Velbert. Die Stadtwerke Velbert halten die Gasversorgung auch dann für sicher, wenn sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zuspitzten sollte.
Als sich in den letzten Wochen der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine immer weiter zuspitzte, wurde als ein Randaspekt auch immer wieder über die Gasversorgung diskutiert. Manch ein Politiker forderte, kein russisches Gas mehr abzunehmen, um ein Zeichen zu setzen, manch anderer äußerte Befürchtungen, Russland könne seinerseits die Lieferungen als Druckmittel einsetzen und diese bei einer Eskalation reduzieren oder ganz stoppen.
Wir haben bei den Stadtwerken Velbert als örtlichem Energieversorger nachgefragt, ob solch ein Szenario aus ihrer Sicht wahrscheinlich ist und wie sie die Situation beurteilen. Dabei hat sich gezeigt: Der Gasmarkt ist komplexer als es zunächst scheint.
Die wichtigste Antwort nimmt Stefan Freitag, Geschäftsführer der Stadtwerke Velbert, direkt vorweg: „Nach allem, was wir wissen, halten wir die Gasversorgung in Deutschland für sicher und gesichert. Und alles, was für Deutschland gilt, gilt auch für Velbert.“
Russland produziert etwa 50 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases
Er habe die Zuspitzung des Konfliktes – wie viele andere Menschen auch – als bedrückend und auch bedrohlich empfunden, sagt Freitag. Da falle es manchmal schwer, die Dinge zu versachlichen. Wenn es um Ängste von Menschen gehe, sei aber genau das wichtig.
Richtig sei, sagt Freitag, dass Deutschland bei der Gasversorgung in einem hohen Maß von Russland abhängig sei. „Etwa 50 Prozent des in Deutschland genutzten Gases stammen aus Russland“, so der Stadtwerke-Chef. Die anderen großen Gaslieferanten könnten diese Mengen auch nicht ersetzen. Norwegen als zweiter großer Gasexporteur produziere bereits „am Anschlag“, die Niederlande würden sich derzeit von der Gasförderung verabschieden, da in der Abbauregion die Gefahr von Erdbeben bestehe.
Stadtwerke Velbert kaufen Gas langfristig ein
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Fakt sei aber auch, so Freitag weiter, dass Russland in der Vergangenheit stets alle langfristigen Lieferverträge eingehalten habe. Die Stadtwerke Velbert hätten auch keine direkten Verträge mit Gazprom, dem weltweit größten Erdgasförderer, an dem der russische Staat die Aktienmehrheit hält, „sondern wir kaufen das Gas langfristig an den Börsen ein“, so Freitag.
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Selbst die für den Winter 2022/23 benötigten Mengen seien dort bereits eingekauft. „Es gibt aktuell keine ernsthaften Stimmen in der Branche, die glauben, dass die Versorgung mit Gas gefährdet ist“, rechnet Freitag damit, dass die Verträge auch erfüllt werden. Er sieht daher kein Mengenproblem, wohl aber ein Preisproblem: Schon jetzt seien die Gaspreise auf einem historischen Höchststand. Durch die langfristigen Einkäufe – anders als einige Gasdiscounter, die tagesaktuell auf den Börsen „zocken“ – steht der Gas-Einkaufspreis für den kommenden Winter schon jetzt fest. Die Börsen haben auf die Russland-Ukraine-Krise aber mit noch einmal steigenden Preisen reagiert – „und das könnte sich in Velbert dann auf den Gaspreis im Winter 2023/24 auswirken“, so Freitag, da man hier noch nicht vollständig die benötigte Gasmenge eingekauft habe. Die Stadtwerke wollen aber, auch das betont Freitag, alles versuchen, den Preis durch geschickten Einkauf für die Kunden so gering wie möglich zu halten.
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Es gibt einen bundesweit gültigen Notfallplan
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Sollte es wirklich zu Versorgungseinschränkungen kommen, gebe es einen Notfallplan der Bundesregierung, so der Stadtwerke-Geschäftsführer. In diesem seien Stufen und Folgen definiert – von der Frühwarn- über die Alarm- bis hin zur Notfallstufe. In der ersten Stufe würde es seitens der Regierung den Appell geben, sparsam mit dem Gas umzugehen, in der nächsten Stufe würden dann auch die Energieversorger mit ins Spiel kommen. Diese würden dann, so Freitag, mit den Industriekunden sprechen, wie der Gasverbrauch gedrosselt werden könne.
Erst in der Notfallstufe würden dann auch hoheitliche Maßnahmen zum Tragen kommen, indem Industriekunden von der Gasversorgung abgekoppelt würden. „Die Privatkunden sind besonders geschützt und würden auch dann weiterhin Gas erhalten“, so Freitag, der die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Notfallstufe mit „unter einem Prozent“ benennt.
Und ein Engpass würde grundsätzlich auch nicht über Nacht entstehen, erläutert der Stadtwerke-Geschäftsführer, gibt es in Deutschland doch mehrere große Gasspeicher, die durch die Pipelines gefüllt werden.
Grundsätzlich sieht Stefan Freitag bei diesem Thema aber Handlungsbedarf. „Wenn man mit mehr als 50 Prozent von etwas abhängig ist, sollte man sich da Gedanken machen...“