HWK-Präsident Andreas Ehlert an.

Preissteigerungen und Versorgungsengpässe

Von massiven Preissteigerungen sind alle Branchen betroffen – manche sogar mehrfach. So muss das Lebensmittelgewerbe nicht nur gestiegene Personalkosten und Energiepreise an die Kunden weitergeben, sondern auch Preissteigerungen und Versorgungsengpässe bei Rohstoffen. Die Mehrheit der Unternehmen des Bau- und Ausbaugewerbes, der Kfz-Berufe und der Zulieferunternehmen befürchtet darüber hinaus aufgrund des Kriegs in der Ukraine weiter steigende Beschaffungspreise, mehr als 60 Prozent Beeinträchtigungen der Lieferketten und Logistik, mehr als ein Drittel Störungen im Zahlungsverkehr.

Oft ganz ohne Liefertermin

„Die Beschaffungskosten steigen und die Nachfrage auch“, berichtet Torben Viehl. Und für gute Leute – Stichwort Fachkräftemangel – müsse man halt auch mehr bezahlen. Zudem gebe es mittlerweile selbst für Pfennigartikel wie beispielsweise Kunststoff-Schalter, bei denen es sich vielfach um Importe aus China handele, Lieferfristen von zwei bis drei Monaten. „Oder es wird erst gar kein Liefertermin mehr genannt.“