Velbert/Langenfeld. Oksana Kernytska organisiert Spendentransporte in die Ukraine. Auch aus Velbert kommen die Güter, Kernytska aber rät mittlerweile zu Geldspenden.

„Bis zu 60 000 ukrainische Flüchtlinge ziehen am Tag durch die Sporthalle im polnischen Medyka“, sagt Oksana Kernytska und beruft sich dabei auf die Auskunft der dortigen Behörden. „Eigentlich wird da Ballett getanzt – jetzt haben wir Kinder mit gebrochenen Fingern gesehen und Senioren mit Herzproblemen.“ Vor kurzem ist Kernytska aus dem polnischen Dorf zurückgekommen, das direkt an der Grenze zur Ukraine liegt, und statt graziler Tänzer nun Kriegsflüchtlinge in Empfang nimmt.

Mitgebracht hat sie dementsprechend viele beunruhigende Erinnerungen: „Ich habe Mütter gesehen, die nicht mehr auf ihre Kinder reagiert, sondern einfach ins Nichts gestarrt haben, Hunde und Katzen, die wie gelähmt nebeneinanderlagen, Kleinkinder, die während der Flucht drei Tage lang dieselbe Windel tragen mussten.“

Helferin stammt aus der Ukraine

Kernytska wohnt in Langenfeld und arbeitet dort bei einer Sicherheitsfirma, hat viele Verbindungen nach Velbert. Bis 1994 aber lebte sie mit ihrer Familie in der Ukraine, in einer kleinen Stadt namens Butschatsch, ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Lwiw und dem moldauisch-rumänisch-ukrainischen Dreiländereck. „Mein Vater ist früher Oberst in der ukrainischen Armee gewesen“, erzählt sie. Vermutlich kam daher also das Gefühl, das sie bei Kriegsausbruch ergriff; jetzt dringend helfen zu müssen, nicht zuzuschauen, während die ehemaligen Kollegen des Vaters in einen Krieg verwickelt werden.

Kontakte vermitteln, Unterstützung geben

„Ich springe zwischen verschiedenen Organisationen, die helfen wollen“, sagt Kernytska, „,Fortuna hilft’ ist dabei, die Johanniter, die Firma Inovator, ‚Mensch zu Mensch’ aus Wuppertal, aber auch die Ärztekammern Karlsruhe und Thüringen.“ Kernytska kennt viele Menschen dies- und jenseits der Grenze, vermittelt deshalb Kontakte und organisiert. Und vor ein paar Tagen war sie eben selbst mit an der Grenze. „Aus sechs Sprintern und einem LKW bestand der Konvoi“, erzählt sie. Darin: medizinische Güter etwa, Babynahrung und Schlafsäcke.

Spenden in Velbert eingelagert

Gelagert wurden die Sachen zum Teil in Velbert: Ein Soldat aus der Schloss-Stadt hatte seine private Halle geöffnet, um dort die Spenden zu lagern, die direkt in die Ukraine gingen, an ein Militärkrankenhaus etwa.„Als wir in der Halle in Medyka angekommen sind, habe ich auf Ukrainisch eine Durchsage gemacht, dass wir Ärzte dabeihaben; dass wir die Menschen untersuchen oder sie sogar mit nach Deutschland nehmen könnten“, sagt Kernytska. Aber erst, als sie von ihrem Vater erzählte, dem Ex-Soldaten, hätten die Leute Vertrauen gefasst. „Als das Eis gebrochen war, wurden sie abgehört oder ihnen der Blutdruck gemessen. Eigentlich totale Grundversorgung und unzureichend, aber immerhin ein Anfang.“

Verschreibungspflichtige Medikamente werden dringend gebraucht

Das allerdings ist tatsächlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein – besonders verschreibungspflichtige Medikamente würden nämlich gerade eigentlich gebraucht, seien aber rechtlich schwierig zu transportieren, besonders über Landesgrenzen hinweg. „Wir planen aber auf jeden Fall weitere Lieferungen an Krankenhäuser und das Militär“, sagt Kernytska, fügt allerdings hinzu, dass Geldspenden mittlerweile wichtiger seien als Sachspenden. „Die Organisationen können da bei Bedarf Auskunft geben.“

Keine privaten Fahrten an die Grenze

Zwei Appelle hat Kernytska noch an die Bevölkerung. Erstens: „Das private Zur-Grenze-Fahren muss aufhören. Die Kommunen, die ganze Politik, die Organisationen helfen und wissen, was sie wo tun müssen.“ Zweitens: „Nicht alle sollten jetzt anfangen, sich zu kümmern; lieber erst in ein paar Wochen. Wir brauchen nämlich einen langen Atem.“ Denn all das war erst der Anfang.

>>>Spende und Hilfe

Wer sich mit den Organisationen, die Kernytska unterstützt, in Verbindung setzen will, beispielsweise die Johanniter, findet dazu Informationen im Internet.

Ob die Langenfelderin selbst bald noch einmal an die Grenze fährt, weiß sie noch nicht. Die Konvois aber gehen weiter.