Langenberg. Der Integrationsbeauftragte am Gymnasium Langenberg und sein Team erarbeiten gerade ein Konzept, um Schüler aus der Ukraine zu integrieren.

„Wir wollen den ukrainischen Kindern ein Gefühl von Sicherheit in ihrer Willkommensklasse geben“, sagt Sebastian Zellmer. Er unterrichtet am Langenberger Gymnasium eigentlich Deutsch und Erdkunde, dieser Tage aber wird er zum Ansprechpartner für alles, was mit ukrainischen Geflüchteten und deren Eingliederung am Gymnasium zu tun hat.

Wie konnte das passieren? Zellmer strahlt Optimismus aus, als wir ihn an einem sonnigen Montag im Gymnasium treffen. Klar, es ist alles gerade ein bisschen stressig – Regulärunterricht, Vertretungsunterricht, Corona, Vorabi, Abi und jetzt auch noch der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der direkte Auswirkungen auf das Geschehen in deutschen Schulen haben wird.

2015 war ein Präzedenzfall

Eine ukrainische Willkommensklasse an einem Berliner Gymnasium: Auch in Langenberg soll eine solche Klasse eingerichtet werden. Derzeit überarbeitet die Schule die Konzepte von 2015, um Dinge, die damals nicht funktioniert haben, nicht zu wiederholen.
Eine ukrainische Willkommensklasse an einem Berliner Gymnasium: Auch in Langenberg soll eine solche Klasse eingerichtet werden. Derzeit überarbeitet die Schule die Konzepte von 2015, um Dinge, die damals nicht funktioniert haben, nicht zu wiederholen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Aber die Integration der Geflüchteten muss ja irgendjemand übernehmen – und er hat sie schon einmal übernommen. 2015, im Zuge der so genannten Flüchtlingskrise, hatte Zellmer am Gymnasium die Federführung innegehabt, um die arabischen Flüchtlinge in den Unterricht zu bringen.

Damals waren die Schüler, überwiegend Syrer, in den Willkommensklassen relativ lange unter sich geblieben – es hatte schließlich keinen Präzedenzfall gegeben; Schulen, Kommunen, Land und Bund tappten im Dunkeln, wie mit ihnen umzugehen sei.

Kürzere Verweildauer in Willkommensklassen

„Die Willkommensklassen haben damals recht wenig funktioniert“, sagt Zellmer heute. Was er nicht sagt: Nicht nur in Langenberg, sondern an den meisten Schulen hat das System nicht funktioniert; vor allem deshalb, weil den Geflüchteten der Kontakt – der Voraussetzung für Integration ist – zu den restlichen Schülern fehlte. Es ist eben eine Sache, deutsche Wörter im Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrbuch zu lesen oder sie tausendfach am Tag von den Klassenkameraden zu hören.

Um das Problem diesmal direkter anzugehen, setzen die Schulen auf eine kürzere Verweildauer in den rein ukrainischen Willkommensklassen. „Bis zu den Sommerferien…“, sagt auch Gymnasium-Schulleiter Markus Ueberholz.

Reduzierter Stundenplan

Das wären nur noch drei Monate – ein recht geringer Zeitraum, in dem es wohl weniger darum gehen wird, auf Hochtouren zu lernen, sondern erstmal das Eingewöhnen und vielleicht die erste Trauma-Bewältigung angegangen werden soll.

Nicht nur stur Vokabeln pauken und Deutsch lernen: Am Gymnasium Langenberg wollen die Lehrerinnen und Lehrer den Schülerinnen und Schülern auch ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.
Nicht nur stur Vokabeln pauken und Deutsch lernen: Am Gymnasium Langenberg wollen die Lehrerinnen und Lehrer den Schülerinnen und Schülern auch ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. © picture alliance / dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

„Ich denke, die ukrainischen Geflüchteten werden mit einem reduzierten Stundenplan beginnen“, sagt Zellmer, „vier Stunden vielleicht“. In der Zeit sollten aber auf keinen Fall „nur Deutschvokabeln gepaukt“ werden, stattdessen gehe es darum, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, durch gemeinsames Musizieren etwa oder Sportunterricht. Und zum nächsten Schuljahr könnte dann bereits die Eingliederung in Regelklassen erfolgen, immer auch abhängig vom individuellen Lernstand.

Hilfsbereitschaft ist groß

Die Hilfsbereitschaft am Gymnasium – wo bisher vier ukrainische Geflüchtete angemeldet sind, weitere aber jeden Moment erwartet werden – ist jedenfalls da: „Ich habe noch zwei Kolleginnen, die das Ganze mit mir zusammen mit viel Herzblut machen, und eine andere, die sowohl Ukrainisch als auch Russisch fließend beherrscht, genau wie fünf oder sechs Schülerinnen, die ich bereits kontaktiert habe.“

Hinzu kämen noch ungefähr 25 weitere, die zwar die Sprachen nicht sprechen, aber sich sofort bereit erklärt hätten, einfach mitzuhelfen. Die Elternschaft wird aktuell noch befragt, es gibt aber auch dort bereits zahlreiche Initiativen zur Hilfe, etwa als Ehrenamtler bei lokalen Hilfsorganisationen.

Konzepte von 2015 werden überarbeitet

Den ukrainischen Schülern am Gymnasium – wie auch an allen anderen Schulen – dürfte zugutekommen, dass sie nicht der ersten großen Fluchtbewegung entstammen, die diese Generation Lehrer unterrichten wird.

Was 2015 nicht so gut funktionierte, verändern die Schulen nun, was gut klappte, wird beibehalten. So entsteht eine Synthese aus altem und neuem Plan. „Wir sind seit zweieinhalb Wochen dabei, das Konzept von damals zu verbessern“, sagt Zellmer, „aber wir werden wirklich auch einige schon bestehende Strukturen von damals nutzen können“.

Dann verabschiedet er sich und lacht, weil in seiner Vertretungsklasse gerade Höllenlärm ausgebrochen ist – die Pause naht. Es ist alles etwas stressig gerade, aber den Optimismus lässt sich der Erdkunde- und Deutschlehrer und alte und neue Integrationsbeauftragte nicht nehmen.