Velbert. Velberter Kinder zwischen 10 und 14 Jahren leiden während der Pandemie häufiger unter Krisen. Ein Blick darauf, wie Angehörige helfen können.

In den vergangenen Monaten mussten besonders sie die sozialen Kontakte reduzieren, wurden aus ihrem gewohnten Tagesrhythmus gerissen und teilten häufig die Ängste ihrer Eltern: Die Belastung von Kindern und Jugendlichen nahm während der Pandemie deutlich zu.

„Kinder zwischen 10 und 14 Jahren sind während der Pandemie deutlich häufiger als zuvor an Depressionen erkrankt und leiden öfter als andere Altersklassen an suizidalen Krisen“, erläutert Prof. Dr. Johannes Hebebrand von der Essener LVR Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Weltweit nehmen Erkrankungen zu

Bei einer Depressionserkrankung ändert sich das Wesen des betroffenen Menschen: „Die Kinder und Jugendlichen verlieren ihr Interesse und ihre Motivation. Viele ziehen sich zurück, sind reizbar und haben eine traurige Grundstimmung“, sagt der Leiter der Einrichtung.

Während der Pandemie haben weltweit die Raten der Depressionserkrankungen, Ess- und Angststörungen bei jungen Menschen zu genommen. Dadurch, dass sich das Leben vieler Jugendliche in dieser Zeit ausschließlich in den eigenen vier Wänden abspielte, bekamen sie die Ängste der Eltern vor einer Erkrankung oder um die eigene Existenz häufig mit.

Bewusst Zeit für die Familie nehmen

Bei Arbeit im Homeoffice droht die Gefahr, dass sich privates Leben und Arbeit zu sehr vermischen. Unter dieser vermischten Tagesstruktur leiden Kinder und Jugendliche dann besonders.
Bei Arbeit im Homeoffice droht die Gefahr, dass sich privates Leben und Arbeit zu sehr vermischen. Unter dieser vermischten Tagesstruktur leiden Kinder und Jugendliche dann besonders. © dpa | Sina Schuldt

„Eltern müssen sich darüber bewusst werden, dass im Homeoffice die Gefahr droht, dass sich privates Leben und die Arbeit vermischen“, betont Hebebrand und ergänzt: „Diese vermischte Tagesstruktur kann sich negativ auf die Psyche der Kinder auswirken.“

Deswegen sei es besonders wichtig, sich trotz Homeoffice bewusst Zeit für die Familie zu nehmen. „Wenn die Kinder sich jedoch schon so weit zurück gezogen haben, dass sie den Kontakt ablehnen, sollte der Kinderarzt informiert werden“, erläutert der ärztliche Leiter.

Der Kinderarzt leitet die an Depression erkrankten Kinder dann an eine psychologische oder psychiatrische Einrichtung weiter.

Schulsozialarbeiterin bestätigt Beobachtungen

Die Schulsozialarbeiterin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums (GSG), Katrin Schulze, ist das Bindeglied zwischen Schülerinnen und Schülern und Erwachsenen. „Die momentane Lage ist besonders sensibel“, sagt Schulze mit Hinblick auf das Distanzlernen und die eingeschränkten Sozialkontakte.

Auch sie beobachtet bei den jungen Menschen eine Zunahme der Depressionserkrankungen im Rahmen der Pandemie. Damit die Kinder und Jugendlichen merken, dass sie mit ihrer Erkrankung, die häufig als Laune heruntergespielt wird, nicht alleine sind sei es wichtig, die mentale Gesundheit regelmäßig zu thematisieren.

„Am GSG spielt die mentale Gesundheit der Schülerinnen und Schüler eine große Rolle“, sagt Schulze deswegen. Viele suchten bereits bewusst nach psychologischer Hilfe, doch da trete dann das nächste Problem auf: „Es gibt viel zu wenige Therapieplätze, das ist gravierend“, betont Schulze.

Kapazitäten schon vor Corona begrenzt

Astrid Keßler ist Abteilungsleiterin Soziale Dienste bei der Stadt Velbert. Sie weiß, dass schon vor Corona die Kapazitäten für Therapien begrenzt waren.
Astrid Keßler ist Abteilungsleiterin Soziale Dienste bei der Stadt Velbert. Sie weiß, dass schon vor Corona die Kapazitäten für Therapien begrenzt waren. © FUNKE Foto Services | Kira Alex

„Schon vor Corona waren die Kapazitäten für Therapien begrenzt. Trotz eines Anstiegs der Depressionserkrankungen kann man davon ausgehen, dass das Hilfsangebot gleich geblieben ist“, sagt auch Astrid Keßler, die Leiterin des sozialen Dienstes der Stadt Velbert.

Die Mitarbeitenden des städtischen Jugendhilfediensts und der städtischen Erziehungsberatungsstelle kämen im Rahmen ihrer Arbeit immer wieder mit Depressionserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Berührung – auch wenn darauf nicht der Hauptfokus der Sozialarbeiterinnen und -arbeiter liegt.

Zusammenarbeit und Vernetzung

„Hier ist eine besonders feinfühlige Zusammenarbeit sowie Vernetzung mit weiteren Institutionen notwendig“, sagt Astrid Keßler und verweist auf die Stadtteilzentren der Wohlfahrtsverbände. Diese soziale Betreuung würde jedoch auf keinen Fall eine medizinische Betreuung ersetzen, betont Keßler.

Auch wenn die mentalen Krisen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen haben und auf der anderen Seite die Therapieplätze weiterhin rar sind, gibt es auch eine andere Seite. „Neben den jungen Menschen, die stark unter dem Lockdown litten, gibt es auch die Kinder, denen es während der Pandemie besser geht, weil sie beispielsweise in der Schule sonst gemobbt werden“, betont Johannes Hebebrand.

Depression bei Kindern und Jugendlichen

Neben fehlendem Interesse und fehlender Motivation kann auch eine gereizte und traurige Grundstimmung Symptom einer Depressionserkrankung sein.

Wenn Eltern diese Verhaltensänderung bei Kindern und Jugendlichen beobachten, sollten sie sich an den entsprechenden Kinderarzt wenden.

Dieser vermittelt den Betroffenen psychologische Hilfe. Beratend steht das Info-Telefon unter der Rufnummer 0800 3344533 von der Deutschen Depressionshilfe zur Verfügung.